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       # taz.de -- US-Militärdokumente bei Wikileaks: Vom Gewissen geleitet
       
       > Seit Montag ist die Verteidigungsrede des US-Gefreiten und
       > Wikileaks-Whistleblower Bradley Manning vor einem Militärgericht online.
       > In der Truppe gilt er als Verräter.
       
   IMG Bild: Seit seiner Gefangennahme im Frühjahr 2010 im Irak hat Bradley Manning mehr als 1.000 Tage in US-Militärgefängnissen verbracht.
       
       WASHINGTON taz | Er hat eine Stimme. Sie ist deutlich und selbstbewusst. In
       der klammheimlich im Militärgericht von Fort Meade aufgezeichneten Rede
       spricht der Gefreite Bradley Manning in 70 Minuten Länge, über seine
       Motive, Hunderttausende von geheimen US-Dokumenten aus den US-Kriegen im
       Irak und in Afghanistan, sowie diplomatische Kabel der Organisation
       Wikileaks zuzuspielen.
       
       „Wenn die große Öffentlichkeit Zugang zu diesen Informationen hätte“,
       begründet der 25-jährige sein Handeln, „könnte das eine Debatte über das
       Militär und die US-Aussenpolitik auslösen.“ Die Aufzeichnung stammt von
       seinem Hearing am 28. Februar in Fort Meade in Maryland. Dort gelten die
       Regeln des US-Militärs. Bradley Manning, der als „Whistleblower“,
       Kriegsverbrechen und diplomatische Intrigen an die Öffentlichkeit gebracht,
       der Stoff für Legionen von JournalistInnen und WissenschaftlerInnen
       geliefert und nach Ansicht vieler den „arabischen Frühling“ beschleunigt
       hat, gilt in US-Militärkreisen als Verräter.
       
       Bei seinen Hearings kommen strengere Eingangskontrollen als bei jedem
       zivilen Gericht der USA zur Anwendung. Und Filme, Fotografien und
       Tonaufnahmen sind strikt verboten. Von seinen bisherigen Hearings zeugen
       lediglich handschriftliche Notizen von JournalistInnen, Berichte von
       ZuhörerInnen sowie die Darstellung des US-Militärs. Einen O-Ton von Bradley
       Manning, dem produktivsten „Whistleblower“ seiner Generation, gab es
       bislang nicht.
       
       Seit seiner Gefangennahme im Frühjahr 2010 im Irak hat Bradley Manning mehr
       als 1.000 Tage in US-Militärgefängnissen verbracht. Davon einen großen Teil
       in totaler Isolation. In dieser Zeit haben US-Verteidigungsminsterium und
       seine Gefängniswärter das Bild bestimmt. Nach ihnen ist Bradley Manning ein
       labiler, verlorener und selbstmordgefährdeter junger Mann. Das kontrastiert
       scharf mit den Ton seiner Rede. Die Gruppe „Freedom of the Press
       Foundation“ hat die Rede am Montag in voller Länge auf ihre [1][Webseite]
       gestellt. Der Andrang war so groß, dass die Webseite schon wenige Stunden
       später vorübergehend zusammenbrach.
       
       ## Historische Bedeutung
       
       Die Gruppe, die sich für Meinungs- und Pressefreiheit engagiert, begründet
       die Veröffentlichung des aus dem Militärgericht geschmuggelten Mitschnitts
       mit der historischen Bedeutung des Falls. „Die extreme Geheimhaltung ist
       ein Dorn im Auge der Demokratie“, heisst es auf der Webseite. Bradley
       Manning wird dort als ein „Angestellter der Regierung“ beschrieben, der
       sich großen Sorgen über Dinge gemacht hat, die er bei seiner Arbeit erfuhr.
       Und das Vorgehen der US-Regierung gegen Bradley Manning ist zugleich eine
       „Gefahr für die Pressefreiheit“.
       
       Bradley Manning hat sich in dem nunmehr öffentlich gewordenen Hearing als
       schuldig in 10 Anklagepunkten – von ingesamt 22 – bekannt. Mit diesem
       Eingeständnis riskiert er eine Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren. Aber
       die US-Regierung besteht weiterhin darauf, ihn in sämtlichen 22 Punkten
       anzuklagen, wenn – voraussichtlich im Juni – sein Prozess beginnt. Der
       schwerste Anklagepunkt lautet „Hilfe für den Feind“. Begründung:
       Geheimdokumente, die Bradley Manning herausgebracht habe, seien auch in den
       Händen von Osama Bin Laden gelandet.
       
       Bradley Manning hat unter anderem das heute weltweit unter dem Titel
       „Collateral Murder“ bekannte [2][Video] an die Öffentlichkeit gebracht. Es
       zeigt, wie US-Soldaten aus einem Helicopter im Juli 2007 mindestens 12
       Zivilisten in Bagdad erschiessen – darunter mehrere Journalisten. Bei dem
       Hearing in Fort Meade beschreibt Bradley Manning seine eigene Verstörung
       über die Todesschützen in Uniform.
       
       Als Bradley Manning – damals im US-Aufklärungs-Dienst im Irak-Krieg tätig –
       die belastenden Dokumente 2010 in die Hände fallen, versuchte er zunächst,
       die New York Times und an die Washington Post dafür zu interessieren, sagt
       er bei seinem Hearing. Als ihm das nicht gelang, gab er sie an Wikileaks
       weiter. Geleitet habe ihn dabei allein sein Gewissen, sagt er. Keine
       Organisation und keine Regierung habe ihn angetrieben.
       
       13 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://pressfreedomfoundation.org/blog/2013/03/fpf-publishes-leaked-audio-of-bradley-mannings-statement
   DIR [2] http://www.youtube.com/watch?v=5rXPrfnU3G0
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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