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       # taz.de -- Rätselhafter Rückzug: Weit weg ist der Regenwald
       
       > Oldenburg steigt aus Klimaschutzprojekt in Kolumbien aus. Hat die
       > Verwaltung eine NGO mit dem Internethändler Amazon verwechselt?
       
   IMG Bild: Nachhaltige Kakaoernte findet in Kolumbien auch ohne Oldenburg statt.
       
       An Bekenntnissen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit mangelt es der Stadt
       Oldenburg nicht: Sie verordnete sich ein lokales Agenda-21-Programm,
       unterzeichnete die Milleniumserklärung des Deutschen Städtetages, ist
       Mitglied der „[1][Alianza del Clima]“, einem Bündnis europäischer Städte
       mit indigenen Völkern in Regenwaldgebieten (siehe Kasten). Umso
       erstaunlicher: Heimlich, still und leise hat die Stadt aus einem
       Klimaschutzprojekt im Amazonasgebiet aussteigen wollen.
       
       Gemeinsam mit anderen Kommunen hatte Oldenburgs Agenda-Beauftragter eine
       Klimapartnerschaft mit der kolumbianischen Gemeinde Solano initiiert: Es
       ging um nachhaltigen Kakao-Anbau und fairen Handel. 500.000 Euro
       Fördermittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
       Entwicklung konnten dafür eingeworben werden. Oldenburger Ehrenamtliche
       nahmen bereits an einem Auftaktworkshop in Costa Rica teil, eine Reise nach
       Solano hätte im Februar folgen sollen. Vielleicht hätte es bald
       „Oldenburg-Schokolade“ gegeben, fair und nachhaltig.
       
       Hätte. Denn Ende Januar stampfte der Oldenburger Oberbürgermeister Gerd
       Schwandner (parteilos) das Projekt ein – offenbar eigenmächtig. Die
       entsprechende Website verschwand vom städtischen Internetauftritt,
       Nachfragen seitens der irritierten ehrenamtlichen Helfer wurden mit dem
       Hinweis abgetan, die Stadt setze „andere Schwerpunkte“.
       
       Welche das sind? Seit Jahren betreibt Oldenburg einigen Aufwand, um die von
       Schwandner initiierten, eher mäßig erfolgreichen Wirtschaftsbeziehungen zu
       China und Südafrika zu pflegen, entsendet regelmäßig Delegationen in diese
       Länder. Das Kolumbien-Projekt hingegen hätte, betonen seine Mitarbeiter
       immer wieder, die Stadt keinen Cent gekostet, auch etwaige Personalkosten
       wären gedeckt gewesen.
       
       Nun ist es mit der Heimlichkeit vorbei: Lokalpolitik und Presse haben sich
       des Kolumbien-Ausstiegs angenommen. In einer Ausschusssitzung bat die
       SPD-Fraktion die Verwaltung um Erklärungen, allerdings ohne Erfolg: Der
       Oberbürgermeister war nicht anwesend, eine – nicht direkt zuständige –
       Dezernentin steckte nicht besonders tief im Thema. Man „prüfe“ den Fall,
       hieß es etwas hilflos. Durch die bislang eingegangenen Zusicherungen
       drohten der Stadt „haftungsrechtliche Konsequenzen“ – welche das sein
       könnten, wurde aber nicht gesagt. Schuldig blieb die Verwaltung auch die
       Antwort, warum das Engagement so Knall auf Fall beendet werden sollte – und
       warum niemand darüber informiert worden sei.
       
       Das Schweigen eröffnet umso mehr Raum für Deutungen. Der Oberbürgermeister
       habe ihr gesagt, er unterstütze kein Projekt, bei dem Fördergelder an eine
       „US-amerikanische Privatfirma“ flössen, berichtete die Grünen-Ratsfrau und
       Landtagsabgeordnete Susanne Menge. Sie hegt einen Verdacht: Sind
       Verwaltungsvertreter davon ausgegangen, dass die NGO „[2][Amazon
       Conservation Team]“, der designierte Partner vor Ort, etwas mit dem
       Internetriesen [3][Amazon] zu tun hat? Städtische Beamte hätten sich
       zumindest entsprechend geäußert, so Menge. Das sei jedoch keineswegs der
       Fall – „und mit Solano ist auch nicht der Jackenhersteller gemeint“.
       
       Vielleicht also nur ein Missverständnis, das sich mit etwas
       Internetrecherche hätte ausräumen lassen – aber bislang hat sich der
       [4][Oberbürgermeister] auch dazu nicht geäußert. Ohnehin gibt sich die
       Stadt recht zugeknöpft: Anfragen bescheidet sie mit Hinweis auf kommende
       Ausschusssitzungen, zu denen man sich äußern werde. Zum „Kolumbien-Tag“ am
       Wochenende gab es nicht einmal mehr eine Pressemitteilung.
       
       Zwischen Oldenburgs Verwaltungschef und der Ratsmehrheit aus SPD, Grünen
       und Linken herrscht schon [5][beinahe traditionell] ein angespanntes Klima:
       Ins Amt gelangte der parteilose, aber von der CDU gestützte Schwandner 2006
       auch dank des Versprechens, er werde den Bau eines Einkaufszentrums
       verhindern – ein Versprechen, das er nicht hielt. Zweimal bereits hat der
       Rat versucht, den OB abzuwählen, beide Versuche scheiterten, wenn auch
       knapp.
       
       Was die gekappte Kakao-Kooperation angeht, fordern die Fraktionen von SPD,
       Grünen und Linken in einer Sitzung am morgigen Donnerstag Rede und Antwort
       von der Verwaltung. Das Ansehen der Stadt sei gefährdet, sagt Ratsfrau
       Menge: Das Projekt war Teil des Programms „[6][50 kommunale
       Klimapartnerschaften bis 2015]“ – und andere beteiligte Kommunen seien
       nervös, ob Oldenburg seine Zusagen einhält. Der nordrhein-westfälische
       Landkreis Neuss habe Interesse signalisiert, einzuspringen. Den
       Imageschaden dürfte Oldenburg davontragen.
       
       12 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.klimabuendnis.org/
   DIR [2] http://www.charitynavigator.org/index.cfm?bay=search.summary&orgid=9952
   DIR [3] http://www.ardmediathek.de/das-erste/reportage-dokumentation/ausgeliefert-leiharbeiter-bei-amazon?documentId=13402260
   DIR [4] /Oldenburgs-OB-wackelt/!30841/
   DIR [5] /!16907/
   DIR [6] http://www.service-eine-welt.de/klimapartnerschaften/klimapartnerschaften-start.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maik Nolte
       
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