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       # taz.de -- Der Lesetage-Vergleich: Zwischen den Zeilen
       
       > Die "Vattenfall-Lesetage" kündigen ihr Programm im Rathaus an - die
       > Konkurrenz von „Lesen ohne Atomstrom“ lädt ins Schauspielhaus. Ein
       > Vergleich.
       
   IMG Bild: Auf der Seite der Guten: Dieter Hildebrandt (r.) und Roger Willemsen wiesen bei den "Lesetagen ohne Atomstrom 2012" den rechten Weg.
       
       ## Ambiente
       
       Vattenfall-Lesetage: Die Wände sind aus hellem Holz, lange Tische bilden
       einen Bogen. Teppichboden. Vattenfall konferiert im Rathaus, Saal 151.
       
       Lesen ohne Atomstrom: Marmorsaal des Schauspielhauses, ist entsprechend
       getäfelt, verfügt über eine Bar und Bistrotische. Das Podium präsentiert
       sich vor einem roten Samtvorhang.
       
       ## Podium
       
       Vattenfall-Lesetage: Pieter Wasmuth, Nord-Chef von Vattenfall, seine
       Angestellten Barbara Heine und Judith Kahlbach, Kultursenatorin Barbara
       Kisseler, Schauspieler Thomas Linke und NDR-Nachrichtensprecher Martin
       Wilhelmi als Moderator.
       
       Lesen ohne Atomstrom: Andreas Blechschmidt (Kultur für alle), Oliver Neß
       (Erneuerbare Lesetage), Stefan Voelkel (Fruchtsäfte), Volker Krause
       (Bohlsener Mühle), Charlotte Hermelink (Goethe-Institut), Stefan Schurig
       (World Future Council), Frank Otto (Unternehmer), Kathrin Augustin
       (Obsthof), Petra Meier-Ehlers (Öffentliche Bücherhallen), Hilla Fitzen
       (Sony), Hartwig Westphalen (Sun Energy Europe), Florian Vogel (Deutsches
       Schauspielhaus), Christian F. Hebbel (Dramatiker).
       
       ## Promiquote
       
       Vattenfall-Lesetage: 17 Prozent. Der Showact der Presserunde heißt Thomas
       Linke. Mit sonorer Stimme liest er aus drei Büchern. Manchmal reckt er die
       Faust in die Luft, die Fernsehteams umkreisen ihn. Neben ihm im Bild zieht
       Vattenfall-Chef Wasmuth seine Sakkoärmel glatt.
       
       Lesen ohne Atomstrom: Frank Otto, Medienunternehmer und zweitältester Sohn
       des Versandhausgründers; Christian F. Hebbel (1813-1863, leider nur als
       Marmorbüste) - ergibt acht Prozent.
       
       ## Verköstigung
       
       Vattenfall-Lesetage: Entwicklungshilfe-Wasser von Viva con Agua, Lemonaid,
       Apfelsaft Marke "Nachbarsgarten".
       
       Lesen ohne Atomstrom: Kaffee und Bio-Kekse, diverse Sorten "Bio-Zisch".
       
       ## Medienauftrieb
       
       Vattenfall-Lesetage: Zwei Kamerateams, drei Fotografen, Reporter von Radio
       und Zeitung besetzen mehrere Stuhlreihen.
       
       Lesen ohne Atomstrom: Acht SchreiberInnen, ein Fotograf.
       
       ## Fremdschämfaktor
       
       Vattenfall-Lesetage: Mittel bis hoch. Die Wangen des Moderators Wilhelmi
       schimmern rosa. Wenn Schauspieler Linke vorliest, wie jemand
       "superheldendringend" aufs Klo muss, lacht er laut. Zu Italien fällt ihm
       ein: "Nicht Bunga Bunga Vita - Dolce Vita!" Die Lippen der Senatorin
       kräuseln sich.
       
       Lesen ohne Atomstrom: Null.
       
       ## Programm
       
       Vattenfall-Lesetage: 120 Mitwirkende aus 14 Ländern, darunter
       Bestseller-Autoren wie David Guterson und Arno Gruen.
       
       Lesen ohne Atomstrom: Viele Lesungen kombiniert mit Musik und
       Video-Übertragung nach draußen, etwa Ton Steine Scherben aus dem Innern der
       Roten Flora auf deren Fassade; Fünf-Freunde Live-Hörspiel.
       
       ## Deserteure
       
       Vattenfall-Lesetage: Auf die Erneuerbaren Lesetage in städtischen
       Bücherhallen angesprochen, sagt Senatorin Kisseler: "Wir machen unseren
       Institutionen keine Vorgaben. Außer sie verstoßen gegen die
       Menschenrechte."
       
       Lesen ohne Atomstrom: Die Öffentlichen Bücherhallen, in denen es nur
       erneuerbare Lesungen gibt; die städtische Hamburg Energie, die die
       Erneuerbaren Lesetage unterstützt; dito das Deutsche Schauspielhaus.
       
       ## Greenwashing
       
       Vattenfall-Lesetage: Kisseler findet diesen Vorwurf "ein bisschen
       einseitig". Die Lesetage seien "kein Freibrief" für Vattenfall.
       
       Lesen ohne Atomstrom: "Die Kultur darf gerne von Unternehmen unterstützt,
       aber niemals instrumentalisiert werden." (Otto) "Wir finden es zynisch,
       dass Vattenfall seine Pressekonferenz ausgerechnet auf den
       Fukushima-Jahrestag gelegt hat." (Blechschmidt)
       
       ## Kulturpolitik
       
       Vattenfall-Lesetage: 4.000 Euro Steuergeld für einen Energiekonzern?
       "Literaturangebote kann es nicht genug geben", sagt Kisseler.
       
       Lesen ohne Atomstrom: "Mir widerstrebt es, einen Schauspieler vor eine
       Sponsorenwand zu stellen." (Hermelink)
       
       ## Atompolitik
       
       Vattenfall-Lesetage: Kein Thema.
       
       Lesen ohne Atomstrom: "Der Erfolg der Ökobewegung steht und fällt mit der
       Energiewende." (Krause)
       
       11 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kristiana Ludwig
   DIR Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
   DIR Signa
   DIR Hamburg
       
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       Reichert und Anke Richter erklären, warum sie das nicht so schlimm finden -
       oder wenigstens nur ein bisschen.