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       # taz.de -- FDP-Bundesparteitag: Rösler siegt, Niebel fliegt
       
       > Postenverteilung beim FDP-Parteitag: Rösler wird mit achtbarem Ergebnis
       > als Chef bestätigt. Sein größter Widersacher Dirk Niebel unterliegt gegen
       > Wolfgang Kubicki.
       
   IMG Bild: Unbarmherzige Liberale: Niebel darf nicht beisitzen.
       
       BERLIN taz | „Der eine wird gewählt, der andere nicht. Hinterher kann jeder
       darüber nachdenken, warum es für ihn so oder anders gekommen ist.“ So
       schlicht, aber eben auch so brutal umschreibt ein Delegierter die Lage.
       Beim Bundesparteitag der FDP in Berlin wurden am Wochenende Posten neu
       verteilt. Und entsprechend der Wahrnehmung der FDP als heillos
       zerstrittener Partei wurde um die Plätze im Präsidium und im Vorstand
       knallhart gerungen.
       
       Die einzigen, die nichts zu befürchten haben, sind der Parteivorsitzende
       und der Spitzenkandidat Rainer Brüderle. Beide haben keine Gegenkandidaten.
       Zustimmung oder mangelnde Begeisterung für die Personalien lassen sich
       allenfalls an ihren Abstimmungsergebnissen ablesen. Beim Rostocker
       Parteitag 2011 hatte Shootingstar Philipp Rösler noch 95 Prozent der
       Delegiertenstimmen geholt. Diesmal votieren 85,7 Prozent für ihn. Ein
       achtbares Ergebnis angesichts des Niedergangs der Partei unter seiner
       Führung.
       
       Um die drei Posten als Vizeparteichef bewerben sich vier Kandidaten:
       Christian Lindner, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Birgit Homburger und
       Holger Zastrow. Der 34 Jahre alte Lindner war bis Dezember 2011 Röslers
       Generalsekretär. 2012 hievte er im NRW-Landtagswahlkampf die FDP aus dem
       Umfragenloch und fuhr gute 8,6 Prozent ein.
       
       Ohne ihn geht künftig in der Parteispitze nichts mehr. In seiner
       Bewerbungsrede kofferte er ordentlich gegen die „autoritären Grünen“. Nach
       einer Zeit der Demut könne die FDP nun die Richtungsfragen neu diskutieren.
       Mit 77,8 Prozent der Delegiertenstimmen wurde er zum ersten
       stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt.
       
       Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sicherte
       sich einen Platz an der Parteispitze. Die 61-Jährige macht in Berlin gute
       Arbeit, zudem ist sie einziges weibliches Kabinettsmitglied der Liberalen.
       In ihrer Bewerbungsrede stellt sie die FDP als einzige Partei dar, die sich
       glaubhaft für Bürgerrechte einsetzt. Egal ob Vorratsdatenspeicherung oder
       Pressefreiheit, „erst diese wichtigen Themen machen unser gesamtliberales
       Profil aus“, sagte sie. Die Delegierten wählen sie mit guten 83,7 Prozent
       zur Vizechefin der Liberalen. Vor zwei Jahren kam sie noch auf 85,5
       Prozent.
       
       ## Dickschädel gewinnt
       
       Der dritte Vizeposten ist dagegen umkämpft. Ins Stechen geht es zwischen
       dem Sachsen Holger Zastrow und der in der Partei nicht eben beliebten
       Baden-Württembergerin Birgit Homburger. Beide sind Landeschefs, beide
       wollen an die Spitze. Der Ostdeutsche Zastrow setzt auf alles oder nichts:
       Unmittelbar vor dem Parteitag erklärte er, für einen Beisitzerposten nicht
       zur Verfügung zu stehen. „Ich bin Holger Zastrow, der Dickschädel“,
       eröffnet er seine Bewerbungsrede und stellt seine kommunalpolitische
       Verankerung in den Mittelpunkt. Ruhig und durchdacht dekliniert er die für
       ihn wichtigsten Themen der Liberalen durch. „Wir müssen von den anderen
       Parteien unterscheidbar bleiben“, sagt er. Die Liberalen seinen
       Überzeugungstäter, die nicht jedem Zeitgeist hinterher rennen.
       
       Birgit Homburger, bislang erste Stellvertreterin von Philipp Rösler, muss
       dieses Jahr um den dritten Platz kämpfen, Platz 1 musste sie zugunsten von
       Kronprinz Lindner räumen. Das Gerangel behagt der 47-Jährigen nicht. Hinzu
       kommt, dass sie innerhalb ihres Landesverbandes als geschwächt gilt.
       
       Bei der Listenaufstellung zur Bundestagswahl im November stellte sie ihren
       Spitzenplatz Dirk Niebel zur Verfügung, um Walter Döring zu verhindern.
       Ihren Großmut dankten ihr die Parteifreunde mit einem mageren Ergebnis von
       64 Prozent. „Mehrheit ist Mehrheit“, kommentierte die Homburger das
       Ergebnis dieser Schlammschlacht.
       
       In ihrer Bewerbungsrede gibt sie am Samstag die Energiepolitikerin, wettert
       gegen die „Übersubventionierung“ der erneuerbaren Energien und fordert,
       „die Grünen dort zu stellen, diese Handlanger der Solarindustrie“. Im
       Schnelldurchlauf erklärt Homburger den Delegierten noch, weshalb sie sie
       zur Parteivize wählen sollen: „Meine Stärke ist Leidenschaft für Inhalte,
       Fleiß, Kompetenz und Nervenstärke. Vor allem aber Teamgeist“.
       
       Die Delegierten sehen das anders und verweigern Homburger die Wahl. Im
       ersten Wahlgang bekommt sie nur 45,57 Prozent, ihr Konkurrent Zastrow
       scheitert ebenfalls – denkbar knapp mit nur einer Stimme – an der absoluten
       Mehrheit. Im zweiten Wahlgang ist die nicht mehr erforderlich, Zastrow
       gewinnt mit 49,69. Damit scheidet Homburger als Parteivize aus.
       
       ## Auch Bahr kommt nicht durch
       
       Auch ein Beisitzer-Posten ist am späten Samstagabend umkämpft. Um einen
       Platz bewerben sich Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel,
       Gesundheitsminister Daniel Bahr und der Schlewig-Holsteiner Wolfgang
       Kubicki.
       
       Daniel Bahr fordert in seiner Bewerbungsrede das Ende der
       Selbstbeschäftigung und rühmt seine eigenen Erfolge als Minister.
       Abschaffung der Praxisgebühr, Senkung der Arzneimittelkosten,
       Ärzteversorgung auf dem Land. Alles FDP- ergo Bahr-Erfolge. Kubicki betont
       die Bedeutung von Meinungsvielfalt bei den Liberalen. „Unsere Partei leidet
       nicht unter zu wenig Leuten, die ihre Meinung offen äußern“, sagt er.
       
       Der Saal tobt, als er darauf hinweist, dass auch die Journalistin Laura
       Himmelreich anwesend ist und man deshalb auf seine Worte achten müsste.
       Weniger pointiert präsentiert sich Niebel. „Ich bin wie ich bin, manchmal
       laut, mal vorlaut, aber niemals kleinlaut“, sagt er. Rücktritte habe er nie
       gefordert, nur eine bessere Teamaufstellung, erklärt er fast reumütig.
       
       Niebel hatte sich Anfang des Jahres als Speerspitze der Anti-Rösler-Front
       geriert, selbst beim Dreikönigstreffen stellte er die Führungsqualitäten
       des damals zweifellos schwer angeschlagenen Parteichefs zur Diskussion.
       Dann holte die FDP überraschend zehn Prozent in Niedersachsen und
       schlagartig verstummten Röslers Kritiker. Niebel stand als Kassandra da.
       Will man so einen im Präsidium sehen?
       
       Nein sagen die Delegierten. Nur 25 Prozent bekommt er im ersten Wahlgang.
       Gesundheitsminister Bahr erwischt es ebenfalls eiskalt. Er erreicht magere
       29 Prozent. Strahlender Sieger ist der Schleswig-Holsteiner Wolfgang
       Kubicki, der mit 44 Prozent zwar zunächst die absolute Mehrheit verfehlt,
       im zweiten Wahlgang aber mit 63 Prozent zum Beisitzer gewählt wird. Und
       Dirk Niebel? Der größte Widersacher Röslers ist nun endgültig raus aus dem
       FDP-Präsidium
       
       Am späten Abend gelang es Birgit Homburger, doch noch in die Parteiführung
       zurückzukehren. Sie ergatterte den letzten der drei Beisitzer-Posten. Ohne
       Gegenkandidatin wurde sie mit 63,8 Prozent gewählt. Generalsekretär Patrick
       Döring wurde mit auch nicht gerade überragenden 65,6 Prozent in seinem Amt
       bestätigt.
       
       9 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR A. Maier
   DIR P. Wrusch
       
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