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       # taz.de -- Hamburgs Ex-Bürgermeister von Beust: Merkel wie eine Hausärztin
       
       > Der langjährige CDU-Spitzenpolitiker Ole von Beust hat eine Erklärung für
       > die anhaltende Beliebtheit der Kanzlerin. Es hat nicht unbedingt mit
       > Politik zu tun.
       
   IMG Bild: Bild aus gemeinsamen Tagen: Ole von Beust und Angela Merkel im Jahr 2007 auf dem CDU-Parteitag.
       
       Der ehemalige CDU-Spitzenpolitiker Ole von Beust vergleicht Bundeskanzlerin
       Angela Merkel (CDU) mit einer Hausärztin. „Man hat ein Problem und die
       sagt: Da schreibe ich Ihnen was auf. Und man denkt: Prima, die schreibt was
       auf“, sagte er der sonntaz, dem Wochenendmagazin der taz. Die Bürger hätten
       ihr gegenüber „ein Grundvertrauen wie bei einer Hausärztin: Die macht das
       schon irgendwie. “
       
       Dass Merkel immer gleich aussehe und alle Probleme mit Gelassenheit und
       Gleichmut anzugehen scheine, wirke sehr beruhigend auf die Leute.
       
       Von Beust, 57, regierte von 2001 bis zu seinem freiwilligen Rücktritt 2010
       den Stadtstaat Hamburg, am Ende in der ersten schwarz-grünen Koalition auf
       Landesebene. Die Koalition scheiterte schließlich an einer
       bildungspolitischen Reform; dem Versuch, die Grundschule von vier auf sechs
       Jahre zu verlängern. Hamburgs Bürger verhinderten das durch Volksentscheid.
       
       Ein gutes Zeichen, weil Menschen sich in politische Prozesse einbringen
       oder ein Indiz dafür, dass Veränderung heute meist als Bedrohung begriffen
       wird? Für ihn, sagt von Beust, bleibe die Erkenntnis, dass solche
       Veränderungen mehr Zeit bräuchten. Er veranschlagt inzwischen zehn Jahre
       für so einen Erklärungsprozess. Aber eine Zeitspanne von zwei
       Legislaturperioden kennt die Politik nicht.
       
       Tja, sagt er: „So ist Demokratie.“
       
       Der Sozialpsychologe Harald Welzer hat gerade in seinem neuen Buch „Selbst
       denken“ eine ganz ähnliche These vorgestellt: Dass die Politik in den Modus
       eines „verhängnisvollen Illusionismus“ übergegangen sei. Das heißt:
       Europakrise, Klimakrise, Finanzkrise: Die Politik tut nur noch so, als
       könne und wolle sie gestalten. Keine Partei habe ein Programm, das den
       Umbau der Industriegesellschaft enthalte.
       
       ## „Mangelnder Wille zur Veränderung“
       
       Der CDU wie auch der SPD attestiert nun auch von Beust „mangelnden Willen
       zu Veränderung“. Die Zukunftsprojekte Europa, Integration und Energiewende
       würden nicht wirklich angegangen. Das Zukunftsmodell seiner eigenen Partei
       sei, „dass es möglichst so bleibt, wie es ist.“ Die Grünen sind für ihn die
       positive Ausnahme in der Parteienlandschaft: „Die Grünen gehen zumindest
       bei bestimmten Themen auf die Veränderung der Zeit ein.“
       
       Generell sieht er aber auch kein Bedürfnis nach Veränderung in der
       Gesellschaft. Es gebe historische Wellen und im Moment sei das Bedürfnis
       nach Nicht-Veränderung „riesig“. Wahlen gewännen Politiker, die glaubhaft
       für eine ordentliche Verwaltung des Status Quo stünden. Olaf Scholz in
       Hamburg, Stefan Weil in Niedersachsen, Angela Merkel in Deutschland. „Erst
       wenn es uns wirklich dreckig geht, entsteht ein Veränderungswunsch“, sagt
       von Beust in der sonntaz, „aber dann muss die Verunsicherung über das
       Prekariat hinaus in den Mittelstand reingehen.“
       
       Nachdem er 2001 Regierungschef in Hamburg geworden war, spürte von Beust
       dort den allgemeinen Wunsch nach Veränderung. Die SPD hatte allerdings
       zuvor auch 44 Jahre die Macht gehabt. Dieser Wunsch ließ dann schnell nach
       - bei den Bürgern und in der eigenen Partei. Das war der Anfang einer
       Entwicklung, die in von Beusts freiwilligen Rücktritt 2010 mündete.
       
       Das Wort „gestalten“ sei zwar Politdeutsch, aber wozu solle man sonst
       Politik machen. „Verwalten kann auch der Amtsrat“, sagt er.
       
       Ist unsere Gesellschaft am Ende? Können wir nichts anderes mehr, als uns an
       den Status Quo zu klammern. Oder schaffen wir es, uns und unsere Art zu
       leben, zu wirtschaften und Politik zu machen, neu zu erfinden? Die Ganze
       Geschichte "Lieber keine Zukunft?" in der [1][sonntaz vom 9./10. März 2013]
       widmet sich dieser Frage – mit Harald Welzer, Ole von Beust und dem
       Inselarzt von Pellworm. Am Kiosk, [2][eKiosk] oder gleich im
       [3][Wochenendabo].
       
       9 Mar 2013
       
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