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       # taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Von Schäfchen und Storchenküken
       
       > Am letzten Donnerstag war für eine Viertelstunde alles gut. Denn wir
       > hatten plötzlich zwei Führer weniger. Doch dann kam Heidi Klum.
       
   IMG Bild: Hach, die zwei Hübschen.
       
       Für 15 Minuten war die Welt letzten Donnerstag eine bessere Welt. Exakt
       eine Viertelstunde lang waren wir alle ein bisschen freier als sonst. Es
       war die Zeit zwischen 20 Uhr, als der Papst zurücktrat, und 20.15 Uhr, als
       die neue Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ noch nicht begonnen hatte.
       Oh, es war eine glückliche Zeit.
       
       Sie war kurz, aber geil. Menschen zogen sich ihre unbequemen Schuhe aus,
       rissen sich die Kleider vom Leib, sie atmeten die frische, kalte
       Frühlingsluft wie am ersten Tag. Sie liebten einander, als gäbe es kein
       Morgen, und in den Augenblicken, in denen sie sich nicht gerade küssten,
       schoben sie sich große Pizzastücke mit sehr viel Käse in den Mund oder
       fütterten einander mit Nougattorte.
       
       Millionen Menschen zogen sich Stöcke aus ihren Ärschen. Schwule Pfarrer
       kletterten mit ihren Lovern auf Kirchtürme und sangen „I will survive“.
       Mädchen, die jahrelang von ihren Kirchenchorleitern sexuell genötigt worden
       waren, tanzten nackt über Blumenwiesen und jonglierten mit
       Champagnerflaschen, während die ehemaligen Chorleiter sich in Filzläuse in
       den Schamhaaren eines Gorillas verwandelten. Models sprangen lachend von
       Laufstegen, verschenkten ihr Koks an die Penner in der U-Bahn und
       schlürften dicke Vanille-Milchshakes.
       
       „Jetzt könnte man die Sache mit dem Katholizismus elegant, gleichsam
       zufällig ausklingen lassen“, schlug Sibylle Berg auf [1][Twitter] vor. Oh,
       wenn man nur könnte! Und „Germany’s Next Topmodel“ gleich mit. Bitte.
       
       ## Lächeln, winken, Mädchen quälen
       
       Denn Heidi Klum und den Papst (egal welchen) kann man ohnehin kaum
       unterscheiden. Beide tragen bekloppte Kleider, reisen, lächeln und winken
       viel, beide haben eine Horde gepeinigter Seelen als Fangemeinde: hier die
       Mädchen, da die Schäfchen. Auf Twitter haben sie fast gleich viele
       Follower. Der [2][Papstaccount] hat, auch wenn er gerade unbesetzt ist,
       etwa 1,6 Millionen Follower, [3][Heidi] knapp 1,4 Millionen. (Na gut, das
       stimmt nicht ganz. Der allgemeine Papstaccount hat 1,6 Millionen Follower,
       aber es gibt noch acht weitere Accounts, in acht Sprachen. Dafür hat Heidi
       Klum vier Kinder, drei von ihr kreierte Parfums und eine nach ihr benannte
       Rosensorte.)
       
       Beide vertreten Ideale, die unzähligen Menschen das Leben hart und hässlich
       machen. Der Papst verbreitet sein müffelndes Weltbild, Heidi Klum quält
       magere, unsichere Storchenküken, die quieken, wenn sie gelobt werden, und
       weinen, wenn man sie kritisiert. Das „Optisch bist du wunderhübsch“ von
       Heidi Klum ist das „Gesegnet seist du“ des Papstes.
       
       In der [4][Zeit] schrieb Elisabeth Raether, Frauen seien gar nicht so lieb,
       wie alle denken. Frauen, so die These, können genauso schlimm und scheiße
       sein wie Männer: Sie können Diktatorinnen, Mörderinnen, eiskalte
       Verbrecherinnen sein. Wer einmal Heidi Klum und ihre „Mädels“ gesehen hat,
       weiß das. Wenn die Mädels zu sehr leiden, sagt Heidi: „Hab ’n bisschen mehr
       Spaß!“
       
       Es ist nicht so, dass ich später meiner Tochter verbieten werde, bei
       „Germany’s Next Topmodel“ mitzumachen. Es ist nur so, dass sie mir
       versprechen müsste, vor laufender Kamera (live, unbedingt) Heidi Klum eine
       zu klatschen. Mutti wäre stolz.
       
       6 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://twitter.com/SibylleBerg/status/307382864679428096
   DIR [2] http://twitter.com/Pontifex
   DIR [3] http://twitter.com/heidiklum
   DIR [4] http://www.zeit.de/2013/10/Boese-Frauen-Gewalt-Verbrechen-Mitlaeuferinnen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Margarete Stokowski
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       ## TAGS
       
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