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       # taz.de -- Umstrittene Staatsleistungen: Milliarden-Segen für die Kirchen
       
       > Die Linkspartei möchte die hohen Zahlungen an die Kirchen ablösen – so
       > wie es das Grundgesetz verlangt. Andere Parteien haben es damit nicht
       > eilig.
       
   IMG Bild: Einer der umstritteneren Kirchenvertreter: Joachim Kardinal Meisner
       
       KÖLN taz | Raju Sharma gibt sich optimistisch. „Dieser Verfassungsauftrag
       ist eindeutig, unmissverständlich und verbindlich“, sagt der
       religionspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Deswegen sei
       er sicher, dass es bald zu einer Neuregelung kommen werde.
       
       Es geht um die sogenannten Staatsleistungen an die evangelische und die
       katholische Kirche. Die dürfte es eigentlich seit 94 Jahren nicht mehr
       geben. Jetzt verhandelt der Bundestag über einen Gesetzentwurf der
       Linkspartei, die Zuwendungen gegen eine Einmalzahlung einzustellen.
       Hintergrund sind staatliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus angeblich
       historischen Rechtstiteln herleiten, beispielsweise aus dem
       Reichsdeputationshauptschluss von 1803.
       
       Es handelt sich um ein unübersichtliches Gemisch von Ansprüchen. Sie
       resultieren aus der Säkularisierung kirchlicher Güter, aber auch aus
       schnöden Deals der damaligen Fürsten und Könige mit den jeweiligen
       Kirchenoberhäuptern: Legitimation der staatlichen Obrigkeit seitens der
       Kirche gegen staatliche Alimentierung der kirchlichen Würdenträger.
       
       Mit dem Ende des Kaiserreichs sollte eigentlich damit Schluss sein. „Die
       auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden
       Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die
       Landesgesetzgebung abgelöst“, heißt es in der Weimarer Verfassung. „Die
       Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“
       
       ## 15 Milliarden seit 1949
       
       Aus dem Reich wurde die Bundesrepublik, aus der Weimarer Verfassung das
       Grundgesetz. Doch der Verfassungsauftrag blieb uneingelöst. So flossen seit
       Gründung der Bundesrepublik allein für Personalzuschüsse bisher rund 14,83
       Milliarden Euro vom Staat an die Kirchen.
       
       Die Linkspartei würde das gern ändern. In ihrem Gesetzentwurf schlägt sie
       zur Ablösung der vermeintlichen Ansprüche „eine einmalige
       Entschädigungszahlung in Höhe des Zehnfachen des zum Zeitpunkt des
       Inkrafttretens dieses Gesetzes gezahlten Jahresbeitrags“. Das wären
       gegenwärtig rund 4,75 Milliarden Euro.
       
       Die Kirchen geben sich zwar gesprächsbereit, doch wie ernst sie es damit
       meinen, ist umstritten. Auf jeden Fall halten sie diese Summe für viel zu
       niedrig. Die Vorstellungen reichen bis hin zum 40-Fachen der jährlichen
       Staatszahlungen.
       
       Dass es eine Entscheidung des Bundestags gegen den Willen der Kirchen geben
       könnte, gilt als ausgeschlossen. „Die finanziellen und
       volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Ablösung sind nicht zu
       unterschätzen“, beantwortete die schwarz-gelbe Regierung unlängst eine
       Anfrage des Linken Sharma. „Insoweit wird für den Bundesgesetzgeber kein
       Handlungsbedarf gesehen.“
       
       ## "Es tut sich nichts"
       
       Der Berliner Politikwissenschaftler Carsten Frerk, Verfasser des
       „Violettbuch Kirchenfinanzen“, glaubt denn auch nicht an eine Einstellung
       der staatlichen Daueralimentierung: „Es wird sich nichts tun.“
       
       Dass sich daran unter einer möglichen rot-grünen Bundesregierung nach der
       Wahl im September etwas ändern wird, ist unwahrscheinlich. In der
       Bundestagsdebatte Ende Februar lobte zwar der SPD-Parlamentarier Rolf
       Schwanitz, es handle sich um „einen sehr guten und längst überfälligen
       Gesetzentwurf“, doch mit dieser Meinung befindet er sich in krasser
       Minderheitenposition.
       
       Die SPD-Fraktion setzt vielmehr weiter auf Zeitspiel. „Wenn man diesen
       Zustand beklagt, dass wir als Gesetzgeber einen Verfassungsauftrag nicht
       erfüllen, dann wird man realistischerweise aber auch anerkennen müssen:
       Wenn das 90 Jahre lang, 93 Jahre lang nicht erfüllt wurde, wird das nicht
       von heute auf morgen zu regeln sein“, sagte der SPD-Abgeordnete Dieter
       Wiefelspütz. Er plädierte für einen „fairen Diskussions- und
       Gesprächsprozess mit den Kirchen“.
       
       Ein Ergebnis könnte auch sein, „dass wir das alles völlig in Ordnung
       finden, wie es ist“. Dann wäre es allerdings besser, so Wiefelspütz, das
       Grundgesetz zu ändern. Jetzt liegt der Linken-Antrag erst mal im
       Innenausschuss zur weiteren Beratung.
       
       7 Mar 2013
       
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   DIR Pascal Beucker
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