URI: 
       # taz.de -- Angeblich HIV-Infiziertes Baby geheilt: Zwei Einzelfälle
       
       > Als Sensation wurde weltweit die Heilung eines HIV-infizierten Babys
       > gefeiert. Ob das tatsächlich stimmt, kann noch gar nicht gesagt werden.
       
   IMG Bild: Einen Impfstoff gegen den Aids-Virus gibt es noch nicht
       
       BERLIN taz | Die Nachricht ging wie ein Strohfeuer rund um den Erdball.
       „Forscher haben erstmals ein HIV-positives Baby geheilt“, lautete die
       Schlagzeile in zahlreichen Medien. Zum Teil wurde die Nachricht mit
       Euphorie aufgenommen. Gab es doch endlich mal wieder ein hoffnungsvolles
       Zeichen, dass das Immunschwäche-Virus (HIV) besiegbar ist. Doch nur
       vereinzelt waren die Experten zu hören, die vor allzu viel Hoffnungen
       warnten.
       
       Dabei gab es in den beiden letzten Jahrzehnten wiederholt die Meldung, „wir
       sind auf dem Weg, ein Mittel gegen HIV-Infektionen zu entwickeln“. Bisher
       haben sich diese Vorhersagen leider immer wieder als nicht haltbar
       erwiesen. Auch die verschiedenen in der Vergangenheit angekündigten
       Impfstoffe gegen HIV haben sich später als nicht einsatzfähig erwiesen.
       
       Zwar kann das Virus inzwischen im Körper eines Infizierten mit einem
       Medikamenten-Cocktail auch über viele Jahre in Schach gehalten werden, so
       dass es nicht zum Ausbruch der Krankheit Aids kommt. Doch eine Heilung ist
       das nicht. Denn das Virus schlummert noch immer im Inneren des Infizierten
       und kann jederzeit seine todbringende Wirkung entfalten. Auch können die
       Nebenwirkungen des Medikamentenmixes, der lebenslang eingenommen werden
       muss, den Alltag sehr stark beeinträchtigen.
       
       Man hätte also gewarnt sein müssen: Es ist zwar wünschenswert, doch das
       HI-Virus lässt sich so einfach leider nicht knacken. Und warum es
       ausgerechnet bei dem jetzt an der Johns Hopkins University in Baltimore,
       Maryland, angeblich von HIV „geheiltem“ Baby anders sein soll, bleibt
       offen.
       
       ## „Funktionale Heilung“
       
       Ganz im Gegenteil, einige Besonderheiten an der Baltimore-Heilung lassen
       vermuten, dass es immer noch ein sehr weiter Weg ist, bis ein Mittel gegen
       HIV überhaupt in Sicht ist. So spricht selbst die Virologin Deborah Persaud
       von der Hopkins-Universität nicht einfach von einer Heilung, sondern
       bezeichnet ihr Ergebnis einschränkend als „funktionale Heilung“. Was nichts
       anderes bedeutet, als dass im Moment HI-Viren in dem inzwischen 26 Monate
       alten Baby nicht nachweisbar sind. DNA-Fragmente, die HI-Viren zugeordnet
       werden, sind den Angaben von Persaud zufolge hingegen im Blut noch
       nachweisbar. Wie dieser Befund zu werten ist, bleibt offen.
       
       Hinzu kommt, dass die Mediziner im Dunkeln tappen. Sie haben zwar das Kind
       der HIV-infizierten Mutter erst 30 Stunden nach der Geburt mit drei
       Standardmedikamenten gegen HIV behandelt, und das auch noch in viel höherer
       Konzentration als üblich. Normalerweise bekommen Neugeborene, bei denen ein
       Infektionsrisiko durch die Mutter besteht, unmittelbar und für vier Wochen
       ein Medikament verabreicht. Damit soll verhindert werden, dass das Kind
       überhaupt infiziert wird.
       
       Bei dem Baltimore-Baby war die HIV-Infektion der Mutter jedoch nicht vorab
       bekannt. Erste HIV-Tests bei dem Kind schlugen dann auch positiv an. Die
       Ärzte haben den Medikamentencocktail dann weiter verabreicht, in der
       Hoffnung, so die Vermehrung der HI-Viren zu unterdrücken. Nach 18 Monaten
       brach die Mutter die Behandlung ab. Erst ein halbes Jahr später erschien
       die Mutter mit dem Kind wieder zu einer Untersuchung. Das Ergebnis war der
       jetzt als Sensation bezeichnete Befund.
       
       ## Durchaus etwas Besonderes
       
       Eine Erklärung dafür, warum die Viren verschwunden sind und warum noch die
       DNA-Schnipsel nachweisbar sind, haben die Ärzte nicht. Eine Garantie dafür,
       dass die HI-Viren nicht versteckt in einer Nische im Körper überlebt haben,
       können sie auch nicht abgeben.
       
       Trotz dieser Ungewissheiten bleibt das Baltimore-Baby durchaus etwas
       Besonderes. Bisher ist es nur einmal gelungen, einen HIV-Infizierten von
       den todbringenden Viren zu befreien. Bei dem HIV-infizierten und an
       Leukämie erkrankten US-Bürger Timothy Brown wurde 2007 eine
       Knochenmarkttransplantation durchgeführt. Der Spender war durch eine
       genetische Besonderheit gegen HIV immun. Diese Eigenschaft wurde
       offensichtlich mit übertragen. Timothy Brown gilt seitdem als virusfrei.
       
       Beides sind bisher Einzelfälle, ob sie wiederholbar sind, ist fraglich. Die
       Geschichte des Baltimore-Babys ist zudem bisher nur auf einem Kongress
       vorgestellt worden, eine Fachpublikation darüber gibt es noch nicht.
       Sicherlich ist es wichtig, sie intensiv wissenschaftlich weiter zu
       verfolgen. Aber eine Heilung für HIV-Infizierte ist damit noch lange nicht
       in Sicht.
       
       5 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolfgang Löhr
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt HIV und Aids
   DIR Impfstoff
   DIR Infektion
   DIR Menschenrechte
   DIR Gesundheitspolitik
   DIR Schwerpunkt HIV und Aids
   DIR Fußball
   DIR Behandlung
   DIR Schweiß
   DIR Schwerpunkt HIV und Aids
   DIR Schwerpunkt HIV und Aids
   DIR Ausgrenzung
   DIR Polizei
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Urteil zu Menschenrechten in Namibia: Zwangssterilisation wegen HIV
       
       Drei HIV-positive Frauen wurden zur Sterilisation gezwungen. Das Urteil des
       Obersten Gerichts sei eine klare Botschaft an den Staat, solche Praktiken
       zu beenden.
       
   DIR Kampf gegen globale Großkrankheiten: Zielmarke verfehlt
       
       Drei Milliarden Dollar fehlen im Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria.
       Die Bundesregierung weigert sich, ihren Beitrag zu erhöhen.
       
   DIR Welt-Aids-Tag: Kampf gegen HIV kostet Geld
       
       Immer mehr Jugendliche in ärmeren Ländern sterben an Aids.
       Hilfsorganisationen fordern von Deutschland mehr Geld, um diese Entwicklung
       zu stoppen.
       
   DIR Kolumne Über Ball und die Welt: Kündigung wegen HIV-Infektion
       
       Der Ex-Profifußballer „Lucky“ Isibor ist an Aids gestorben. Jahre vor dem
       Krankheitsausbruch wurde der damals infizierte vom FC Zürich gefeuert. Das
       war illegal.
       
   DIR Im Kampf gegen HIV und AIDS: Neue Richtlinien für HIV-Behandlung
       
       Die Weltgesundheitsorganisation verschafft zehn Millionen HIV-Infizierten
       eine frühere Behandlung ihrer Krankheit. Ziel ist es, das
       Übertragungsrisiko zu senken.
       
   DIR Schweizer „Wunderdoktor“ in Haft: „Heiler“ infiziert Menschen mit HIV
       
       Ein Schweizer Musiklehrer hat als selbsternannter Heiler mindestens 16
       Menschen mit HIV infiziert. Nun muss er ins Gefängnis. Schuldig fühlt er
       sich nicht.
       
   DIR Durchbruch in der Aids-Forschung: HIV-infiziertes Baby angeblich geheilt
       
       US-Medizinern ist es gelungen, ein bei der Geburt mit dem Aids-Erreger
       infiziertes Kind praktisch zu heilen. Grund dafür soll die besonders
       massive Behandlung sein.
       
   DIR Digitale Aids-Kampagne dotHIV: Google.hiv statt Google.com
       
       Die Kampagne dotHIV will die neue Webadressen-Endung .hiv einführen und so
       Geld für Aids-Projekte sammeln. Sie soll zu einer digitalen roten Schleife
       werden.
       
   DIR HIV-Positiver über Welt-Aids-Tag: „Outings sind nicht zu empfehlen“
       
       Sven Hanselmann ist offen HIV-positiv und arbeitet als Krankenpfleger. Für
       ihn sei alles gut gegangen, sagt er, doch HIV-Positive würden viel zu
       häufig nicht akzeptiert.
       
   DIR HIV-Zwangstests in Sachsen-Anhalt: „Völlig unnötige Stigmatisierung“
       
       In Sachsen-Anhalt will die Landesregierung HIV-Zwangstests unter Umständen
       erlauben. Die Aidshilfe befürchtet Diskriminierung.