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       # taz.de -- „Frankfurter Rundschau“: Hohn und Spott
       
       > Die Entscheidung ist gefallen: Die „FAZ“ übernimmt die „Frankfurter
       > Rundschau“. Die betroffenen Mitarbeiter haben aber ganz andere Sorgen.
       
   IMG Bild: Von wegen linksliberal.
       
       FRANKFURT MAIN taz | Es war eine bezeichnende Szene am vergangenen Dienstag
       im Frankfurter Vorort Neu-Isenburg: Rund 200 Beschäftige der Frankfurter
       Rundschau (FR) demonstrierten vor der hauseigenen Druckerei gegen die
       bisherigen FR-Gesellschafter, die SPD-Medienholding DDVG sowie die
       Verlagsgruppe DuMont Schauberg.
       
       Als dann der Betriebsratsvorsitzende Marcel Bathis die Bühne betrat,
       zitiert er den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, der jüngst in der FR
       in einem Interview soziale Gerechtigkeit als „klassische Kompetenz“ seiner
       Partei hervorhob. Daraufhin brach großes Gelächter aus. Das glaubt aber
       niemand, so entwickelte sich das Lachen zu Hohn und Spott.
       
       Zu diesem Zeitpunkt wussten die Mitarbeiter noch nichts von der Übernahme
       der FR durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Es dürfte ihnen auch
       egal gewesen sein, denn es ändert nichts an ihrem Schicksal: Mehr als 90
       Prozent der über 400 FR-Mitarbeiter müssen den Betrieb verlassen, die FAZ
       übernimmt nur 28 Redakteure.
       
       Das kreiden viele – inzwischen gekündigte – Mitarbeiter der Frankfurter
       Rundschau aber nicht in erster Linie der neuen Eigentümerin an, sondern den
       alten. Besonders der DDVG werfen sie „soziale Kälte“ und ein „falsches
       Spiel“ vor. Die Gemüter sind erregt in den letzten Wochen, mehrere
       FR-Mitarbeiter fühlen sich im Stich gelassen. „Nachdem wir jahrelang auf
       Löhne verzichtet haben, um die FR zu retten, werden wir nun einfach so
       abgespeist“, beschwert sich der Betriebsratsvorsitzende Marcel Bathis.
       
       Von den ursprünglichen Forderungen an die bisherigen Gesellschafter nach
       einer Abfindung, der Vorfinanzierung des Insolvenzsozialplans und einer
       zwölfmonatigen Transfergesellschaft ist wenig übrig geblieben: In der
       vorletzten Woche bekamen die Mitarbeiter lediglich das Angebot, in eine
       Transfergesellschaft zu wechseln, die ihnen für sechs Monate 80 Prozent des
       bisherigen Lohns zahlen würde.
       
       Doch nicht alle Mitarbeiter können diese als „Schmalspurvariante“
       kritisierte Möglichkeit nutzen. Eine FR-Mitarbeiterin, die sich in
       Elternzeit befindet, habe weder eine Kündigung noch ein Angebot für die
       Transfergesellschaft bekommen, berichtet sie. „Ich fühle mich total
       übergangen und befürchte, mir wird einfach irgendwann vor dem Ablauf der
       Elternzeit gekündigt“, sagt sie. Die zweifache Mutter empfindet das als
       „höchst ungerecht“, sie hätte sich „wenigstens eine Benachrichtigung
       gewünscht, wie es weitergeht“.
       
       ## Kein Kommentar
       
       Zu ihrem und dem Fall einer Kollegin mit ähnlichem Schicksal wollen sich
       weder die Insolvenzverwaltung noch die bisherigen Eigentümer äußern. Der
       Geschäftsführer der SPD-Medienholding, Jens Berendsen, verweist lediglich
       darauf, dass „die DDVG kein Akteur in diesen Entscheidungen“ sei.
       
       In Gesprächen mit beiden Exgesellschaftern entsteht der Eindruck, diese
       hätten nichts mit der Insolvenz der FR zu tun: „Der Insolvenzantrag wurde
       allein von der Frankfurter Rundschau-Geschäftsführung gestellt und nicht
       von den Gesellschaftern“, so ein Sprecher von DuMont. Manfred Moos,
       Medienexperte bei der Gewerkschaft Ver.di im hessischen Landesbezirk, hält
       dagegen: „Die Möglichkeit, dies ohne eine Insolvenz zu regeln, wurde von
       den Gesellschaftern nicht mit dem nötigen Ernst betrieben.“
       
       Auf Nachfrage erklärt Berendsen, dass DDVG und DuMont der FR im April 2012
       mittels einer Patronatserklärung finanzielle Mittel zugesichert hätten, die
       bis Ende 2015 reichen sollten. Doch schnell war klar: das Geld reicht
       höchstens bis September 2013. Also fragte der FR-Geschäftsführer Karlheinz
       Kroke bei den Gesellschaftern nach weiteren finanziellen Zusagen. Die
       lehnten ab und im November meldete Kroke Insolvenz an. Angeblich ohne das
       Wissen der Gesellschafter. Kaum vorstellbar, zumal es aus Verlagskreisen
       heißt, Kroke hätte bereits Ende Oktober die Mitarbeiter bei der
       Krankenversicherung abgemeldet.
       
       „Die Insolvenz war für die Gesellschafter die billigste Variante – und für
       die Mitarbeiter war sie in jedem Fall die schlechteste“, so Moos. Auch
       Marcel Bathis kritisiert, dass das Insolvenzrecht „viele Arbeitnehmerrechte
       eindampft“. Zum Beispiel macht es Kündigungen von Mitarbeitern in
       Elternzeit möglich, auch der Sozialplan für die Beschäftigten unterliegt
       strikten Restriktionen. Außerdem musste der Betriebsrat um die
       Transfergesellschaft kämpfen, die ehemaligen Gesellschafter sind zwar zu
       deren Mitfinanzierung bereit, würden aber damit laut Verlagskreisen nur
       rund die Hälfte der durch die Patronatserklärung noch ausstehenden 10
       Millionen Euro zahlen.
       
       DDVG und DuMont verteidigen sich und verweisen auf „hohe Summen“, die sie
       in die FR investiert hätten. Alleine DuMont hat laut eigenen Angaben 136
       Millionen in die FR gesteckt, die DDVG machte keine genauen Angaben. „Wir
       haben die FR 2004 übernommen und damit gerettet“, so Berendsen. „Seither
       übernehmen wir soziale Verantwortung, nun geht es nicht mehr.“ Manfred Moos
       sieht das anders: „Wenn man einmal soziale Verantwortung übernimmt, muss
       man das auch bis zum Ende tun.“
       
       5 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Timo Reuter
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