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       # taz.de -- Werder Bremen in der Krise: Mir doch egal!
       
       > Schaaf bald Geschichte? Werder steckt in der Krise. Die Mannschaft sei
       > das Problem. Aber am Trainerstuhl wagt niemand zu rütteln.
       
   IMG Bild: Was er wohl denkt? Auf jeden Fall nicht an die Tabelle, die ist ihm „scheißegal“.
       
       Ganz vorne im fensterlosen Mediensaal unter der Ostkurve des Weserstadions
       steht der weiße Tisch, an dem Thomas Schaaf rechts außen seinen Stammplatz
       hat. Es gab eine Zeit, in der der Trainer des SV Werder nach dem
       offiziellen Teil der Pressekonferenz unbehelligt aus dem Raum trat, weil
       sich die Medienschar flugs um einen Mann versammelte, der aus der ersten
       Reihe zugehört hatte: Klaus Allofs.
       
       Doch seit Schaafs Vertrauter abgewandert ist, geht die Prozedur der
       medialen Aufarbeitung ein bisschen anders: Der Cheftrainer bleibt
       stattdessen sitzen und vertieft seine Sicht der Dinge. Nach dem 0:1 gegen
       den FC Augsburg – der fünften Pleite im siebten Rückrundenspiel – muss sich
       Schaaf dabei wie ein Angeklagter vorgekommen sein.
       
       Er ist schon viel zu lange in diesem Sportverein tätig – Mitglied seit 1972
       –, um nicht zu spüren, dass die Stimmung gerade zu kippen droht. Auch gegen
       ihn. Und als er nun nach einem abermals in jeder Hinsicht
       besorgniserregenden Auftritt gefragt worden ist, ob er auch an Rücktritt
       denke, antwortete der 51-Jährige vielsagend: „Ich habe 1.000 Gedanken im
       Kopf, die müssen nicht immer in diese Richtung gehen.“
       
       Die Situation ist unbefridiegend. Seine Reaktion auf die Schmährufe von der
       Stammkundschaft auf der Südtribüne: „Ich weiß, dass wir keinen Applaus
       erwarten können, wenn wir so ein Spiel verlieren.“ Und die Frage nach dem
       Abstiegskampf, den sein nun in Mönchengladbach gesperrter Abwehrchef
       Sokratis ja unmittelbar ausgerufen hatte? „Für mich ist das im Moment
       scheißegal. Meine Gedanken sind nicht bei der Tabelle.“ Sondern womöglich
       bei einem geordneten Rückzug am Saisonende? Ein freiwilliger Rückzug trotz
       des bis 2014 laufenden Vertrags gilt mittlerweile als mögliche Variante für
       diesen Bremer Sommer.
       
       Denn Kritik an der Arbeit eines Fußballlehrers, der die Viererkette schon
       bei Werders Amateurmannschaft auf Platz 11 installierte, als in den
       Bundesliga-Stadien noch der Libero zu besichtigen war; der gleich in seinem
       ersten Cheftrainerjahr 1999 den DFB-Pokal gegen den FC Bayern gewann, wagt
       im Verein kaum jemand. Hinzu kommt: Seit dem Allofs-Abgang entschloss sich
       die Geschäftsführung dazu, Schaafs Position noch zu stärken.
       
       Im Werder-Kosmos hat der dienstälteste Bundesliga-Trainer nicht nur die
       zentrale Position inne, sondern wird umgeben von Unterstützern und
       Vertrauten, Förderern oder Freunden – ganz gleich, ob die nun Willi Lemke
       (Aufsichtsrat), Klaus-Dieter Fischer (Vereinspräsident), Frank Baumann
       (Direktor Profifußball) oder Klaus Filbry (Vorsitzender der
       Geschäftsführung) heißen.
       
       Treibende Kraft einer Trainerentlassung müsste Thomas Eichin sein, der erst
       seit wenigen Wochen Geschäftsführer Sport ist. Aber dann könnte sich der
       Novize auch gleich daran machen, mit Hammer und Meißel den steinernen
       Roland vom Sockel am Marktplatz zu schlagen – das wäre vermutlich
       einfacher. Kaum überraschend, dass Eichin die Verantwortung fürs nächste
       kollektive Versagen flugs an die Mannschaft weiterreichte. „Wir haben
       einige Spieler mit sehr hohen Ansprüchen, die müssen es jetzt auch mal auf
       dem Platz zeigen und nicht nur in Interviews zwischen den Spieltagen.“ Der
       46-Jährige schützte reflexartig den Trainer. „Dass sich in der Mannschaft
       Dinge ändern müssen, das weiß Thomas Schaaf auch. Der Trainer steht in
       keiner Weise zur Diskussion.“
       
       So hat es die Werder-Familie immer gehalten, und sie sind so ja auch
       immerhin einmal Meister und zweimal Pokalsieger geworden und durften
       sechsmal in der Champions League spielen. Aber zuletzt sind die
       Platzierungen 13 und 9 herausgesprungen – mehr als biederes Mittelmaß ist
       derzeit nicht drin. Immerhin 13 aktuelle Nationalspieler vereint das
       Aufgebot – das müsste gemeinhin reichen, um Freiburg und Mainz, allemal
       aber Düsseldorf oder Nürnberg auf Distanz zu halten. Oder um Augsburg zu
       schlagen.
       
       Einige Spieler werden übrigens ihre eigenen Lehren aus der Talfahrt ziehen.
       Mit etlichen Abgängen ist am Saisonende bei Werder zu rechnen, wenn dieser
       einstige Vorzeigeverein wieder zu dem schrumpft, was er bei Schaafs
       Amtsantritt darstellte: eine kleine Nummer.
       
       3 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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