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       # taz.de -- Video der Woche: Con los Salafistas
       
       > Ein „Harlem Shake“ auf dem Pausenhof: Und schon droht Tunesiens
       > Bildungsminister mit Schulverweisen. Andernorts stören Islamisten
       > Videodrehs.
       
   IMG Bild: Studenten in Tunis beim „Harlem Shake“.
       
       Hipstern im Westen entlockt der [1][„Harlem Shake“] nur noch ein Gähnen. In
       Tunesien aber ist der Tanz zur Waffe im Kampf gegen die Versuche der
       Islamisten geworden, die Meinungs- und künstlerische Ausdrucksfreiheit
       einzuschränken.
       
       An Unis und Schulen des Maghreb-Landes entstanden in den vergangenen Tagen
       mehrere, auf Youtube gepostete „Harlem Shake“-Clips – immer im weltweit
       gängigen 30-Sekunden-Format. Zu sehen sind: Menschengruppen, die zum
       gleichnamigen Track des New Yorker Produzenten D.J. Baauer kollektiv in
       spastische Bewegungen verfallen.
       
       „Harlem Shake“-Videos wurden zum Beispiel am [2][Lycée Pilote in Monastir]
       und am [3][INSAT (National Institute of Applied Sciences and Technologies)]
       in Tunis gedreht.
       
       Wie andernorts auch sind unter den tunesischen „Shakern“ einige nur mit
       Boxer-Shorts bekleidet. Zu ihnen gesellen sich aber Tänzer mit falschen
       Bärten und Tuniken, wie sie bei den Salafisten en vogue sind. Und die
       radikalen Gläubigen steigen voll auf diese eher albern wirkende Provokation
       ein, da sie schon die Moves des „Harlem Shake“, hierzulande kurz und knapp
       „Trockenfick“ genannt, als westliches Teufelszeug erachten.
       
       Salafisten drangen laut der Nachrichtenagentur afp am Mittwoch auf den Hof
       des [4][Bourguiba Language Institute] in Tunis vor, als dort die
       Dreharbeiten zu einem „Harlem Shake“-Video in Gang waren. Es kam zu
       Scharmützeln zwischen den Radikalen und den filmenden Schülern und
       Schülerinnen. „In Palästina werden unsere Brüder von den Israelis ermordet,
       und was macht Ihr? Ihr tanzt!“, sollen die Salafisten gerufen haben,
       während die Schüler „Haut ab, haut ab“, skandierten. Letztlich mussten die
       Islamisten unverrichteter Dinge von dannen ziehen.
       
       An einer Schule in Sousse, südlich der Hauptstadt Tunis, hatte das
       Direktorium einen „Harlem Shake“-Dreh von vorneherein verboten. Die
       herbeigeholte Polizei wurde von wütenden Jugendlichen mit Steinwürfen
       empfangen. Zwei Beamte erlitten Verletzungen. Die Sicherheitskräfte
       antworteten mit dem Einsatz von Tränengas.
       
       ## Drohung mit Schulverweis und Kündigung
       
       Schließlich stellte sich der Bildungsminister auf die Seite der Islamisten
       und Moralwächter und machte den „Harlem Shake“ damit endgültig zum
       Politikum. Laut dem Newssportal [5][tunisialive] hatte sich Abdellatif Abid
       insbesondere auf die Imam Moslem Oberschule in Tunis eingeschossen. Von
       dort stammt der am vergangenen Samstag produzierte Clip, in dem ein
       „Gangnam Style“-Tänzer von einem übergewichtigen „Harlem Shaker“ des
       Platzes verwiesen wird, bevor die gesamte Schülerschaft zappelt und zuckt.
       Auch hier: Fast-Nackte und Tunika-Träger.
       
       Abid nannte im Radiosender Mosaique FM die Aktion an der Imam Moslem
       Oberschule einen inakzeptablen Affront. „Die Direktorin der Schule hat ohne
       die Erlaubnis der Verwaltung des Schuldistrikts oder des Ministeriums die
       Performance gebilligt“, kritisierte Abid. Er kündigte ein
       Ermittlungsverfahren an und drohte mit Schulverweisen und Kündigungen
       beteiligter Lehrer. Abid ist Mitglied der linksliberalen Ettakatol-Partei,
       die an der Regierung unter Führung der islamistischen Ennahda-Partei
       beteilligt ist.
       
       Hafedh Mesrati, ein Lehrer der Imam Moslem Oberschule, entgegnete ebenfalls
       auf Mosaique FM, ein Schüler habe die Direktorin gefragt, ob die „Harlem
       Shake“-Performance stattfinden könne. Diese sei jedoch zu einem Begräbnis
       gerufen worden, bevor sie eine Genehmigung hätte geben können. Die Schüler
       hätten daraufhin eigenmächtig gehandelt. Mesrati bat den Bildungsminister,
       die Gemüter zu beruhigen. „Solche Fälle sollten intern vom Disziplinarrat
       gelöst werden.“
       
       Manoubia Ben Ghadahem, eine tunesische Französisch-Professorin, äußerte
       gegenüber der französischen Tageszeitung [6][„Liberation“], dass die
       Drohungen Abids nur vor dem Hintergrund des politischen Schwebezustands im
       Land zu verstehen seien. Innenminister Ali Laârayedh von der Ennahda-Partei
       bemüht sich um die Bildung einer neuen Regierung, nachdem Premier Hamadi
       Jebali zurückgetreten war. „Abid will sich wohl für den Verbleib im
       Kabinett empfehlen. Er sollte lieber die wirklichen Probleme in den Unis
       angehen als sich mit solchen Nebensächlichkeiten abzugeben“, kritisierte
       Ben Ghadahem.
       
       ## „Seid Ihr verrückt?"
       
       Die am Video beteiligten Schüler und Schülerinnen bekamen nach dem
       Wochenende Ärger mit der Schulleitung. Der Clip wurde zunächst von der
       Youtube-Seite entfernt, dann aber wieder von anderen Usern draufgestellt.
       Einige der Beteiligten weigerten sich am Montag am Unterricht teilzunehmen.
       
       Nach der ministeriellen Bekanntgabe von Ermittlungen gab es am Mittwoch
       eine Protestkundgebung vor der Imam Moslem Oberschule. Und in der Nacht auf
       Donnerstag hinterließen laut [7][tunisialive] Hacker auf der Webseite des
       Bildungsministeriums einen Internet-Mem mit einem Trollgesicht, das fragte:
       „Seid ihr verrückt?“ Ihre Aktion widmeten die Hacker den Schülern der
       Oberschule.
       
       Selbst eine Ennahda-Parlamentarierin verwahrte sich gegen die Politisierung
       des „Harlem Shake“. Ihr Sohn habe bei der Aktion an der Imam Moslem
       Oberschule mitgemacht, so Souad Abderrahim gegenüber dem Radiosender Shems
       FM. „Als Mutter und Politikerin glaube ich ans Tanzen als Form des
       Ausdrucks und der Kreativität“, sagte sie. Sie bedauere lediglich einige
       provokante Gesten im Video. Es sollte der Schulverwaltung überlassen
       bleiben, wie sie damit umginge.
       
       Rasch wurde auf Facebook eine Unterstützungskampagne für die Schüler und
       Schülerinnen organisiert. In vielen Kommentaren wurde kritisiert, dass das
       Ministerium noch nie eine Untersuchung zu den aufdringlichen
       Missionierungsversuchen der Salafisten an Unis und Fachhochschulen
       angestrengt hätte.
       
       Mehr als 4.600 Menschen kündigten an, am Freitag zum „Harlem
       Shake“-Flashmob vor dem Bildungsministerium in Tunis auftauchen zu wollen.
       
       1 Mar 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.youtube.com/watch?v=8vJiSSAMNWw
   DIR [2] http://www.youtube.com/watch?v=HTlHqAjfObYund
   DIR [3] http://www.youtube.com/watch?v=9qq2NSnPyzE
   DIR [4] http://www.straitstimes.com/breaking-news/world/story/salafists-fail-stop-harlem-shake-tunisia-20130228
   DIR [5] http://www.tunisia-live.net/2013/02/25/harlem-shake-sweeps-tunis-education-minister-launches-investigation/
   DIR [6] http://www.liberation.fr/monde/2013/02/27/le-ton-monte-autour-du-harlem-shake-a-tunis_885080
   DIR [7] http://www.tunisia-live.net/2013/02/26/tunisians-defend-students-right-to-harlem-shake/?utm_source=feedburner&utm_medium=twitter&utm_campaign=Feed%3A+tunisia-live%2FyMtB+%28Tunisia+Live%29
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Oliver Pohlisch
       
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