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       # taz.de -- Leistungsschutzrecht im Bundestag: Lobbying wie aus dem Lehrbuch
       
       > Am Freitag wird über das umstrittene LSR abgestimmt. Selbst in seiner
       > verwässerten Version ist es ein beispielhafter Lobbyerfolg.
       
   IMG Bild: Ehre, wem Ehre gebührt: Hier wurde die Kampagne für ein Leistungsschutzrecht angestoßen.
       
       BERLIN taz | „Ich bin gegen das Leistungsschutzrecht, weil dieses Gesetz
       nicht nur unnötig ist, sondern zusätzlich erhebliche Rechtsunsicherheit
       schafft“, sagt Dorothee Bär, Bundestagsabgeordnete der CSU und fleißige
       Twitter-Nutzerin der taz. Sie wird bei der Abstimmung am Freitag über das
       Leistungsschutzrecht mit „Nein“ stimmen und sich somit gegen ihre Fraktion
       stellen.
       
       „Keiner weiß, welche Folgen das Gesetz für den Bereich der sozialen
       Netzwerke hat und die Regelung geht komplett am Nutzer vorbei“,
       argumentiert Bär weiter. Auch andere Abgeordnete der CDU/CSU und FDP haben
       inzwischen angekündigt dem Leistungsschutzgesetz eine Absage zu erteilen.
       Auf [1][c-netz.de] sammeln sich die Abtrünnigen der CDU/CSU, die sich gegen
       das Leistungsschutzrecht aussprechen.
       
       Wie konnte ein Gesetzesvorhaben, dass nun sogar Widerstand in den Reihen
       der Regierungskoalition weckt, überhaupt bis in den Bundestag kommen?
       
       Bereits 2009 wurde die erste Forderung nach einem Leistungsschutzrecht für
       Presseunternehmen laut. Der [2][Bundesverband deutscher Zeitungsverleger
       (BDZV)] sprach sich am 7. Mai in einer Delegiertenversammlung für ein
       umfassenderes Schutzrecht für Verlage aus. Der Begriff Leistungsschutzrecht
       existierte schon vorher in einem anderen Zusammenhang: Für einige andere
       Bereiche ist dieser Schutz im Urheberrecht geregelt. So dürfen zum Beispiel
       Musikprodukte nicht ohne Zustimmung des Herstellers vervielfältigt werden.
       Ggenauso fällt die Aufführung eines Werkes unter einen urheberrechtlichen
       Schutz.
       
       Die Forderung, Presseunternehmen müssten sich gegen die „unentgeltliche
       Ausnutzung ihrer Angebote im Internet zur Wehr setzen“, orientierte sich
       also an dem Vorbild des Leistungsschutzrechts der Musikindustrie. Von
       Anfang an zielte die Idee des Leistungsschutzrechtes dabei auf den
       Suchmaschinenbetreiber Google und sein Nachrichtenangebot Google News, dass
       auf der Präsentation von Snippets, kurzen Ausschnitten von Texten externer
       Medienangebote, und den Links auf diese Seiten basiert.
       
       ## Verdeckte Kampagnen
       
       Bereits wenige Wochen zuvor, im April 2009, hatte Dietrich von Klaeden,
       [3][Cheflobbyist des Axel Springer-Konzerns,] beim zuständigen
       Staatsminister Neumann in Sachen Leistungsschutzrecht vorgefühlt, wie eine
       Anfrage der Fraktion Die Linke im Dezember 2012 zu Tage brachte. Auch die
       Tatsache, dass der Bruder von Dietrich, Eckart von Klaeden, 2009
       Staatsminister bei der Bundeskanzlerin wurde, stand im Fokus der Anfrage.
       Offiziell hätten sich die beiden Brüder jedoch nicht über das
       Leistungsschutzrecht beraten, stellte die Bundesregierung in ihrer Antwort
       ([4][pdf]) fest.
       
       Unabhängig davon startete Springer auch verdeckte Kampagnen. So engagierte
       der Verlag den vermeintlich unabhängigen Medienrechtler, Anwalt und
       Honorarprofessor an der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Jan Hegemann.
       Neben dem unter dem Absender Axel Springer verfassten Memorandum für das
       Leistungsschutzrecht schrieb er einen [5][Essay in der Frankfurter
       Allgemeinen Zeitung], in welchem er sich als unabhängige Stimme für das
       Leistungsschutzrecht präsentierte und die Zusammenarbeit mit dem
       Springer-Verlag vehement bestritt.
       
       Am 26.Oktober 2009 wurde nach dreiwöchigen Koalitionsverhandlungen zwischen
       CDU/CSU und FDP der [6][gemeinsame Koalitionsvertrag] in Berlin
       unterschrieben. Vereinbart ist darin unter anderem die Schaffung eines
       Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von
       Presseerzeugnissen im Internet. „Die Verlage sollen im Online-Bereich nicht
       schlechter gestellt sein als andere Werkvermittler“, so die Zielstellung.
       
       ## Widerstand aus dem Netz
       
       Schnell formierte sich Widerstand gegen das geplante Leistungsschutzgesetz.
       Eine der größeren Kampagnen gegen das Leistungsschutzrecht war die
       [7][„Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht“ (IGEL)]. Die Plattform ging
       bereits im Dezember 2010 online, das Leistungsschutzrecht hält sie weder
       für „notwendig“ noch für „gerechtfertigt“.
       
       Unterstützer der Initiative sind neben allen Jugendverbänden der großen
       Parteien auch die Heinrich Böll Stiftung, verschiedene Organisationen und
       Blogs wie [8][Mädchenmannschaft], [9][netzpolitik], Chaos Computer Club und
       Google selbst. Besonders kritisch sehen Kritiker wie IGEL die Tatsache an,
       dass gerade die großen Verlagshäuser die Einführung des Leistungsschutz
       fordern. Kleine Verlage profitierten von dem Recht nicht.
       
       Ebenfalls kritisiert wird die Einschränkung der Kommunikationsfreiheit:
       „Ein Monopolrecht, das kleine Textausschnitte, kurze Wortfolgen wie
       einzelne Sätze oder Überschriften erfasst, wird unweigerlich den Umgang mit
       der Sprache an sich einschränken“. Auch das Argument der Ausbeutung oder
       Enteignung der Verlage weisen sie entschieden zurück. Ganz im Gegenteil: Es
       seien die Verlage, die davon profitieren, dass die Kunden mit der
       Suchmaschine zu ihnen finden.
       
       ## Urheberrecht regelt genug
       
       Auch das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht
       stellte sich entschieden gegen das Leistungsschutzrecht. Der Schutz der
       Presseverleger sei bereits im Urheberrecht ausreichend geregelt. Auch die
       Wissenschaftler des Instituts betonen, dass die Presseverleger auf die
       Linksetzungen der Suchmaschinenbetreiber angewiesen seien, um die
       Reichweite ihrer Erzeugnisse zu erhöhen.
       
       Im August 2012 schließlich übernimmt das Bundesministerium der Justiz die
       Initiative zum Leistungsschutzrecht. Die überarbeitete Fassung ([10][pdf])
       wird dem Präsidenten des Bundestages am 14.November zugesendet.
       
       Geschützt werden sollen Verlage und Journalisten. Die Initiative beschreibt
       dies wie folgt: „Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von
       Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche
       Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt,
       die Inhalte entsprechend aufbereiten.“
       
       Im Klartext heißt dies, für Suchmaschinen gibt es eine Ausnahme von der
       Ausnahme. Sie dürfen Presseerzeugnisse nicht öffentlich zugänglich machen –
       jedenfalls nicht ohne für ein entsprechendes Nutzungsrecht zu zahlen. In
       einer Petition im August 2012, die von Bruno Kramm, Mitglied der
       Piratenpartei, eingebracht wurde, sollte die Einführung des
       Leistungsschutzrechts gestoppt werden. Das nötige Quorum von 50.000
       Gegenstimmen [11][wurde nicht erreicht].
       
       ## Taliban mit Suchmaschine
       
       Die langjährige Lobbyarbeit der beiden großen Befürworter, Axel Springer AG
       und Burda, hat sich bezahlt gemacht. Die schwarz-gelbe Koalition kündigt
       schon im März 2012 in einer Pressemitteilung ([12][pdf]) verbindlich an,
       das Leistungsschutzrecht für Presseverlage einzuführen.
       
       Über das ganze Jahr wirbt der Axel-Springer-Verlag weiter vehement für das
       neue Leistungsschutzrecht und vergleicht Google sogar mit den Taliban. In
       einem [13][Interview mit Horizont.net] lässt der Konzerngeschäftsführer für
       Public Relations Christoph Keese außerdem verlauten, dass die Suchmaschine
       ein Gegner des Fortschritts sei. Namhafte Gegner des Leistungsschutzrechtes
       wie der Journalist Stefan Niggemeier bezichtigen Keese und andere
       Verfechter des Vorhabens inzwischen [14][offen und unwidersprochen der
       Lüge].
       
       Google selbst, neben den Verlagen zweiter Hauptakteur der ganzen
       Diskussion, nimmt erst im November 2012 den öffentlichen Kampf auf: Die
       Kampagne [15][„Verteidige dein Netz“] richtet sich an die Nutzer der
       Suchmaschine, die sich für den Konzern einsetzen sollen. Im
       [16][dazugehörigen Video], das auf Youtube bereits über 7 Millionen Klicks
       erhalten hat, wird gefragt: „Willst du auch in Zukunft finden, was du
       suchst? Ein für Deutschland geplantes Leistungsschutzrecht würde die Suche
       im Internet stark einschränken“. Die Nutzer sollen sich an ihre
       Bundestagsabgeordneten wenden und sich beschweren.
       
       ## Werbung an Taxis
       
       Googles Deutschland-Chef Stefan Tweraser sagt dazu: „Die meisten Bürger
       haben noch nie von diesem Gesetzesvorschlag gehört. Dabei träfe ein solches
       Gesetz jeden Internetnutzer in Deutschland“. Im Februar 2013 hat der
       Konzern die Kampagne noch weiter ausgeweitet und Werbung in Berliner Taxis
       geschaltet. Mit dem Zitat des Bloggers und Journalisten [17][Mario Sixtus]:
       „[18][Mit der gleichen Logik] könnte ein Restaurantbesitzer von Taxifahrern
       Geld verlangen, die ihm Gäste bringen“, versucht Google kurz vor der
       Entscheidung über das Leistungsschutzrecht weitere Gegner zu mobilisieren.
       
       Eine überraschende Änderung des Gesetzentwurfs am vergangenen Dienstag hat
       derweil das umstrittene Leistungsschutzrecht wieder entschärft. „Einzelne
       Wörter oder kleinste Textausschnitte“ sollen nun doch nicht unter das
       Gesetz fallen, erklärte Manuel Höferlin von der FDP. Über was dann noch
       genau abgestimmt werden soll ist vielen unklar. Die Kritik, dass nur mehr
       Rechtsunsicherheit geschaffen werde, wird so noch plausibler.
       
       Klar ist jedoch, dass die Lobbyabteilungen der Verlage sich auch ein
       verwässertes Gesetz als Erfolg auf die Fahnen schreiben können – spätere
       Änderungen und Ausweitungen sind schließlich nicht ausgeschlossen.
       
       28 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://c-netz.de/
   DIR [2] http://www.bdzv.de/
   DIR [3] http://www.axelspringer.de/presse/Dietrich-von-Klaeden-uebernimmt-Leitungsaufgabe-im-Bereich-Public-Affairs-der-Axel-Springer-AG-Tanja-Hackner-wird-neue-Gesamtwerbeleiterin-BILD_463853.html
   DIR [4] http://netzpolitik.org/wp-upload/KlAnf-Linke-17_11973-RS+Antwort.pdf
   DIR [5] http://www.faz.net/aktuell/technik-motor/computer-internet/kopierte-inhalte-schutzlos-ausgeliefert-im-internet-1785694.html
   DIR [6] http://www.cdu.de/portal2009/29145.htm
   DIR [7] http://leistungsschutzrecht.info/
   DIR [8] http://maedchenmannschaft.net/
   DIR [9] http://netzpolitik.org/
   DIR [10] http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=lsr%20deutscher%20bundestag%2017%20wahlperiode&source=web&cd=1&ved=0CDAQFjAA&url=http%3A%2F%2Fdipbt.bundestag.de%2Fdip21%2Fbtd%2F17%2F114%2F1711470.pdf&ei=qHMvUa-yIsnFtQbJvoCgBg&usg=AFQjCNFUNLBdGcaU_MNMV8EmEguQA4X91w
   DIR [11] /Petition-zum-Leistungsschutzrecht/!103360/
   DIR [12] http://docs.dpaq.de/353-koalitionsrundenergebnisse.pdf
   DIR [13] http://www.horizont.net/aktuell/medien/pages/protected/Springer-Lobbyist-Christoph-Keese-Google-ist-eine-Art-Taliban_111793.html
   DIR [14] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/luegen-fuers-leistungsschutzrecht-5/
   DIR [15] http://www.google.de/campaigns/deinnetz/
   DIR [16] http://www.youtube.com/watch?v=OvhrC2eWIxw
   DIR [17] http://www.sixtus.net/
   DIR [18] http://www.tagesspiegel.de/medien/lobby-power-gegen-die-suchmaschine-bizarre-internet-gesetze/6726592-2.html
       
       ## AUTOREN
       
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