URI: 
       # taz.de -- Rettung für Prenzlauer Berg: Auferstanden aus Ruinen
       
       > Der Klub der Republik wird auf dem früheren Gelände der Willner Brauerei
       > im Norden des Prenzlauer Bergs wieder aufleben. Ein Ortsbesuch.
       
   IMG Bild: Der Prenzlauer Berg glänzte zuletzt durch so aufregende Debatten wie die um zugezogene Schwaben. Doch es gibt Hoffnung.
       
       Dominik stapft durch Bauschutt und Schneematsch auf das alte Trafohaus zu.
       Wir befinden uns in einer Randzone: auf dem Gelände der leer stehenden
       Willner Brauerei, wo Prenzlauer Berg in Pankow übergeht. Auf den ersten
       Blick lässt sich nicht erahnen, was hier gerade entsteht. Bis man über dem
       Trafohaus das Zeichen der Zeit erkennt. Wie der Stern über Bethlehem
       funkelt es über dem verwitterten Gemäuer – eine einzelne Diskokugel. Sie
       zeugt von der frohen Kunde: Der Klub der Republik kehrt zurück. Und zwar
       ausgerechnet in den Stadtteil, aus dem er vergangenes Jahr vertrieben
       wurde. „Hier im Trafohaus eröffnen wir ihn wieder“, sagt Dominik.
       
       Zehn Jahre hatte er den Club zusammen mit Freunden in der Pappelallee 81
       betrieben, eine kleine Insel jenseits der Zeit, eingerichtet mit
       Ostmobiliar und ausgeleuchtet mit den Lampen, die einst im Palast der
       Republik verbaut waren. Bis ein Investor das Haus kaufte, um dort
       Eigentumswohnungen zu errichten. Für Dominik und seine Leute war kein Platz
       mehr – und damit standen sie nicht allein da. Das große Clubsterben in
       Prenzlauer Berg war da bereits im vollen Gange. Zuvor hatten schon das Icon
       in der Cantianstraße und der Knaack-Klub in der Greifswalder schließen
       müssen, nachdem neue Nachbarn wegen Lärmbelästigung geklagt hatten. Während
       also alte und neue Anwohner miteinander über den Unterschied zwischen Leben
       und Wohnen stritten, schrumpften die Freiräume im Kiez immer weiter.
       
       Diese Erzählung vom kulturellen Veröden der Gegend galt eigentlich als
       abgeschlossen. „Unser Booker Deacan ist zwischenzeitlich aus Frust nach
       Australien ausgewandert“, sagt Dominik. Zur Stunde befinde er sich jedoch
       auf dem Rückflug nach Berlin, zu sehr locke die Wiedereröffnung des Clubs
       auf dem Gelände der Willner Brauerei. Sie wissen genau, was für eine
       seltene Perle sie hier aufgetan haben: „Das ist die letzte Nische in der
       Gegend“, glaubt Dominik. „Und sie ist ganz schön groß“, ergänzt sein
       Kollege Dirk, der Barchef und DJ.
       
       Etwa 4.000 Quadratmeter und sechs Gebäude umfasst das bis vor Kurzem
       verlassene Areal. Zuletzt fand hier, vor schmutzigbraunen Mauern auf
       geborstenem Asphalt, ein Flohmarkt statt. Neben dem Klub der Republik
       werden noch andere Kulturmacher dieses Experimentierfeld bespielen: In der
       ehemaligen Kantine sind Werkstätten und Ateliers geplant, zwischen den
       Kesseln im Brauhaus soll Kunst entstehen, und ins einstige Zollhaus zieht
       eine Pizzeria. Es wirkt ein wenig wie die Kulturbrauerei, aber in einer
       beseelteren Version, die von der Improvisation lebt.
       
       Das Gelände gehört der Berggruen Holding, sie vermietet es den Künstlern,
       Clubbetreibern und Gastronomen zur Zwischennutzung für fünf Jahre.
       Förderung bekommen sie dafür nicht, viele haben sich das Geld von Freunden
       oder Lieferanten geliehen. Umso mehr greifen sich die Beteiligten
       gegenseitig unter die Arme. Sie haben sich zu dem Kreis „Willner Brauerei
       Berlin“ zusammengeschlossen. Der arbeitet nun gemeinsam daran, die Gebäude
       einigermaßen in Stand zu setzen, Stromleitungen zu verlegen und Dächer
       abzudichten, so dass die verschiedenen Projekte im Frühsommer an den Start
       gehen können. Konsequenterweise wird auch ein Biergarten eröffnet.
       
       Immerhin 108 Jahre lang hatte sich dieser Ort dem Bier verschrieben. Erst
       nach der Wende stellte die Willner-Brauerei den Betrieb ein, die
       Mitarbeiter wurden entlassen. Einige von ihnen wohnen bis heute in der
       Nachbarschaft. Sie verbinden viele Erinnerungen mit dem Gelände und schauen
       öfter auf einen Plausch vorbei, jetzt, da sich nach Jahren des Stillstands
       wieder etwas tut. „Zunächst waren sie misstrauisch und klopften ab, ob wir
       hier Eigentumswohnungen bauen“, sagt Dominik vom Klub der Republik.
       „Mittlerweile erzählen sie uns gute, kleine Geschichten, während wir auf
       dem Hof den Dreck von A nach B schippen.“ Etwa die Geschichte von Gregor
       Gysi, der hier einst in einem Saal eine flammende Rede gehalten haben soll
       – und am nächsten Tag sei der Raum abgebrannt. Die Offenheit und der
       Zuspruch der Anwohner spornen die Clubmacher an. Dies ist eine wohltuende
       Erfahrung nach den Turbulenzen in der Pappelallee.
       
       Tatsächlich tickt die Gegend rund um die Willner Brauerei anders als
       Zentral-Prenzlauer-Berg mit seinen Cafés und Boutiquen. Hier, nördlich der
       Bornholmer Straße, fahren die alten, eckigen Trams vorbei an Tankstellen
       und fahlen Hausfassaden. Ein Mann im knöchellangen Ledermantel führt seinen
       Hund Gassi, Rentner schleppen Einkaufstüten und werfen Blicke ins
       Schaufenster des Optikers. Im Sexshop nebenan sind die Fenster verklebt, da
       gibt es nichts zu sehen. Unaufgeregt und unglamourös vollzieht hier eine
       heterogene Bevölkerung das Stadtleben.
       
       „Es mutet ein wenig an wie die Pappelallee vor rund zehn Jahren“, stellt
       Dirk fest. Und weist sofort jeden Hang zur Romantik von sich, weil den
       Clubmachern klar ist, dass sie durch ihr Kommen dazu beitragen, die
       hiesigen Straßen und Plätze zu beleben. Dass es nur eine Frage der Zeit
       ist, bis die Makler und Investoren nachziehen. „Wir sind beteiligt an der
       Aufwertung“, sagt Dirk. Doch was ist die Alternative? Hier keinen Club,
       keine Ateliers, keinen Biergarten aufzumachen und das Viertel aufzugeben?
       
       Dirk und Dominik haben sich dagegen entschieden. „Für viele, die zehn Jahre
       lang im Klub der Republik gefeiert und gearbeitet haben, war der Laden ein
       Stück Heimat“, sagt Dominik. Und diese Heimat bauen sie wieder auf, statt
       einen völlig neuen Club zu erfinden. Die alten Möbel, die sie in diversen
       DDR-Kulturhäusern zusammengesammelt hatten, werden auf das Brauereigelände
       mitziehen.
       
       Vorher benötigt das verwitterte Trafohaus mit seiner Diskokugel allerdings
       noch viel bauliche Zuwendung. Zum Glück ist der alte Barmann Johannes
       rechtzeitig mit seinem Architekturstudium fertig geworden und kümmert sich
       um den Ausbau. Die alten Freunde sind wieder zusammen für ein Experiment
       mit ungewissem Ausgang. „Vielleicht sind wir in fünf Jahren so pleite und
       durch, dass wir uns alle gemeinsam nach Australien absetzen“, scherzt Dirk.
       
       1 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Joanna Itzek
   DIR Joanna Itzek
       
       ## TAGS
       
   DIR Gentrifizierung
   DIR Schwangerschaft
   DIR Sozialwohnungen
   DIR Mieten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Verdrängung in Pankow: Schampus statt Bier
       
       Die Willner Brauerei war einer der letzten kreativen Orte im Kiez. Nun hat
       Investor Berggruen das Areal verkauft, der neue Eigentümer will
       luxussanieren.
       
   DIR Eltern in Berlin: Prenzeletten und Traumorgasmen
       
       Die Elternmafia hat wieder zugeschlagen: Zwei Journalistinnen aus
       Prenzlauer Berg haben ein weiteres Buch über werdende Eltern geschrieben –
       leider.
       
   DIR Konzepte der Parteien: Wo ist die Mietpreis-Grenze?
       
       Nach dem Willen von SPD und Grünen sollen Neumieten nur um 10 Prozent
       steigen dürfen. Die Linke verknüpft den Anstieg mit dem
       Inflationsausgleich.
       
   DIR Mieten steigen in Großstädten: Bisschen hässlicher, bisschen kleiner
       
       Altbauviertel in Metropolen werden für viele Mieter unbezahlbar. Die
       Alternative sind Wohnblocks aus den 60er und 70er Jahren.