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       # taz.de -- Joko&Klaas jetzt bei Pro 7: Zumindest irgendwie Zirkus
       
       > Bei den öffentlich-rechtlichen hatten die Moderatoren Winterscheid und
       > Heufer-Umlauf keine Perspektive mehr. Bei Pro7 dürfen sie jetzt ihren
       > Zirkus weiterbetreiben.
       
   IMG Bild: Stolz präsentiert Pro7 seine neuen Entertainer Joko Winterscheid und Klaas Heufer-Umlauf.
       
       Am Anfang zitierten sie gleich mal „A Clockwork Orange“: In Zwangsjacken
       gefesselt, die Augen aufgeklammert, sitzen Joko Winterscheid und Klaas
       Heufer-Umlauf vor einer Leinwand, auf der Pro 7.Sat 1-Fernsehen läuft.
       Gespieltes Entsetzen, Kreischen im Angesicht der „taff“-Moderatorin, am
       Ende flüstert Heufer-Umlauf den Pro 7-Slogan: „We love to entertain you.“
       
       Ätsch, jetzt sind sie unsere, sollte das wohl auch noch mal in Richtung ZDF
       bedeuten. Im Digitalkanal ZDF Neo hatten Winterscheid und Heufer-Umlauf als
       Joko&Klaas zuvor die Late Night-Show „neoParadise“ moderiert.
       
       Es gab wohlwollende Kritiken („Aushängeschild für den Sender“),
       entsprechend dem Marktanteil von ZDF Neo (rund 1 Prozent) recht
       überschaubare Zuschauerzahlen (70.000 bei der letzten Show am 24. Januar) –
       und offenbar keine nennenswerten Perspektiven beim Mainzer Sender.
       
       Jetzt also „Circus Halligalli“ bei Pro 7. Beziehungsweise doch eigentlich
       bloß wieder „neoParadise“: Als Talk-Gast für das auf jeden Fall sinnfreie
       Sofa-Gespräch, in dem im Schnitt maximal zwei Sprüche gelingen und
       mindestens genauso viele nicht, hatte man sich zur Premiere Helge Schneider
       eingeladen.
       
       Wie immer fragte Heufer-Umlauf nichts, der Gast sagte nichts, und
       Winterscheid lachte darüber zu laut. Zwischendurch machte Sido Musik, die
       Bühne für die Bands nun ein bisschen geräumiger und die Konfettistückchen
       ein wenig größer als in Mainz, und die unheimliche Oma Violeta scheuchte
       den Pandamasken-Rapper Cro nicht in einen Wandschrank, sondern in eine
       Telefonzelle.
       
       Das kannte man schon und das war okay, hätte nun aber auch nicht unbedingt
       den Zirkus verdient, den Pro 7 vorher verbreitet hatte – mit unzähligen
       Trailern und Fotostrecken auf der Senderhomepage und einer einstündigen
       (!), live ins Netz gestellten Pressekonferenz per Twitter, auf der die
       beiden Moderatoren unwichtige Fragen („Kriegt Joko eine Glatze?“), nicht
       beantworteten.
       
       Aber zum Glück gab es dann ja gestern Abend noch zwei längere Einspieler.
       Im ersten hatten sich Heufer-Umlauf und Winterscheid als Harry Potter und
       Fußballfan mit offenem Gürtel, Vokuhila-Frisur und Bierbäuchlein unter den
       Kölner Rosenmontagsumzug gemischt.
       
       ## Ketchup auf der Hose
       
       Acht Stunden lang mussten sie zu allem „Ja“ sagen („Möchtest Du den Ketchup
       von meiner Hose lecken?“). Das war jetzt nicht wahnsinnig originell und
       auch ziemlich gut planbar, aber es war zumindest irgendwie Zirkus.
       
       Dann randalierte schließlich noch Olli Schulz (bei „neoParadise“ der
       Erotik-Experte) völlig besoffen und Hemingway zitierend durch eine
       Berlinale-Feier im Ritz Carlton, tätschelte einem gefährlich
       dreinblickenden Uwe Ochsenknecht den Po und versaute einem Fotografen das
       Til-Schweiger-mit-Freundin-Bild.
       
       Randale und dabei besoffen Leute anquatschen, der „Ups wie
       peinlich“-Faktor, geht natürlich auch immer, wie langweilig, könnten man da
       jetzt einwenden und Pro 7 hat da natürlich auch schon Erfahrung.
       
       Aber warum eigentlich nicht? Und so wie Pro 7 seinem Publikum Hemingway
       zumutet, hätte das ZDF - wenn man es denn tatsächlich ernst meint mit der
       angestrebten Verjüngung von Programm und Kernzielgruppe - ruhig auch ein
       bisschen mehr Mut zu gut gemachtem Trash beweisen dürfen. Doch statt
       „Aushängeschilder“ zu pflegen oder gar – huch – ins Hauptprogramm zu
       hieven, verliert man sie ans Privatfernsehen, oder schließt manche
       digitalen Ausprobierfelder für junge Formate gleich ganz (ZDF Kultur).
       
       Und bekommt: zum Beispiel den schwiegermutterkompatiblen Markus Lanz, der
       eine trutschige Samstagabendshow moderiert, die – schaut man auf die
       sinkenden Einschaltquoten von "Wetten, dass..." – zunehmend weniger Leute
       brauchen. Am Ende gönnte man sich bei Pro 7.Sat 1 dann noch mal einen
       zufriedenen Scherz. Am Ausgang des Studios wartete Wolfgang Lippert
       („Wetten, dass…?“ 1992, ZDF-Fernsehgarten) „Ich habe ein gutes Gefühl“.
       Ätsch.
       
       26 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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