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       # taz.de -- Die CDU denkt über Undenkbares nach: Rosa Anstrich für den Wahlkampf
       
       > Noch vor Kurzem schien ein Kurswechsel beim Thema Homo-Ehe in der Union
       > undenkbar. Doch nun will die Diskussion einfach nicht verstummen.
       
   IMG Bild: Das finden einige in der CDU mittlerweile auch
       
       BERLIN taz | Da war zum Beispiel Walter Arnold, Landtagsabgeordneter aus
       Fulda. Arnold, Schnäuzer und streng zurückgekämmte Haare, ging mit raschen
       Schritten zum Rednerpult. Man wolle niemanden diskriminieren, sondern die
       Ehe steuerlich fördern und privilegieren. An diesem Grundwert, warb er
       eindringlich, müsse die CDU festhalten.
       
       Der Mann der konservativen Basis redete auf dem CDU-Parteitag in Hannover
       Anfang Dezember. Dort entschied die Mehrheit der Delegierten, Schwule und
       Lesben beim Ehegattensplitting nicht mit heterosexuellen Paaren
       gleichzustellen – auch weil sich die Kanzlerin persönlich gegen eine
       Gleichstellung ausgesprochen hatte.
       
       Doch die Zeiten ändern sich, und in der CDU kann das sehr schnell gehen.
       Kaum drei Monate später streitet die Partei erneut. Auslöser ist ein
       [1][Urteil des Bundesverfassungsgerichts von vergangener Woche]. Die
       Karlsruher Richter entschieden, dass homosexuelle Partner ein von ihrem
       Partner oder ihrer Partnerin adoptiertes Kind ebenfalls annehmen dürfen.
       
       Das Urteil betrifft nur wenige, war so erwartet worden – und löste bei der
       Union dennoch ein kleines Erdbeben aus. Nachdem die Parteispitze drei Tage
       lang in Schockstarre verharrte, wurde hinter der Kulissen ein
       überraschender Kursschwenk vorbereitet.
       
       Mit dem Fraktionschef Volker Kauder, der keine Vorstöße gegen die Kanzlerin
       lancieren würde, und Michael Grosse-Brömer, dem Fraktionsgeschäftsführer,
       sprachen sich am Wochenende zwei prominente CDUler für eine Gleichstellung
       homosexueller Paare aus. Die CDU scheint das Thema nicht etwa nur antesten
       zu wollen, der Schwenk scheint von Merkel selbst vorbereitet.
       
       ## „Keinen Grundsatzstreit“
       
       Wo die Reise hingeht, ist derzeit aber unklar. Bis zur Sommerpause könnte
       ein Gesetz zur Gleichstellung verabschiedet werden. Dass dies auch ein
       gemeinsames Adoptionsrecht oder gar die Öffnung der Ehe für Schwule und
       Lesben beinhalten wird, ist unwahrscheinlich. Realistischer ist, dass man
       sich bei der steuerlichen Gleichstellung einig wird. Die Union käme damit
       dem Bundesverfassungsgericht zuvor, das in den kommenden Monaten aller
       Voraussicht nach das Ehegattensplitting auch für Homopaare zulassen wird.
       
       „Man muss sehen, wie weit die CSU bereit ist, mitzugehen. Wir sollten jetzt
       keinen Grundsatzstreit mit ihr provozieren“, sagte ein
       CDU-Bundestagsabgeordneter der taz. Tatsächlich wurden die ablehnenden
       Stimmen aus der Union am Montag lauter. Hessens CDU-Fraktionschef Christean
       Wagner warnte eindringlich vor einem Kurswechsel. CSU-Landesgruppenchefin
       Gerda Hasselfeldt sagte im Deutschlandfunk, es dürfe keine „Entscheidung
       aus dem Bauch heraus“ geben.
       
       So weit, so erwartbar. Doch der richtige Biss, die echte Empörung und
       strikte Ablehnung fehlten. „Auch die CSU verschließt sich der Debatte ja
       nicht grundsätzlich, das ist ein gutes Zeichen“, sagte der CDU-Abgeordnete
       Jan-Marco Luczak der taz. Er gehört wie Stefan Kaufmann zu den „wilden 13“,
       die bereits vor dem Parteitag im Dezember für eine steuerliche
       Gleichstellung eintraten. Kaufmann, einer von zwei schwul geouteten
       Abgeordneten seiner Fraktion, konnte sich damals nicht durchsetzen.
       
       Etwas überrascht war er daher jetzt schon über die Ankündigung seiner
       Partei. „Die Gleichstellung ist rechtlich geboten und politisch klug. Wenn
       sich immer mehr dieser Auffassung anschließen, um so besser“, sagte er der
       taz. Wie der rosa Anstrich der Union bei ihren Stammwählern ankommt, weiß
       derzeit niemand. 80 Prozent der Unionswähler sprachen sich in einer Umfrage
       vergangenes Jahr für eine steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare
       aus.
       
       ## Union-Stammwähler
       
       Zur Frage der Adoption gibt es keine Zahlen. „Ich glaube, dass unsere
       Wähler da weiter sind, als man gemeinhin denkt“, sagte Luczak. „Natürlich
       gibt es aber einen Teil der Unions-Stammwähler, die damit Probleme haben
       könnten“, schränkte Stefan Kaufmann ein.
       
       Falls es der Union nicht gelingt, sich auf einen gemeinsamen Weg zu
       einigen, bleibt noch die Möglichkeit, die Abstimmung im Bundestag über ein
       Gleichstellungsgesetz für die Abgeordneten freizugeben, wie es etwa der
       Abgeordnete Jens Spahn vorschlägt.
       
       Die Union versucht nun, die Erwartungen zu dämpfen. Es gebe keine
       übereilten Entscheidungen, hieß es. Am Dienstag kommt das Thema auch in der
       Sitzung der Unionsfraktion auf den Tisch. Aufhalten lässt sich die
       Diskussion jetzt jedenfalls nicht mehr.
       
       26 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
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