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       # taz.de -- 60.000 Grüne-Mitglieder: Auf Dirndl-Höhe mit Brüderle
       
       > Mit 60.000 Mitgliedern haben es die Grünen nun endlich geschafft: Sie
       > sind mitten in der Gesellschaft angekommen. Ein Brief als Würdigung.
       
   IMG Bild: „Das ist einfach mal geil!“ Grüne blockieren 1983 ein US-Militärgelände im Frankfurt. Joschka Fischer ist auch dabei
       
       Glückwunsch, liebe Grüne,
       
       für Euch ist derzeit ja alles ein großes Fest: die Niedersachsen-Wahl
       gewonnen, die Umfragewerte steigen, und eine neue Bionade steht seit dieser
       Woche in den Regalen. Aber damit nicht genug: Mehr Menschen denn je wollen
       bei Euch Mitglied sein. Stolz habt Ihr am Wochenende verkündet, dass Ihr
       nun endlich die Marke von 60.000 verbrieften Grünen genommen habt. Was für
       ein Triumph.
       
       Oder um es mit Euren eigenen grünen Worten zu sagen: „2013 ist durch und
       durch grün.“ Denn 60.000 Parteimitglieder, das ist natürlich eine
       machtvolle, das Land durchdringende Größe. Da seid Ihr schon ganz nah dran
       an der Spitze. Am ADAC etwa (ca. 18 Millionen Mitglieder) oder doch
       wenigstens am Deutschen Tierschutzbund (ca. 800.000 Mitglieder).
       
       Na gut, fast. Aber immerhin: An der FDP seid Ihr vorbeigezogen, wie
       Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke im Freudentaumel verkündet. Und weil
       Ihr damit ja praktisch Volkspartei seid, quakt es auch gleich im
       Bild-Zeitungs-Jargon aus ihr heraus: „Das ist einfach mal geil!“ Denn, so
       [1][die Mitteilung auf Eurer Website]: „Politisch sind die Grünen schon
       längst drittstärkste Kraft im Land, jetzt ziehen wir auch bei den
       Mitgliederzahlen nach.“
       
       ## Wie ist es dazu gekommen?
       
       Wobei „nachziehen“ schon eine etwas spezielle Wortwahl ist, denn bis zur
       dritten Kraft in Bezug auf die Mitglieder müssten erst noch die CSU
       (150.000) und die Linke (65.000) aus dem Weg geräumt werden. Aber gut.
       Immerhin also stärker als die FDP. Ihr seid jetzt sozusagen auf Dirndl-Höhe
       mit Rainer Brüderle. Das ist ja allerhand.
       
       Wie ist es dazu gekommen? Steffi Lemke weiß Bescheid: Neben der
       Energiewende würde als Eintrittsgrund von den neuen Mitgliedern vor allem
       genannt, „dass sie bei der wachsenden Ungerechtigkeit in unserem Land nicht
       tatenlos zusehen wollen“. Sondern vermutlich: kräftig daran mitwirken.
       
       Da sind sie bei Euch, den Mit-Erfindern und engagierten Verteidigern von
       Hartz IV, zweifellos an der richtigen Adresse. Und falls der Tatendrang in
       Sachen Ungerechtigkeit in unserem Land allein nicht mehr erschöpfend
       ausgelebt werden kann, wird sich schon irgendein anderes finden, das sich
       dann im Namen der gerechten Sache bombardieren ließe. Aber bitte
       energieeffizient.
       
       So könnte ich Euch jetzt noch eine Weile weiterschreiben, liebe Grüne, aber
       alles hat ja bekanntlich seine zwei Seiten. Und auf der anderen, da steht
       dann eben „Die Achse des Guten“. Oder die Welt. Wo das Wort „Grüne“ synonym
       ist für „Gutmenschen“ und beides zusammen für Zumutungen wie Frauen, die
       plötzlich meinen, überall mitreden zu müssen, oder Schwarze, die aufmucken
       und den Deutschen erklären wollen, was sie diskriminiert.
       
       ## Krähen im Chor
       
       Eine Seite, auf der Ulf Poschardt die Überlegung, Kindern tatsächlich einen
       Kita-Platz anzubieten, damit pariert, dass es in diesem „Kulturkampf nur
       vordergründig um eine Entwertung traditioneller Familienmodelle“ gehe, dass
       „in der Kavallerie grüne Wahlkämpfer reiten, die in beispielloser Art und
       Weise Würde und Ansehen“ jener Eltern „beschädigt haben, die,
       aufopferungsvoll und wie von Pädagogen und Psychologen empfohlen, für ihre
       Kinder da sind, wenn diese sie am dringendsten brauchen“, und das alles nur
       aus einem Grund: „Die Grünen krähen im Chor derjenigen, die sich vor allem
       um die Abrichtung künftiger Steuerzahler sorgen.“
       
       Eine Seite also, die Ausbeutung, Diskriminierung und Rücksichtslosigkeit
       als Freiheit deklariert.
       
       Man muss wirklich nur ganz kurz dorthin schauen, um sich, liebe Grüne, dann
       doch ein bisschen über Euren albern hochgejazzten Mitgliederrekord zu
       freuen. Lasst uns darauf anstoßen – bei einem leckeren Zigarettchen und mit
       einem gut gekühlten Dosenbier.
       
       26 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.gruene.de/partei/gruene-ueberholen-fdp.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
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