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       # taz.de -- Debatte über die Homo-Ehe: Rot-Grüne Herzensangelegenheit
       
       > Es ist der Albtraum von Sozialdemokraten und Grünen im Wahlkampf: Merkel
       > nutzt das Thema Homo-Ehe. Und steht am Ende mit der Regenbogenflagge da.
       
   IMG Bild: So schön wie in Frankreich soll die Homo-Ehe nach dem Wunsch von SPD-Chef Sigmar Gabriel auch bei uns sein: völlig gleichberechtigt.
       
       BERLIN taz | Volker Beck läuft in diesen Tagen zu Hochform auf. Der
       wortgewandte Fraktionsgeschäftsführer der Grünen verschickt eine
       Pressemitteilung nach der anderen, twittert, als ginge es um sein Leben,
       und beantragt eine aktuelle Stunde im Bundestag. „Alles andere als
       Gleichberechtigung ist verfassungswidrige Diskriminierung“, sagt Beck. „Das
       muss jetzt aber auch der letzte Konservative verstanden haben!“
       
       Die Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist ein Herzensanliegen des
       Grünen. Und in Becks Wortmeldungen klingt ein gewisser Triumph durch. Die
       Opposition registriert mit Genugtuung den neuen Streit in der Union über
       den Umgang mit der Homo-Ehe. SPD und Grüne, die die Idee einer „Ehe für
       alle“ schon lange vertreten, boten der Koalition eine Zusammenarbeit an.
       Nicht ohne höhnisch zu betonen, dass sich dafür die Union natürlich erst
       mal einigen müsse.
       
       SPD-Chef Sigmar Gabriel legte die Latte hoch. Er forderte eine „absolute
       Gleichstellung“ von Partnerschaften, egal welcher Sexualität. Nach
       französischem Vorbild sei eine volle Gleichberechtigung von Homo- und
       Heterosexuellen notwendig und „kein Etikettenschwindel“. Damit ist nicht
       nur die steuerliche Gleichstellung, etwa beim Ehegattensplitting, gemeint.
       Sondern auch eine Gleichbehandlung beim Adoptionsrecht. Sozialdemokraten
       und Grüne wittern die Chance, die nervös gewordene Union dazu zu drängen,
       endlich Fakten zu schaffen.
       
       Dabei nutzen sie ihre Mehrheit im Bundesrat, um den Gegner vor sich her zu
       treiben. Das SPD-regierte Bundesland Hamburg kündigte an, einen – schon
       länger vorbereiteten – Antrag auf die Öffnung der Ehe für
       gleichgeschlechtliche Paare zu stellen. „Mit einer Öffnung der Ehe können
       wir sämtliche Diskriminierungen mit einem Schlag beseitigen“, sagte
       Justizsenatorin Jana Schiedek. Der Antrag wird am 22. März eingebracht.
       Dass sich die zerstrittene Union bis dahin auf eine Position einigt,
       scheint angesichts der Vielstimmigkeit aber unwahrscheinlich.
       
       ## Angst um die Kernwähler
       
       Doch intern beäugen rot-grüne Strategen den neuesten Richtungsstreit in der
       Union auch skeptisch, schließlich birgt er eine Gefahr. Plötzlich schwebt
       wieder einmal ein Gespenst mit einem technokratischen Namen im Raum: die
       asymmetrische Demobilisierung. Diese Wahlkampfstrategie erfand 2009 der
       damalige CDU-Generalsekretär und heutige Kanzleramtschef Ronald Pofalla.
       
       Sie fußt auf der Annahme, die Kernwählerschaft der Union sei größer als die
       der SPD – und vor allem treuer. CDU-Wähler gehen also im Zweifel immer
       wählen, während SPD-Wähler dafür einen guten Grund brauchen. Die Strategie:
       Unterschiede verwischen und Polarisierung vermeiden. Das Prinzip
       Einschläferung funktionierte wunderbar, die SPD landete bei für sie
       traumatischen 23 Prozent.
       
       Mehr noch, es ist inzwischen Grundkonstante von Merkels Politik. Die
       pragmatisch-wendige Kanzlerin gab bei der Energiepolitik dem Zeitgeist
       nach, bei der Wehrpflicht, beim Mindestlohn. Jetzt auch noch bei der
       Gleichstellung von Schwulen und Lesben? SPD und Grüne fühlen sich wie im
       Märchen vom Hasen und dem Igel. Für sie ist Gesellschaftspolitik ein
       wichtiges Thema, mit dem sie Merkel im bevorstehenden Bundestagswahlkampf
       angreifen wollen. Doch bevor sie losspurten können, könnte die Kanzlerin
       nun am Ziel stehen und die Regenbogenflagge schwenken.
       
       „Diese neue Kehrwende ist doch völlig unglaubwürdig“, heißt es bereits
       prophylaktisch in der Grünen-Fraktion. „Damit kann Merkel niemals Wahlkampf
       machen.“ Allerdings funktioniert Demobilisierung ja umgekehrt. Entscheidend
       ist, ob die Opposition die Gleichstellungspolitik noch skandalisieren kann,
       wenn die Union am Ende einen Minikompromiss zusammenbastelt, wie sie es
       schon beim Mindestlohn tat.
       
       Aus diesem Grund mühten sich führende Köpfe von SPD und Grünen, eine
       gehörige Portion Skepsis in ihre Bewertungen zu gießen. Vizeparteichefin
       Manuela Schwesig nannte die progressiv klingenden Ankündigungen aus der
       Union „scheinheilig“. Und von Jürgen Trittin, dem mächtigen Grünen, kam
       scharfe Kritik. „Nacheilender Gehorsam gegenüber dem Verfassungsgericht ist
       keine Gleichstellungspolitik“, sagte er. „Das behebt nur teilweise die
       notorische Verfassungsgegnerschaft der Merkel-Koalition.“ Damit spielte
       Trittin auf mehrere Urteile an, in denen Karlsruhe mehr Gleichstellung
       angemahnt hatte. Und die die Union bisher zuverlässig ignoriert hatte.
       
       25 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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