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       # taz.de -- Möglicher Wahlsieger Pierluigi Bersani: Lieber graue Maus als Märchenonkel
       
       > Der Mitte-Links-Kandidat Pierluigi Bersani liegt zumindest im
       > Abgeordnetenhaus vor Silvio Berlusconi, obwohl er viel langweiliger ist.
       > Oder gerade deshalb?
       
   IMG Bild: Kein Märchenerzähler: Pierluigi Bersani, Kandidat des Mitte-Links-Bündnisses, könnte neuer italienischer Ministerpräsident werden.
       
       ROM taz | Es ist wohl geschafft – zumindest im Abgeordnetenhaus. Pierluigi
       Bersani, Chef des Partito Democratico und Spitzenkandidat von Italiens
       Mitte-links-Allianz, hat „dem Jaguar die Flecken weggeputzt“ und damit sein
       wichtigstes Wahlversprechen gehalten: Er hat das Raubtier von der Rechten,
       Silvio Berlusconi, am Ende zum ziemlich zahmen Hauskätzchen gemacht, das
       mit deutlichem Rückstand auf Platz zwei gelandet ist. Nur leider: Im Senat
       sieht es anders aus, schon ist die rede von Neuwahlen.
       
       Bersani dürfte den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Einfach war
       dieser Teilsieg nicht. Noch auf der letzten Wahlkundgebung, am Freitag in
       Rom, brachte der 61-Jährige das Kernproblem auf den Punkt: Immer wieder sei
       er aufgefordert worden, „den Leuten Märchen zu erzählen“, ihnen das Blaue
       vom Himmel herunter zu versprechen. Doch diesen Part, so Bersani, überlasse
       er „den Populisten“, Silvio Berlusconi und Beppe Grillo. Seine Botschaft
       war weit nüchterner: Jetzt gehe es darum, „Italien wieder aufzubauen“.
       
       Der Mann passt zu seiner Botschaft. Bersani, Sohn eines Tankwarts aus dem
       norditalienischen Piacenza, arbeitete nach einem Philosophiestudium ein
       paar Jahre als Lehrer, ehe er hauptamtlicher Funktionär bei der
       Kommunistischen Partei wurde. Von 1993 bis 1996 zeigte er als Präsident der
       Region Emilia Romagna seine Fähigkeit, ebenso leise wie effizient zu
       regieren.
       
       Nach Romano Prodis Wahlsieg 1996 ging er nach Rom, als Wirtschafts- und
       Verkehrsminister. Auch 2006, nach Prodis erneutem Sieg über Berlusconi,
       übernahm Bersani das Wirtschaftsministerium. Liberalisierung „von links“
       war seine Marschroute: Begrenzung der Macht von Banken und Versicherungen.
       
       ## Der Ruf des grauen Funktionärs
       
       Doch Bersani galt immer als Mann in der zweiten Reihe – bis er sich 2009
       traute, in den Urwahlen für den Parteivorsitz des 2007 gegründeten Partito
       Democratico (PD) anzutreten, und klar gewann. Weiter aber haftete ihm der
       Ruf des grauen Funktionärs an, eines Mannes, der bei Fernsehauftritten
       seine Botschaften oft bis zur Unverständlichkeit wegnuschelte.
       
       Zum unbestrittenen Anführer des Mitte-links-Lagers stieg er erst im Herbst
       2012 auf, weil er sich noch einmal traute: weil er sich koalitionsinternen
       Vorwahlen für die Spitzenkandidatur stellte und den parteiinternen
       Widersacher, den Medienliebling Matteo Renzi, überzeugend schlug. Doch die
       wahre Bewährungsprobe steht Bersani jetzt bevor.
       
       Den Wählern hat er eine sozial ausgewogenere Politik in der Krise
       versprochen, dazu Druck auf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, um die
       Abkehr der EU von einseitiger Austeritätsorientierung zu erreichen.
       Durchsetzen muss Bersani seine Politik allerdings in einem Parlament, in
       dem ihm nicht nur das Berlusconi-Lager, sondern auch die mächtige neue
       Fundamentalopposition der „5-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo das Leben
       schwermachen werden.
       
       26 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Braun
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