URI: 
       # taz.de -- CDU und Gleichstellung Homosexueller: Die Liebe entdecken
       
       > Auch in der CDU weiß man: Es geht um Familie, nicht um Prämien für
       > Frau-Mann-Sex-Fruchtbarkeits-Steckkombinationen.
       
   IMG Bild: Darum geh's – die Liebe.
       
       Nie hat es eine Meldung aus diesem, nun ja, Themenkreis je zur ersten in
       der „Tagesschau“ gebracht oder in den „Tagesthemen“. Aber so war es
       Samstagabend, zwischen „Sportschau“ und einem Fritz-Wepper-Familienkrimi
       las Susanne Daubner in etwa dieses vom Blatt ab: Die CDU wolle und werde
       noch in dieser Legislatur die Homo-Ehe der klassischen Mann-Frau-Ehe
       gleichstellen.
       
       Die sekundierende Stimme von FDP-Rösler fand das prima, aber die
       eigentliche Überraschung der Sendung, neben der Sensation, dass es ein
       solches Bäh-und-Igitt-Thema zum Aufmacher bringen konnte, war, dass eine
       CSU-Prominente wie Barbara Stamm sich vernehmen lassen durfte. Und wie! Sie
       sagte nämlich nicht: Mit dieser Absicht öffnet unsere Schwesterpartei
       außerhalb Bayerns den Berufspornografen und Schmuddelkindern Tür und Tor.
       Nein, Stamm sagte das Allermindeste nur, fast lustlos deklamierte sie: Nun,
       aber das dürfe nicht zum Schaden der Familie sein.
       
       Na, haben wir gelacht ob dieser erschütternd defensiven Reaktion,
       jedenfalls aus Perspektive von ehern ultrachristlich-konservativen
       Weltanschauungen: Als ob in schwulen oder lesbischen Beziehungen nicht
       hinlänglich Familie steckt – allein die Fülle an Kindern aus früheren
       heterosexuellen Beziehungen oder solche, die adoptiert oder in Pflege
       genommen worden.
       
       Ja, es ist in gewisser Weise eine Überraschung, dass die CDU sich nun
       offensiv der Gesetzgebung in Sachen Homos annehmen will. Und in anderer
       Hinsicht nicht. Überraschend ist die Bekundung – lanciert über die
       Süddeutsche Zeitung am Wochenende – deshalb, weil das Publikum bislang
       gewohnt war, dass die CDU noch jede atmosphärische Entwicklung im
       Gesellschaftlichen geleugnet und ignoriert hat. Homo-Ehe, Adoption und so
       weiter und so fort: Alles musste gegen die Parteikonservativen errungen
       werden, sei es mittels der rot-grünen Regierung von 1998 an, schließlich in
       Sprüchen des Bundesverfassungsgerichts.
       
       Die Richter ohrfeigten die Union, außerdem die gegen das
       Lebenspartnerschaftsgesetz mitklagenden Länder Baden-Württemberg, Bayern
       und Thüringen gleich mit. Sie sagten: Der besondere Schutz von
       heterosexueller Ehe und Familie bedeute nicht, dass homosexuelle Ehen und
       Familien herabgesetzt werden dürfen. Und danach formulierten sie eine Art
       verfassungspatriotische Kampfesformel wider den Korpsgeist jener, die
       angeblich nix gegen Homos haben, aber heterosexuelles Volksmehrungsvögeln
       belohnt wissen möchten. Karlsruhe nämlich sagte: Wenn der Gesetzgeber es
       wolle, dürfe er die Ehe- und Familienklauseln sogar allen
       nichtheterosexuellen Paaren öffnen.
       
       ## Rechtssystematischer Freisinn
       
       An diese Stelle des Karlsruher Urteils vom Anfang des Jahrtausends hängten
       sich die Klagehoffnungen homosexueller Bürgerrechtsverbände: Diese Offerte
       auf rechtssystematischen Freisinn ließen sie sich nicht nehmen. Und
       begannen den Marsch durch die Instanzen. Am Ende, vorige Woche erst bei der
       Urteilsverkündung in puncto Adoption, siegten die Anliegen von
       Nichtheterosexuellen.
       
       Wieso hätten sich Karlsruher Rechtshüter auch diesem Befund verweigern
       sollen: Kinder wachsen dort am besten auf, wo Liebe und Sorge obwaltet –
       einerlei ob hetero oder homo. Und auch in der Union weiß man doch: Heteros
       heiraten nicht mehr, wie noch bis in die Siebzigerjahre hinein, aus
       Gründen, die mehr mit Statusfragen als mit Liebe zu tun haben. Kinder
       kriegen sie nicht mehr automatisch – nicht mehr so wie früher, wo Frauen
       mit der Heirat Gebärmaschinen zu werden hatten.
       
       Alles lange vorbei, das merkt man auch bei der Union, wo eine wie Angela
       Merkel womöglich besser weiß als alle alten Haudegen wie Norbert Geis (CSU,
       Aschaffenburg, im nächsten Bundestag nicht dabei, allzu
       ungelenk-konservativ) zusammen: dass es um Familie gehen muss, nicht um
       Prämien für Frau-Mann-Sex-Fruchtbarkeits-Steckkombinationen. Das wussten
       natürlich PolitikerInnen wie Julia Klöckner, Aspirantin auf den
       rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentinnenposten, längst. Frauen, die
       selbstbewusste schwule Männer und smarte lesbische Frauen als FreundInnen
       haben und diese nicht unentwegt mit Stillhalteformeln knebeln wollen. Nein,
       in der CDU gibt es viele, die moderner geprägt sind und deshalb diesen
       miefigen Heteroplunder der falschen Fuffziger abgelegt haben.
       
       ## Ruhe an dieser Front
       
       Es ist außerdem schon Wahlkampf. Die Union will auf keinen Fall als
       dauerhomophob-gestrige Partei dastehen. Sie will Ruhe an dieser Front. Sie
       gibt der FDP die Chance zur Profilierung, damit diese nicht so dünnblütig
       dasteht in puncto Homopolitik. Und die Union weiß doch, dass man beizeiten
       sich nicht verweigern darf. Mindestlohn, Frauenquote, Atom oder Öko
       schlechthin: Das wird sich alles noch vom Muff des Gestrigbürgerlichen
       befreien. Sie ist eine bürgerliche Partei – mit schwulen und lesbischen
       FreundInnen. Wann wird sie Ole von Beust die Ehrenmitgliedschaft antragen?
       
       Oder politisch gesprochen: Wann wird die Union bekennen, dass sie vor allem
       als Partei es war, die das Nazirecht, die Verfolgung und Kriminalisierung
       Homosexueller, bis 1969 auch gesetzlich am Leben erhielt? Und heutig
       gesprochen: Wann wird die Union offen stolz darauf sein, dass das Asylrecht
       einen Passus für wegen Homosexualität verfolgter Menschen enthält?
       
       Das Leben Homosexueller und nicht nur dieser wird sich weiter lockern
       können; Öffentlichkeit – vor allem die Angst vor ihr als Schwuler oder
       Lesbe – wird kein Gehege der Drohung mehr sein müssen. Echter Hass auf
       Nichtheterosexuelle oder Diskriminierungslust wird als nicht stubenrein
       gelten, als unanständig und unpassend. Das ist eine famose Weiterung
       dessen, was als bürgerlich gilt. Die bürgerliche Boheme darf sich in
       Zukunft ganz polyamourösen Abenteuerfantasien hingeben. Ist das nicht
       passend, die Liebe zu vielen und vielem als Traumprojekt? Ist bloß nicht
       gesetzesfähig.
       
       24 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
   DIR Homo-Ehe
   DIR Homophobie
   DIR CDU
   DIR Konservative
   DIR Familie
   DIR Ole von Beust
   DIR Homo-Ehe
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Homosexualität
   DIR CDU
   DIR Homo-Ehe
   DIR CDU
   DIR CSU
   DIR Adoptionsrecht
   DIR Adoptionsrecht
   DIR Adoptionsrecht
   DIR Adoptionsrecht
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Norbert Geis über Homos und Familie: „Die Natur nicht außen vor lassen“
       
       Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis verlässt den Bundestag. Vorher spricht er
       noch über egoistische Homosexuelle, seine Frau und die Kinder.
       
   DIR Lebenspartnerschaft Ole von Beusts: Die Verführbaren
       
       Hamburgs Exbürgermeister von Beust ist eingetragen lebensverpartnert – mit
       einem 36 Jahre jüngeren Mann. Das verletzt angeblich das Stilempfinden.
       
   DIR Homo-Ehe: Moderne Zeiten für die Union
       
       Die CDU will Homosexuellen mehr Rechte geben. So einfach wie der
       Atomausstieg wird das aber nicht. Schließlich geht es um die Familie.
       
   DIR Umfrage zur Homo-Ehe: Politik hinkt Wählerwillen hinterher
       
       Fast zwei Drittel der Unionswähler sind für die völlige Gleichstellung
       schwuler und lesbischer Paare. CDU und CSU wollen in zwei Wochen über das
       Thema entscheiden.
       
   DIR Unionsstreit um Adoptionsrecht: CDU sagt Vati-Mutti-Kind-Dogma ade
       
       Laut Medienberichten will die CDU-Spitze ein gemeinsames Adoptionsrecht für
       Homopaare. Kanzlerin Merkel setzt sich für eine zeitnahe Entscheidung ein.
       
   DIR Die CDU denkt über Undenkbares nach: Rosa Anstrich für den Wahlkampf
       
       Noch vor Kurzem schien ein Kurswechsel beim Thema Homo-Ehe in der Union
       undenkbar. Doch nun will die Diskussion einfach nicht verstummen.
       
   DIR Debatte über die Homo-Ehe: Rot-Grüne Herzensangelegenheit
       
       Es ist der Albtraum von Sozialdemokraten und Grünen im Wahlkampf: Merkel
       nutzt das Thema Homo-Ehe. Und steht am Ende mit der Regenbogenflagge da.
       
   DIR CDU-Schwenk bei der Homo-Ehe: Signal für potenzielle Bündnispartner
       
       Die Christdemokraten richten sich neu aus. Das aktuelle Karlsruher Urteil
       zum Adoptionsrecht ist dabei eher der Anlass als die Ursache.
       
   DIR Seehofer zu Gleichstellung der Homo-Ehe: Im Schnellverfahren auf die Bremse
       
       Zwar sieht auch CSU-Chef Seehofer, dass Gesellschaften sich verändern. Aber
       darauf soll man doch bitte nicht zu schnell reagieren. Vor allem, wenn es
       um die Homo-Ehe geht.
       
   DIR Gleichstellung von Homopaaren: Union verharrt in Schockstarre
       
       Nach dem Karlsruher Urteil, Homosexuellen Adoptionen zu erleichtern, findet
       die Union kaum Worte. Wenn doch, argumentiert sie nach dem Bauchgefühl.
       
   DIR Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Mehr Sicherheit fürs Kind
       
       Homosexuelle dürfen die Adoptivkinder ihrer Partner ebenfalls adoptieren.
       Darauf reagiert die Politik nicht immer euphorisch.
       
   DIR Kommentar Adoptionsrecht: Die Politik vor sich her treiben
       
       Gerichte zwingen die Politik zur Anerkennung gesellschaftlicher Realitäten.
       Das ist einer fortschrittlichen Demokratie unwürdig.
       
   DIR Gleichstellung für Homosexuelle: Karlsruhe kippt Adoptionsverbot
       
       Erfolg für ein lesbisches Paar aus Münster: Ab sofort haben Lebenspartner
       mehr Rechte bei Adoptionen. Karlsruhe stärkt die Rechte homosexueller
       Paare.