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       # taz.de -- Kommentar Bischöfe und Pille danach: Nicht von dieser Welt
       
       > Die Zugeständnisse der katholischen Kirche werden nicht reichen, um sie
       > aus der Krise zu holen. Die Klage über eine angebliche „Katholikenphobie“
       > ist bigott.
       
       Und sie bewegt sich doch. Mehr Frauen sollen in der Kirche Führungsämter
       übernehmen; die „Pille danach“ soll, zumindest bei Opfern von
       Vergewaltigungen, in katholischen Krankenhäusern erlaubt sein. Geradezu
       rührend ist dabei die Begründung der deutschen Bischöfe für ihren
       Sinneswandel: Nicht sie hätten ihre Meinung geändert, sondern der
       medizinische Fortschritt erlaube die Kurskorrektur. Sonst bleibt auch alles
       beim Alten: Als Mittel der Familienplanung bleibt die Pille weiter tabu,
       ebenso die Priesterweihe für Frauen.
       
       Das wird nicht reichen, um der tiefen Krise zu begegnen, in der die
       katholische Kirche hierzulande steckt. Denn selbst bei konservativen
       Katholiken hat sie an Vertrauen eingebüßt, selbst von vielen Gläubigen hat
       sie sich entfremdet. Die Bischöfe mögen ihre zaghaften Lockerungsübungen
       zwar für einen großen Schritt halten. Für die breite Öffentlichkeit wirken
       sie dagegen bestenfalls wie rein kosmetische Korrekturen, die wenig an dem
       verheerenden Gesamteindruck ändern, den ihre Kirche in Deutschland in den
       letzten Jahren gemacht hat.
       
       Bemerkenswert ist allerdings der Langmut, mit der die Politik und weite
       Teile der Öffentlichkeit auf den reaktionären Starrsinn der katholischen
       Kirche reagieren. Klar, die Kritik ist in letzter Zeit lauter geworden.
       Aber Konsequenzen hat sie bislang fast keine – daran hat selbst das
       Bekanntwerden des seriellen Missbrauchs von Kindern durch Priester wenig
       geändert.
       
       Durch die vielen Kirchenaustritte sowie die unzufriedenen Stimmen an der
       Basis ist die Kirche zwar von innen heraus stark unter Druck geraten, sich
       zu reformieren. Doch es greift zu kurz, nur auf die Selbstreinigungskräfte
       in der Kirche zu setzen. Etwas mehr Druck von außen könnte nicht schaden,
       um sie dazu zu bewegen, sich auf die Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert
       in einem säkularen Rechtsstaat einzustellen.
       
       Der Klagegesang mancher Kardinäle und Bischöfe über eine angebliche
       „Katholikenphobie“ oder gar eine „Pogromstimmung“ ist deshalb bigott. Denn
       noch immer stellt ihre Kirche eine Art Staat im Staate dar, der sehr
       weitgehende Privilegien genießt – vom Recht, Religionsunterricht an
       öffentlichen Schulen zu geben, über finanzielle Vergünstigungen und Sitze
       in den Rundfunkräten bis hin zu den vielen Ausnahmeregeln, die für sie als
       Arbeitgeber gelten. Diese Privilegien sind heute nicht mehr zu
       rechtfertigen – höchste Zeit, sie abzuschaffen.
       
       21 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
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