URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Ein sauberer Cut
       
       > Wilder Westen im Silicon Valley: Sheriff Cooper, Hilfssheriff McAfee und
       > die Tote aus dem Microsoftporno.
       
   IMG Bild: Die Waffe schon gezückt: Wird Sheriff Cooper auch abdrücken?
       
       Die Hitze drückte schwer auf Silicon Valley. Sheriff Franklin Cooper saß
       gerade in seinem Office und bereinigte seinen Colt, als eine Mailtaube
       durchs Fenster flog und eine Kurznachricht brachte: „Cooper, kommen Sie
       sofort ins virtuelle Studio am Southpark. Eine Darstellerin wurde ermordet.
       Lucida. Der neue Star am Microsoftpornohimmel.“
       
       Es war die Schrift seines Hilfssheriffs McAfee. Cooper zögerte keine 0,27
       Sekunden und machte sich auf den Weg. Eine halbe Stunde später erreichte er
       auf seinem trojanischen Gaul Odysseus das Studio. Cooper war ein
       ausgezeichneter Reiter.
       
       Zur Begrüßung kläffte ihn ein abgemagerter Köter an. Es war ein streunender
       ASCII, dessen Code überall herumlag. Das Studio am Southpark hatte seine
       beste Zeit längst hinter sich. Heute wurden dort meist nur noch billige
       Onlinefilme produziert. Die gesamte Anlage gehörte Bug, einem insolventen
       Moviemaker.
       
       „Da sind sie ja endlich“, sagte McAfee, nachdem Cooper das Studio betreten
       hatte. „Ich dachte schon, die Taube wäre im Spamordner gelandet.“
       
       Sheriff Cooper scannte den Tatort. Vor einem Greenscreen lag ein junges
       Mädchen nackt und leblos am Boden. Unterhalb des Herzens entdeckte er eine
       Schnittstelle.
       
       „Das hier haben wir bei der Schnellprüfung gefunden“, sagte McAfee und
       reichte ihm ein blutverschmiertes Slicewerkzeug. „Damit muss sie sich
       umgebracht haben.“
       
       Cooper schüttelte seinen Header, der Cut war zu sauber für einen
       Selbstmord.
       
       „Das war nicht sie, es war Mord. Ist Bug in der Nähe?“
       
       McAfee nickte und deutete auf ein Büro am Ende der Halle. Dort war ein
       älterer Herr im Nerdpelz gerade damit beschäftigt, durch ein offenes
       Fenster das Gebäude zu verlassen. Coopers Blick wurde ernst.
       
       „Bring ihn her!“
       
       Während McAfee losrannte, wandte Cooper sich wieder dem Opfer zu. In
       Lucidas Tasche fand er, wonach er gesucht hatte: ihre
       Socialcommunity-Chronik. Letzter Eintrag vom 21. 2. 2013: „Mein
       Beziehungsstatus ist jetzt vergeben. Ich liebe Bug und habe mich extra für
       ihn versichern lassen. Er sagte, man könne ja nie wissen, ob so einem süßen
       Häschen wie mir nicht etwas schreckliches zustößt.“
       
       Cooper schüttelte den Kopf. Junge Mädchen wie sie gingen selten vorsichtig
       genug mit ihren personenbezogenen Daten um.
       
       „Lassen Sie Ihre gottverdammten Mousezeiger von mir“, fluchte Bug, als
       McAfee ihn herbeibrachte. „Warum halten Sie mich fest? Sehen Sie nicht, wie
       traurig mich der Verlust meiner Lucida macht. Mein süßes, kleines Häschen.“
       
       Cooper lachte.
       
       „Bugs Bunny ist tot. Eine Tragödie … Wenn sie nicht so unglaublich gut
       versichert gewesen wäre.“
       
       Bug sah ihn wie ein Emoticon, mit großen Augen an, löste die eckige
       Umklammerung und versuchte zu fliehen.
       
       „Gedrückt halten!“, rief Cooper und löste Flyeralarm aus.
       
       Nachdem McAfee den flüchtigen Bug gefasst und zu Boden gedrückt hatte,
       beugte sich Sheriff Cooper über ihn und fragte: „Warum? Warum dieses
       unschuldige, unbeschriebene Ding?“
       
       Bug spuckte verärgert auf den Boden.
       
       „Habt ihr eine Ahnung, wie das ist, wenn alle nur noch teilen und keiner
       mehr für gute Filme bezahlen will? Ich hasse Youporn, ich hasse die
       Piraten! Sie haben mir meine Existenz geraubt. Ich brauchte das Geld.“
       
       McAfee sah Cooper fragend an: „Was sollen wir mit ihm anstellen, Sheriff?“
       
       „Dauerhaft unter Quarantäne stellen“, erwiderte Cooper.
       
       In diesem Moment riss sich Bug los, griff in seinen Mantel und zog einen
       Revolver. Doch Cooper erlaubte sich keine Sicherheitslücke. Er war der
       schnellste Schütze im ganzen Valley und machte kurzen Prozess. Bug war
       sofort tot. Cooper steckte die Waffe zurück und verließ das Gebäude. Er
       hatte noch eine Verabredung, Georgia wartete auf ihn. Sie war seine süße
       Belohnung in schwierigen Zeiten. Allein beim Gedanken an sie musste er fett
       grinsen. Hoffentlich würde er dieses Mal keinen Hardwarefehler haben.
       
       Zur Sicherheit beschloss Sheriff Cooper auf dem Weg einen Stopp bei Doc
       Norton einzulegen, zum Touchscreening. Er wollte Georgia auf keinen Fall
       erneut enttäuschen, schließlich war sie seine einzige
       Helligkeitseinstellung in dieser digitalen Einöde.
       
       22 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Stickling
       
       ## TAGS
       
   DIR Jupp Heynckes
   DIR Drohnen
   DIR Suhrkamp
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Finger, Wunden, Blut
       
       Neue Erkenntnisse aus der Leckforschung: Vor einigen Jahrhhunderten war
       Lecken für den Menschen noch so bedeutsam wie Sehen, heute wird es
       tabuisiert.
       
   DIR Die Wahrheit: Genosse Jupp
       
       Heute will Jupp Heynckes kundtun, was er künftig macht. Die Wahrheit weiß
       es schon jetzt: Steinbrücks Kompetenzteam ruft.
       
   DIR Die Wahrheit: „Liebes deutsches Volk …“
       
       „Deutschland wird nicht in Wembley verteidigt!“ Jetzt spricht der Euro
       Hawk! Persönlich. Ehrlich. Schonungslos. Der offene Brief einer Drohne.
       
   DIR Die Wahrheit: 48 Sekunden Suhrkamp
       
       Einen Tag geopfert, um nach Augenblicken wieder nach Hause geschickt zu
       werden. Der Fall Suhrkamp hat auch mich viel Kraft gekostet.