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       # taz.de -- Die Wahrheit: Gerechtigkeit ist ein Knoblauchzopf
       
       > Zum Glück tauchte Rudi, der Blödmann, nur selten im Café Gum auf – denn
       > wenn er dort auftauchte, war der Abend im Nu ruiniert.
       
       Zum Glück tauchte Rudi, der Blödmann, nur selten im Café Gum auf – denn
       wenn er dort auftauchte, war der Abend im Nu ruiniert. Ich hatte miterlebt,
       wie alte Stammgäste sich Sekunden nach seinem Erscheinen plötzlich vehement
       über die Biertemperatur oder den schlechten Service von Pete, dem Gumwirt,
       beschwerten, und einmal hatte es sogar eine echte Saloonschlägerei gegeben.
       
       Hinterher konnte keiner den Grund für die Hauerei mehr benennen, doch Pete
       meinte, dass Raimund, Theo und ich ihn mit Bemerkungen über verblasste
       Eichstriche auf den Gläsern provoziert hatten, weshalb er uns zwei Monate
       Gum-Verbot aufbrummte und wir fast an sozialer Verödung eingingen.
       
       Also seufzte ich hörbar, als Rudi zu uns an die Theke trat. „Na, Jungs“,
       sagte er, „seid ihr auch sicher, dass der Herd zu Hause aus ist?“ Er
       grinste, und ich hatte schon wieder das Bild einer Schlägerei vor Augen, an
       deren Ende der Oberschurke geteert und gefedert wurde. Raimund indes sagte:
       „Oha, der Herd, hm …“, weshalb Rudi noch breiter grinste. „Grässlich, diese
       Ungewissheit, nicht?“, sagte er: „Ich kenne das. Aber mich wird sie nie
       wieder quälen: Denn ich habe die Zuhause-App!“
       
       Er zog sein Handy hervor und tippte darauf herum. Dann rief er: „Ta-taa!“,
       und auf dem Display stand: „Gasherd aus.“ – „Boah!“, staunte Raimund:
       „Könntest du vielleicht auch kurz gucken, ob mein Herd …“ – „Leider nicht“,
       sagte Rudi gönnerhaft, „aber ich kann bei mir in der Wohnung das Licht
       anknipsen!“ – „Toll“, sagte Theo gelangweilt, „und warum soll das Licht
       brennen, wenn du gar nicht da bist?“ – „Um Einbrecher fernzuhalten.“ –
       „Einbrecher, aha. Und welche Wertgegenstände könnten die bei dir klauen?“ –
       „Zum Beispiel die Minikameras, die ich in den Zimmern angebracht habe!“
       
       Wir betrachteten mit ihm Videobilder aus seiner hell erleuchteten Wohnung.
       Am Ende sahen wir den Herd, auf dem ein Topf stand. „Und nun“, sagte Rudi,
       „mache ich schon mal die Suppe warm, damit sie gleich, wenn ich nach Hause
       komme, heiß ist!“ Er tippte auf den Bildschirm, doch statt des Brenners
       unter dem Topf entzündete er eine der hinteren Flammen. „Ups, kleine
       Verwechslung“, kicherte er und fingerte wieder auf dem Gerät herum.
       
       Die Flamme aber wuchs nur weiter, und plötzlich loderte auch der
       Knoblauchzopf, der neben dem Herd hing, hell auf. „Jessas!“, keuchte Rudi,
       und ich sagte: „Eine Sprinkleranlagen-App wäre jetzt gut!“ Doch ihm war das
       Grinsen vergangen, er drückte nur hektisch auf dem Display herum, hielt
       sich den Apparat ans Ohr, rief mehrfach: „Hallo? Feuerwehr? Hören Sie mich
       denn nicht?!“, und rannte schließlich kreischend davon.
       
       Wir jedoch standen noch lange an der Theke, lauschten den Martinshörnern
       draußen und freuten uns, dass ein Abend, an dem Rudi, der Blödmann, im Café
       Gum auftauchte, zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die
       schönste aller möglichen Wendungen genommen hatte, wenn man davon absah,
       dass Raimund uns auf die Nerven ging, weil er sich ständig fragte, ob er
       nicht doch kurz nach Hause gehen und nach seinem Herd gucken solle.
       
       19 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Joachim Schulz
       
       ## TAGS
       
   DIR Brand
   DIR Alfred Hitchcock
   DIR Reichtum
       
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