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       # taz.de -- Grünen-Parteitag: Ein bescheidener Sieg
       
       > Berlins Grüne wählen die Bundestags-Fraktionschefin zur
       > Spitzenkandidatin. Mutlu und Otto auf sicheren Plätzen
       
   IMG Bild: Glückliche GewinnerInnen: Renate Künast und Özcan Mutlu.
       
       Die Grünen im Abgeordnetenhaus müssen ab Herbst auf zwei wichtige Kräfte
       verzichten: Der Bildungspolitiker Özcan Mutlu und der Bauexperte Andreas
       Otto wechseln in den Bundestag. Ein Landesparteitag wählte beide am Samstag
       auf als sicher geltende Listenplätze für die Wahl am 22. September. Michael
       Schäfer, als Energiepolitiker eine weitere zentrale Figur der Fraktion,
       verpasste einen aussichtsreichen Platz nur knapp. Spitzenkandidatin und
       Nummer eins der Liste wurde Renate Künast – zum vierten Mal hintereinander,
       aber mit ihrem bisher schwächsten Ergebnis: 73 Prozent.
       
       Durch ihre Landeslisten besetzen Parteien Mandate, wenn sie über die
       Zweitstimmen mehr Sitze gewinnen als Wahlkreise über die Erststimme. Für
       die Grünen hat die Liste besondere Bedeutung, weil sie bislang bundesweit
       nur je einen Bundestagssitz direkt gewinnen konnten: in
       Friedrichshain-Kreuzberg. Die guten aktuellen Umfragewerte, die zu
       erwartenden Duelle und die bundesweite Spitzenkandidatin Katrin
       Göring-Eckardt als Gastrednerin zogen über 800 Grüne zur
       Mitgliederversammlung ins „Kosmos“ an der Karl-Marx-Allee, einst der größte
       Kinosaal der DDR.
       
       Dort konnte sich Mutlu in einer engen Entscheidung um Listenplatz 2 mit
       47,8 zu 46,2 Prozent gegen Otto durchsetzen. Der sicherte sich stattdessen
       wenig später gegen drei Mitbewerber Platz 4. Bei den Grünen können sich
       Männer nur um gerade Listenplätze bewerben, Frauen hingegen für alle.
       Zwischen Mutlu und Otto konnte sich Lisa Paus behaupten, die schon im
       September 2009 von Listenplatz 3 aus in den Bundestag einzog.
       
       Damals kamen die Berliner Grünen auf zuvor unerreichte 17,4 Prozent,
       erkämpften vier Sitze in der Bundestagsfraktion und verpassten einen
       fünften nur knapp. In der jüngsten Wahlumfrage liegen sie mit 21 Prozent
       deutlich besser: Sogar sechs Sitze scheinen nun möglich. Deutlich
       vergrößert – um mehr als ein Viertel – hat sich seither auch die
       Mitgliederzahl des Landesverbands: Waren es vor vier Jahren rund 4.100, so
       haben die Hauptstadt-Grünen inzwischen über 5.400 Mitglieder.
       
       So knapp es zwischen Mutlu und seinem Fraktionskollegen Otto auch zuging
       mit 418 zu 406 Stimmen – es war nichts gegen die Spannung bei Platz 6 der
       Liste. Der Energiepolitiker Schäfer trat hier gegen den früheren
       Abgeordneten und Ex-Grüne-Jugend-Chef Stefan Ziller an. In zwei Wahlgängen
       lag Schäfer vorn, erreichte aber nicht die nötige absolute Mehrheit. Im
       nächsten Durchgang entfielen auf jeden der beiden 282 Stimmen, bis es beim
       vierten Mal schließlich 288 zu 287 zugunsten Zillers stand.
       
       Nicht auf der Landesliste steht Hans-Christian Ströbele, der erneut nur als
       Direktkandidat im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg antritt und auf seinen
       vierten Sieg in Folge zusteuert – 2009 erhielten die drei hinter ihm
       platzierten Kandidaten von Linkspartei, SPD und CDU zusammen weniger
       Stimmen als Ströbele allein. Geht es nach Özcan Mutlu, ist am 22. September
       Schluss mit diesem Alleinstellungsmerkmal als Deutschlands einzigem grünem
       Direktmandat: Er will für die Partei auch den seit 1994 von der SPD
       beherrschten Wahlkreis Mitte gewinnen. Mutlu, der lange in Kreuzberg für
       das Landesparlament kandidierte, sagt es nicht öffentlich, aber für ihn
       wäre es eine Genugtuung gegenüber den Kreuzberger Grünen, von denen er sich
       weggemobbt fühlt.
       
       Und so wippte der Politiker sichtlich beschwingt im Vorraum des Kosmos von
       einem Fuß auf den anderen, genoss den Erfolg und die vielen Glückwünsche
       für Listenplatz 2. Ein paar Meter entfernt stand Künast vor einer
       ZDF-Kamera, äußerte sich zu den jüngsten Entwicklungen im
       Pferd-statt-Rind-Skandal, kritisierte dies, forderte das. Lief sich da eine
       warm für eine Rückkehr in ihr altes Amt als Verbraucherschutzministerin?
       
       Drinnen im Saal hatte jemand nach ihrer Bewerbungsrede wissen wollen, ob
       sie ihr Bundestagsmandat aufgibt, falls sie Ministerin wird. Man müsse den
       Bären erst mal jagen, bevor man sein Fell verteilen kann, so die
       ausweichende Antwort. Vom eigenen schlechten Wahlergebnis will sie sich
       nicht beeindrucken lassen. Wie sie sich denn ihre mageren 73 Prozent
       erkläre, wollten Journalisten wissen. „Das versuche ich mir gar nicht zu
       erklären“, sagte Künast, „ich schaue nach vorn und mache Wahlkampf.“
       
       17 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Grüne
       
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