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       # taz.de -- Produktionsbedingungen beim Film: Arbeiten am Limit
       
       > Überlange Arbeitstage, dauernde Erreichbarkeit, keine Zeit fürs
       > Privatleben: Filmschaffende arbeiten an der Grenze zum Zusammenbruch.
       
   IMG Bild: Scheinwerfer beim Dreh: Die Arbeitsbedingungen für Filmschaffende sind meist strapaziös.
       
       BERLIN taz | Besser als so mancher „Tatort“ – so lautete Ende Januar die
       Kritik zur „Polizeiruf 110“-Folge „Der Fischerkrieg“. Doch vorbildlich war
       bei dem Film nicht nur die Story, sondern auch die Herstellung: Der
       „Fischerkrieg“ erhielt auf der Berlinale jetzt den Preis
       „Hoffnungsschimmer“ für die fairsten Produktionsbedingungen.
       
       Das Lob hat es in sich. Denn der undotierte Preis, den die
       Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände seit drei Jahren verleiht,
       ist ein Protest gegen die beinharten Arbeitsbedingungen der rund 50.000
       Schauspieler, Maskenbildner, Kameramänner und Beleuchter – und die
       permanente Umgehung der gesetzlichen und tariflichen Vorschriften.
       
       Schon die tariflich mit Verdi vereinbarte maximale Tagesarbeitszeit beträgt
       13 Stunden. In Ausnahmefällen, zum Beispiel aufgrund höherer Gewalt oder
       bei aufwändigen Kostümfilmen, darf aber auch länger gearbeitet werden. Der
       Filmschaffende muss außerdem jederzeit kurzfristig erreichbar sein, an ein
       Privatleben ist kaum zu denken: Er hat sich „an jedem gewünschten
       Arbeitsort“ einzufinden.
       
       Die Realität aber sieht noch schlechter aus. Filmschaffende, die auf keinen
       Fall mit Namen und Beruf in der Zeitung stehen wollen, weil sie sonst keine
       Aufträge mehr bekommen, berichten, wie die Vorschriften umgangen werden.
       „Der gesetzte Drehschluss wird nie eingehalten“, sagt ein Mitarbeiter.
       „Üblich ist die doppelte Buchführung bei den Stunden.“ Das erschwert die
       Kontrollen durch die Landesämter für Arbeitsschutz, die für die Einhaltung
       von Arbeitszeiten zuständig sind.
       
       Häufig werden auch die vorgeschriebenen Ruhezeiten von mindestens 11
       Stunden unterschritten – oder die tariflichen Zuschläge für Überstunden
       oder Arbeit am Feiertag werden nicht abgerechnet. „Mehr als ein halbes Jahr
       Filmemachen ist physisch nicht machbar“, sagt ein Filmschaffender, der seit
       Jahren im Geschäft ist.
       
       ## Drehtage sind kräftig reduziert worden
       
       Die Produzenten kennen die Klagen. „Filmemachen ist Leidenschaft,“
       verteidigt Alexander Thies, Vorsitzender der Produzentenallianz, die über
       200 Produzenten vertritt, die Bedingungen. Allerdings stecken auch die
       Produzenten in einer schwierigen Situation: So sind die mit den Geldgebern
       vereinbarten Drehtage für Filme kräftig reduziert worden – gab es früher
       für einen „Tatort“ 40 Tage Drehzeit, sind es heute höchstens 22, bei
       gestiegenen Ansprüchen. Und der finanzielle Spielraum ist klein. „Wenn ein
       Film 1,3 Millionen Euro kosten soll, es aber regnet und man nicht drehen
       kann, werden daraus schnell 1,4 Millionen Euro. Das Risiko muss ich
       tragen“, sagt die Produzentin Regina Ziegler.
       
       Zudem werde oft gut gezahlt: „Kameramänner oder Beleuchter wollen oft mehr
       als das, was im Tarifvertrag steht. Und wenn ich sie haben will, muss ich
       das auch zahlen.“ Sie plädiert dafür, über Koproduktionen mehr Geld
       einzuwerben.
       
       ## Kein Geld für Vorsorge
       
       Tatsächlich sind die Gagen und Löhne in der Branche nicht schlecht, würden
       alle Überstunden auch bezahlt. Laut Verdi-Filmunion, der größten
       Gewerkschaft für die Branche, reicht das Geld bei wenigen Produktionen im
       Jahr aber oft nicht aus, um die freien Monate zu finanzieren oder für das
       Alter vorzusorgen. Viele Filmschaffende fahren deswegen zweigleisig – nach
       einer Produktion holen sie sich bis zum nächsten Einsatz Geld von der
       Arbeitsagentur. Das gelingt aber nur denen, die die scharfen Bedingungen
       dafür erfüllen.
       
       Verdi fordert deshalb, dass hier die staatliche Filmförderung künftig
       eingreift. Mit der für 2014 geplanten Novellierung des Filmfördergesetzes
       soll wenigstens transparent werden, wer von den Produzenten tarifgebunden
       ist. Mehr geht kaum: Eine gesetzliche Vorschrift, Tarifverträge
       einzuhalten, haben Gerichte nämlich schon als unzulässig abgewiesen.
       
       Dass es jetzt schon anders geht, zeigt der verliehene Preis für den
       „Fischerkrieg“. Mehr Geld und Zeit hat es nicht gekostet, die Vorschriften
       einzuhalten, sagt „Fischerkrieg“-Produktionsleiter Mathias Mann.
       „Entscheidend sind die Vorgaben, etwa ein gutes Drehbuch.“ Wichtig sei
       zudem, dass der Regisseur passe. „Es darf nicht zu einem Kampf zwischen
       Produktionsleitung und Regie kommen.“ Dann verschwindet er freudestrahlend
       mit seiner kleinen Film-Trophäe zum Empfang für sein Team.
       
       18 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maike Rademaker
       
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