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       # taz.de -- Kolumne Halleluja: Heilige Pflöcke einrammen
       
       > Die christlichen Konkurrenten planen Großes, um ihr ramponiertes Image
       > aufpolieren. Mit üppigen Zuschüssen vom Staat darf gerechnet werden.
       
   IMG Bild: Immer optimistisch bleiben: Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki am Tag nach dem Papst-Rücktritt am 11. Februar 2013.
       
       Heftig schwankt das „Schifflein Petri“ (Benedikt XVI.) im Wellengang der
       Zeit. Päpste kommen und gehen, neuerdings sogar in den Ruhestand und ohne
       zu fragen. Das Glaubensangebot wird immer unübersichtlicher. Alles eine
       einzige Talkshow. Die Christenheit, auch die protestantische, sucht
       händeringend nach Orientierung, mal abgesehen von den Hunderttausenden, die
       Jahr für Jahr den Weg zum Ausgang finden.
       
       Es müssen Zeichen gesetzt werden. Und da hat jeder so seine Methode. Rainer
       Maria Woelki, Hüter der römischen Herde, versucht es mit akademischem
       Rennomee. Ausgerechnet die gottlose Großstadt will der Kardinal durch
       Ansiedlung einer katholischen Hochschule zum Produktionsstandort ewiger
       Wahrheiten machen. Es ist ja auch höchst ungerecht: Während an der
       Humboldt-Uni eine ganze Fakultät lutherische Gottesmänner und -frauen
       produziert, ja sogar einen „Universitätsprediger“ hat, gibt es für die
       Konkurrenz nur ein klitzekleines theologisches Seminar an der Dahlemer FU.
       Eine gewisse Annette Schavan ist dort Honorarprofessorin.
       
       Woelki hat schon einen Plan: Er will die Theologische Hochschule Vallendar
       vom Rhein an die Spree verpflanzen. Sie brächte rheinländisches
       Frömmigkeits-Know-how mit und böte endlich die Möglichkeit zur Promotion
       und Habilitation in den undurchdringlichen Angelegenheiten des Himmels.
       
       Evangelischerseits hat man’s nicht so sehr mit der Frömmigkeit, ist aber
       traditionell nah dran an der weltlichen Macht. Einer, der hier Chancen
       sieht, einen weithin sichtbaren heiligen Pflock einzurammen, ist Berlins
       Altbischof Wolfgang Huber.
       
       Von diesem Dauermedienmann hört man in letzter Zeit nicht mehr so viel,
       aber er ist auf dem besten Wege, sich ein 88,43 Meter hohes Denkmal zu
       setzen: indem er – als streitbarer Kuratoriums-Chef der verantwortlichen
       Stiftung – den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche vorantreibt. Jenes
       dem Ulbricht’schen Ordnungswahn zum Opfer gefallenen Gebäudes, an dem nicht
       nur der schwarzbraune Dreck des „Tags von Potsdam“ klebte, sondern das von
       Anfang an für die preußische Verquickung von Staat, Militär und Religion
       stand. Etwas unfreundlicher ausgedrückt: von Gewalt und Glaube.
       
       ## Königsgruft mufft
       
       Auch in Potsdam finden viele Menschen, dass niemand einen Pilgerort
       braucht, dessen Klinke sich Hohenzollern-, Hindenburg- und Hitler-Fans in
       die Hand geben. Restaurator Huber dagegen schon – wobei er das natürlich
       anders formuliert: Es gebe „keinen kirchlichen Ort in der Bundesrepublik,
       in dem man eine verantwortliche Auseinandersetzung mit unserer Geschichte
       so intensiv praktizieren kann wie in der Garnisonkirche“, behauptete er
       zuletzt in einem Tagesspiegel-Interview. Soll wohl heißen: Erst wenn die
       Königsgruft wieder mufft, erst wenn man wieder dort stehen kann, wo vor 80
       Jahren der Führer ans goldene Lesepult trat, erst dann sollen wir so
       richtig ins Reine kommen mit unserer Vergangenheit. Wer’s glaubt.
       
       Huber ist jedenfalls wild entschlossen und rechnet mit üppigen Zuschüssen
       vom Staat, wenn der Spendenwille der Bürger erlahmt. Er wird sie bekommen:
       Bis sich in dieser Hinsicht etwas ändert, dürften noch ein paar Päpste
       kommen und gehen.
       
       17 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prösser
       
       ## TAGS
       
   DIR Potsdam
       
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