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       # taz.de -- Elektropop von Tegan & Sara: Goodbye Indierock
       
       > Das Duo Tegan & Sara veröffentlicht ein Elektropop-Album. Mit
       > „Heartthrob“ zeigen die Zwillingsschwestern, dass sie reifer geworden
       > sind.
       
   IMG Bild: Das Experimentieren ist Geschichte: Tegan & Sara
       
       Tegan & Sara sind als Duo unzertrennlich. Das galt jedenfalls bisher. Auf
       ihrem neuen Album [1][„Heartthrob“] haben die beiden kanadischen
       Zwillingsschwestern nun Trennung als großes Thema entdeckt.
       
       Und das gleich aus zwei verschiedenen Perspektiven: die der Verlassenen und
       die der Verlassenden. Letztere kann als attraktive Herzensbrecherin
       betrachtet werden, die diverse Phasen durchmacht. Zunächst ist ihr Umfeld
       über ihre Entscheidung enttäuscht, dann erteilt sie einer Freundschaft mit
       der Ex eine Absage und lernt jemand Neues kennen.
       
       Auch die andere Person durchläuft typische Trennungsstadien. Angefangen bei
       der ohnmächtigen Wut in „Goodbye, Goodbye“, der tieferen Reflexion über die
       Beziehung, der Eifersucht auf die neue Flamme der Ex bis hin zum
       Gefühlschaos und dem abschließenden Appell zum Aufschwung mit dem Finale
       „Shock To Your System“ sind alle Etappen abgedeckt.
       
       ## Weg vom braven Indierock
       
       Schon das Vorgänger-Album „Sainthood“ (2010) ließ die musikalische
       Weiterentwicklung von Tegan Rain und Sara Kiersten Quin erahnen: Mit der
       Kombination aus Folkrock und elektronischen Klangelementen deuteten sie an,
       dass sie weg wollten von ihrem Image als gutes sauberes Indie-Duo.
       
       Für „Sainthood“ schrieben Tegan & Sara auch zum ersten Mal gemeinsam an den
       Songs – vorher steuerten die beiden Schwestern unabhängig voneinander
       jeweils Kompositionen zu den Alben bei. Die Meinungen der Fans gingen
       auseinander, nicht alle fanden Gefallen an dem zunehmenden
       Elektropop-Anteil in der Musik.
       
       Nun also „Heartthrob“, ein Album, für das das das Duo kein Iota von der
       eingeschlagenen Richtung abgewichen ist. Was reimt sich auf Herz? Schmerz
       kennen die Songs von Tegan & Sara nur zu gut: Man denke an „Call It Off“
       und „Nineteen“ vom Album „The Con“ und „Where Does The Good Go“, einem
       finsteren Cut von „So jealous“, der es auch in die TV-Serie „Grey’s
       Anatomy“ geschafft hat. Eine dunkle Melancholie und markante Gesangsstimmen
       definieren all diese Titel.
       
       ## Ende der Turbulenzen
       
       Früher ging es in den Texten von Tegan & Sara eher um typische
       Teenager-Themen, um Selbstfindung, Liebe und um die Fügung in das
       Schicksal. Der offene Umgang mit ihrer Homosexualität zeigte sich sowohl in
       den Texten als auch in ihrem sozialen Engagement. So unterstützen Tegan &
       Sara Kampagnen für die Rechte von homo-, bi- und transsexuellen Menschen.
       
       Tegan & Sara waren immer für einen Hit gut. Auf dem neuen Werk „Heartthrob“
       gibt es ein solch offensichtliches Lied nicht, vielmehr hängen die Titel
       miteinander zusammen und fügen sich zu einem Ganzen.
       
       In diesem Konzept steckt viel Raum für optimistische Emotionen: In der
       Singleauskopplung „Closer“ steht die Suche nach körperlicher Nähe im
       Zentrum, die Entwicklung zur Romanze in „Drove Me Wild“ und schließlich der
       Höhepunkt in der Liebeshymne „Love They Say“. Die neuen Gefühle sollen die
       alten Wunden reinigen.
       
       ## Schritt für Schritt Richtung Mainstream
       
       Musikalisch beweisen die beiden Schwestern auf ihrem neuen Album vor allem
       eins: Mut. Trotz kritischer Reaktionen auf ihre Kollaborationen mit
       DJ-Künstlern wie Tiësto, David Guetta oder Morgan Page lassen sie sich
       genau diese Einflüsse anmerken, steigern das Tempo weiter, erhöhen die
       Tanzbarkeit der Songs und driften textlich stärker an die Oberfläche.
       
       Hand aufs Herz: Tegan & Sara sind jetzt Chartsmaterial, doch ist nicht
       jeder Schritt in Richtung Mainstream automatisch ein falscher. Die gewohnt
       eingängigen Gitarren- und Keyboardhooks wurden schließlich nicht ersetzt,
       sondern um sinnvolle Beats und Instrumente ergänzt.
       
       Im Lichte des Gesamtwerks betrachtet, vervollständigt „Heartthrob“ sowohl
       die Entwicklung zweier junger Musikerinnen als auch die Turbulenzen ihres
       Seelenlebens – denn in der Zeitspanne zwischen 1998 bis 2013 sind
       Veränderungen unabdingbar: Tegan & Sara sind in der Zwischenzeit erwachsen
       geworden.
       
       Das Konzept von „Heartthrob“ geht perfekt auf, der Albumtitel passt in jede
       Auslegung: Es geht sowohl ums Herzklopfen als auch um die Verblendung durch
       Liebe und die Beziehung mit einem Mädchenschwarm.
       
       Mögliche Trennungsschmerzen werden durch das Hören in der Dauerschleife
       übrigens ungemein gelindert, und das gilt für beide Leidtragende –
       versprochen.
       
       14 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.warnermusic.de/teganandsara/news/
       
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