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       # taz.de -- Arbeitszeitverkürzung und Lohnausgleich: Weniger arbeiten? Ja, aber ...
       
       > Ein Bündnis aus Prominenten fordert, wieder über Arbeitszeitverkürzung zu
       > reden. Die Reaktionen darauf? Verhalten – auch bei den Gewerkschaften.
       
   IMG Bild: Arbeitszeiterfassungv – egal ob 30 oder 35 Stunden
       
       BERLIN taz | Der Aufruf von über 100 Prominenten für eine 30-Stunden-Woche
       bei vollem Lohnausgleich sorgt bei Gewerkschaften und Verbänden für
       zwiespältige Reaktionen.
       
       Im Arbeitgeberlager sprach Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des
       Deutschen Industrie- und Handelskammertags, von einem „Griff in die
       Mottenkiste“. Damit würden Arbeitsplätze vernichtet. Uneinheitlicher fiel
       die Reaktion bei den Gewerkschaftsspitzen aus.
       
       Über 100 Wissenschaftler, einzelne Mitglieder aus den Gewerkschaften und
       Oppositionsparteien hatten sich in einem offenen Brief für eine
       gesamtgesellschaftliche Debatte über eine Arbeitszeitverkürzung für alle
       bei vollem Lohnausgleich ausgesprochen. Sie wollen so die Arbeitslosigkeit
       reduzieren und die Arbeit besser verteilen.
       
       Bekäme man langfristig mehr Menschen in Jobs, wäre zudem die
       Verhandlungsmacht der Beschäftigten gestärkt, so das Kalkül. Ohne ein
       großes Heer von Arbeitslosen wären Lohnsteigerungen einfacher zu
       erstreiten.
       
       Die Unterzeichner des Briefs gehen von sechs Millionen Arbeitslosen aus.
       Sie führen neben den offiziell Arbeitslosen (rund drei Millionen) auch drei
       Millionen unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte auf. Viele von ihnen würden,
       das zeigen Studien, gern auf 30 Stunden pro Woche aufstocken.
       
       ## Bewusstsein schaffen
       
       Grundsätzlich können sich etliche Gewerkschaften mit dem Vorstoß
       anfreunden. „Wir müssen Bewusstsein dafür schaffen, dass bei steigender
       Produktivität geringere Arbeitszeiten möglich sind“, sagte IG-Bau-Chef
       Klaus Wiesehügel.
       
       Und die Gewerkschaften Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Erziehung und
       Wissenschaft (GEW) sowie Ver.di betonten, dass die Arbeitszeit-Diskussion
       nie aus der innergewerkschaftlichen Debatte verschwunden sei.
       
       Aber die NGG gibt auch zu bedenken: „Seit zehn Jahren befinden wir uns in
       einer ,Abwehrschlacht‘. Eine kollektive Arbeitszeitverkürzung kann zwar
       wissenschaftlich wohl begründet sein, geht aber an der betrieblichen
       Wirklichkeit mit einem immer weiter ausufernden Niedriglohnsektor vorbei“,
       sagte Claus-Harald Güster, Vizechef der NGG.
       
       ## IG Metall schweigt
       
       Bei der größten Einzelgewerkschaft, der IG Metall, wollte man sich zum
       Vorschlag hingegen nicht äußern. Dort fasst man das Thema seit dem
       misslungenen Streik für die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland 2003 nur
       noch mit spitzen Fingern an.
       
       Auch andere Akteure, an die sich der Brief wendet, hielten sich bedeckt. So
       wollten sich der Bund für Umwelt und Naturschutz, aber auch die katholische
       Bischofskonferenz nicht äußern.
       
       Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband befand dessen Hauptgeschäftsführer
       Ulrich Schneider: „Eine Verkürzung der Arbeitszeit hat derzeit keine
       Priorität.“ Es gehe vielmehr um auskömmliche Entlohnung, Entfristung und
       soziale Sicherheit.
       
       Anders sah das Ulrike Mascher. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK
       sagte: „Die gerechte Verteilung der Arbeit und der Arbeitszeit zwischen
       Männern und Frauen sowie Jungen und Alten muss wieder auf die
       Tagesordnung.“
       
       12 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Völpel
       
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