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       # taz.de -- Geschäft mit Honorarprofessuren: Alles reine Ehrensache
       
       > Ein Fall aus dem Bildungsministerium zeigt, wie problematisch das
       > Geschäft mit Honorarprofessuren ist. Schavan stand diesem System vor.
       
   IMG Bild: Ob reguläre oder Honorarprofs – im Hörsaal müssen sich StudentInnen vieles anhören.
       
       BERLIN taz | Annette Schavan ist ihr Amt los. Am Samstag musste sie gehen.
       Die Ministerin ist über eine Schwäche gestolpert, die ihr niemand zugetraut
       hätte. Eine Schwäche für Titel. Man kann diese Schwäche sehr gut mit
       Wolf-Dieter Lukas erklären. Man muss es sogar.
       
       Wolf-Dieter Lukas ist ein patenter Mensch. Eloquent, erfrischend, wach. Der
       Mann mit dem rötlich schimmernden Haar ist einer der wichtigsten Männer in
       dem Ministerium, dass Annette Schavan bis zum Samstag geführt hat. In der
       Hierarchie über dem Abteilungsleiter stehen nur noch: vier Staatssekretäre
       und der Ministerposten. Wolf-Dieter Lukas steht aber auch für ein Problem.
       
       Denn aus der Abteilung von Schavans Abteilungsleiter Lukas flossen
       Millionenbeträge an ein Institut der Technischen Universität Berlin. Diese
       bedachte den leitenden Ministerialbeamten wiederum mit einer besonderen
       Ehre – und machte ihn zum Honorarprofessor. Sein Fall zeigt, wie lässig der
       Umgang mit Titeln in Deutschland gehandhabt wird. Das Bildungsministerium
       selbst förderte diese Praxis. Allen voran: Annette Schavan.
       
       ## Abteilung 5
       
       Ein Hochhausgebäude, 15. Stock, am Ernst-Reuter-Platz in Berlin. Wer sich
       im „Showroom" des DAI-Labors, jenem Institut an der TU Berlin, umschaut,
       ist schnell zu überzeugen. Die intelligente Küchenzeile, das SmartBike, der
       Androlyzer, kurz: die innovativen Produkte, die hier präsentiert werden,
       wirken wie ein lohnender Ausblick in die Zukunft.
       
       Es gibt eine Abteilung im Bundesbildungsministerium, die viel Geld in diese
       Innovationen gesteckt hat. Abteilung 5.
       
       Wolf-Dieter Lukas leitet diese Abteilung seit 2005. Verschiedene Referate
       unter ihm haben Projekte des Instituts in seiner Zeit als Chef mit über 8
       Millionen Euro gefördert. Mal flossen 347.767 Euro für ein Projekt – eine
       stattliche Summe, über die sich viele Forscher freuen würden. Mal, wie in
       dem Projekt mit der Kennziffer 16KT0907, Projektstart 2009, waren es gleich
       über 2,7 Millionen Euro. Vielleicht floss dieses Geld völlig zu Recht. Wer
       weiß das schon.
       
       Im Februar 2010 passierte dann etwas Außergewöhnliches: Die Universität,
       die von den Zuwendungen profitierte, machte den verantwortlichen
       Abteilungsleiter zum Honorarprofessor an der eigenen Institution. Dabei
       sind nach dem Berliner Landeshochschulgesetz an die Berufung zum
       Honorarprofessor die gleichen Kriterien anzulegen wie bei der Berufung auf
       reguläre Professuren. Welche Leistungen das bei Lukas sein sollten, ist
       unklar. Wissenschaftlich hervorgetan hat er sich jedenfalls nicht in
       besonderer Weise. Die Gutachten, die seiner Ernennung zu Grunde liegen,
       sind – natürlich – geheim.
       
       ## Kein Bewilligungsbescheid abgezeichnet
       
       Fakt ist: Wer Wolf-Dieter Lukas kontaktieren will, kann sich entscheiden,
       ob er dessen Mailadresse im Ministerium anschreiben will – oder die am
       DAI-Labor der TU Berlin. Fakt ist auch: Wenige Monate nach seiner Ernennung
       zum Honorarprofessor liefen am DAI-Labor zwei neue Projekte an, für die
       Lukas Abteilung große Summen bewilligte. Für ein Forschungsvorhaben gab das
       Bildungsministerium 1.365.506 Euro, für ein anderes 1.465.366 Euro.
       Laufzeitbeginn war jeweils der 1. September 2010, also einige Monate nach
       seiner Ernennung zum Honorarprofessor.
       
       Wer nun aber in Annette Schavans Ministerium nachfragte, erfuhr: Ein
       Zusammenhang? Hier? Nicht doch!
       
       Im Gegenteil. Schavans Sprecher beschwichtigte gegenüber der taz: „Anträge
       der TU Berlin auf Bewilligung von Fördermitteln werden in gleicher Weise
       nach sachlichen Kriterien bearbeitet und beschieden wie die
       Bewilligungsanträge aller anderen Antragsteller.“ Seit seiner Ernennung zum
       Honorarprofessor habe Lukas keinen Bewilligungsbescheid an die TU Berlin
       abgezeichnet, sagte ein Sprecher.
       
       Das dürfte stimmen – denn für die konkreten, operativen Zuwendungen ist
       schließlich nicht Lukas selbst verantwortlich, sondern seine Untergebenen.
       
       ## Anschein korrupten Verhaltens
       
       Doch kann ein Unterabteilungsleiter, kann ein Referent in einem Ministerium
       unbefangen über Zuwendungen entscheiden, wenn die Beziehungen des
       Abteilungsleiters zu einem Institut so eindeutig sind?
       
       Für Timo Lange von der Organisation Lobbycontrol ist eindeutig: „Dass die
       Verleihung eines solchen Titels in zeitlichem Zusammenhang mit
       Geldzuweisungen aus dem Ministerium zu einem Interessenkonflikt führt, ist
       klar. Das hört sich nach einem Dankeschön an.“ Und weiter sagt Lange: „Es
       hätte im Verantwortungsbereich der Ministerin Annette Schavan gelegen,
       dafür zu sorgen, dass der Anschein korrupten Verhaltens in ihrem Hause
       vermieden wird.“
       
       Unter Schavans Führung hörte sich das aus dem Ministerium dagegen ganz
       anders an. Bezogen auf den Fall Lukas sagte ein Sprecher der taz, das
       Ministerium habe ein ausdrückliches Interesse daran, dass seine Beamten
       Praxiserfahrungen sammelten und einen engen Draht zu wissenschaftlichen
       Institutionen hielten.
       
       Und das ist die Stelle, die aus dem Fall Lukas einen Fall Schavan macht.
       
       Denn welcher Unfug im Zusammenhang mit der Vergabe von Honorarprofessuren
       in Deutschland betrieben wird, ist seit Langem kein Geheimnis mehr. Im
       Allgemeinen geht es dabei um Nettigkeiten, Gefälligkeiten,
       Landschaftspflege.
       
       ## Aus Sponsoren werden Professoren
       
       Die Öffentlichkeit reagierte etwa empört, als die Universität Frankfurt den
       ehemaligen Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann zum Honorarprofessor erklären
       wollte – das hielt die Frankfurter Uni jedoch nicht davon ab. Auch Schavans
       Kollegen ließen sich gerne mit dem Titel würdigen, der, anders als es der
       Name suggeriert, zwar nicht mit einem Honorar, dafür aber mit einem
       ordentlichen Schwung Prestige daher kommt.
       
       Peer Steinbrück etwa übernahm Ende 2011 eine Honorarprofessur für
       Öffentliche Finanzwirtschaft und internationale Finanzpolitik an der Uni
       Leipzig. Und Minister Thomas de Maiziere erhielt erst 2012 eine solche
       Professur an der Technischen Universität Dresden. Oft werden die Titel aber
       auch an unbekanntere Wirtschaftsleute vergeben, manchmal gar, weil diese
       den Universitäten als Sponsoren verbunden sind.
       
       Im Jahr 2009 verwehrte der Wissenschaftsrat der sogenannten „University of
       Management und Communication" in Potsdam gleich die Akkreditierung, weil
       die Institution einen „nicht hinnehmbaren leichtfertigen Umgang mit der
       Berufsbezeichnung 'Professor'“ pflegte, wie der Spiegel seinerzeit
       berichtete.
       
       Viele Wissenschaftler schütteln daher inzwischen die Köpfe, wenn sie hören,
       wer an ihrer Uni wieder mit dem Ehrenprofessorentitel geschmückt werden
       soll. Das Titelspiel um Prestige und Macht – wäre nicht auch die Politik
       gefragt, dem unkontrollierten Treiben Einhalt zu gebieten?
       
       ## Unwesen der Honorarprofessuren
       
       Wie absurd die Gesetzeslage ist, zeigt nun ausgerechnet der Fall aus
       Annette Schavans eigenem Ministerium. Denn obwohl die Arrangements rund um
       die Honorarprofessur selten so dreist sind wie jene Berufung von
       Wolf-Dieter Lukas – dienstrechtlich war sie laut Bundesbildungsministerium
       nicht einmal genehmigungspflichtig. Im Gegenteil: Lukas habe sich, so heißt
       es aus dem Ministerium, vorbildlich verhalten, weil er seine Berufung zum
       Honorarprofessor angezeigt habe, ohne dass dies nötig gewesen sei.
       
       Dass Annette Schavan also ein recht großzügiges Verhältnis zu Titeln
       pflegte, dafür bedarf es gar nicht des Blicks auf ihre Doktorarbeit, die
       sie nun ihr Amt gekostet hat. Auch im Hinblick auf das Unwesen der
       Honorarprofessuren sah sie nie Handlungsbedarf.
       
       Und das ist kein Wunder: Denn Schavan selbst ließ sich 2009, während ihrer
       Zeit als Bildungsministerin, von der Freien Universität Berlin zur
       Honorarprofessorin machen. Nach dem Trubel um ihre Doktorarbeit könnte ihr
       dieser Titel nun allerdings noch abhandenkommen.
       
       Wolf-Dieter Lukas kann seinen Titel dagegen vermutlich noch lange tragen.
       Er ist nur einer der vielen Nutznießer in diesem Spiel um die Titel.
       Annette Schavan war auch eine dieser Nutznießerinnen. Die Flanken – das
       heißt die Grenzen des Erlaubten – hätte Schavan als
       Bundesbildungsministerin markieren können. Sie tat es nicht. Ehrensache.
       
       10 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
       ## TAGS
       
   DIR Schavan
   DIR Doktortitel
   DIR Annette Schavan
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
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