URI: 
       # taz.de -- Kumbh-Pilgerfest in Indien: Die vorläufige Millionenstadt
       
       > Zur Kumbh Mela erwartet die indische Stadt Allahabad am Sonntag 30
       > Millionen Menschen. Die Auswirkungen für die Umwelt könnten verheerend
       > sein.
       
   IMG Bild: Hunderttausende Gläubige und alle wollen in den Ganges.
       
       BERLIN taz | Gläubige Hindus aus aller Welt strömen derzeit in die
       nordindische Stadt Allahabad. Gemeinsam wollen sie beten, feiern und baden.
       Anlass dafür ist die Kumbh Mela, das weltgrößte Pilgerfest. Die
       Organisatoren müssen logistische Meisterleistungen vollbringen, und auch
       die Umwelt leidet unter den Menschenmassen.
       
       Die Wallfahrt findet zwar alle zwölf Jahre in Allahabad statt. Doch nie
       zuvor waren so viele Menschen zu Gast wie in diesem Jahr: Im Verlaufe des
       55-tägigen Festes wird die Stadt über 90 Millionen PilgerInnen beherbergen.
       Allein am Sonntag, dem Hauptbadetag, werden 30 Millionen Gläubige aus
       Indien und vielen anderen Ländern erwartet.
       
       Der Höhepunkt für die PilgerInnen ist das reinigende Bad am Sangam, dem
       Ort, wo die Flüsse Yamuna und Ganges zusammenfließen. Hier verschütteten
       einer Hindu-Legende zufolge Götter und Dämonen bei einem Streit einige
       Tropfen des göttlichen Nektars der Unsterblichkeit. Wer hier badet, kann
       seine Seele reinwaschen und mit positiven Auswirkungen auf die Wiedergeburt
       rechnen.
       
       Die Behörden versuchen, den heiligen Ort für die Pilgermassen sauber zu
       halten. Vor einem Jahr begannen sie mit den Vorbereitungen: Auf dem 25
       Quadratkilometer großen Festivalgelände wurden 40.000 Toiletten gebaut, 324
       Kilometer Wasserleitungen installiert und 770 Kilometer Stromleitungen
       verlegt.
       
       ## Schattenseiten der Megacity
       
       Damit die PilgerInnen zu den Badestellen kommen, hat die Stadt zudem 156 km
       temporäre Straßen angelegt, 70.000 Parkplätze geschaffen und 18 Brücken
       über die beiden Flüsse gebaut. „Um die Menschenmenge zu kontrollieren und
       einer Massenpanik vorzubeugen, haben wir uns für ein Einbahnstraßensystem
       entschieden“, erzählt Ashok Sharma, der Leiter des derzeit weltweit größten
       Medienzentrums. „Außerdem sind über 20.000 Polizisten im Einsatz, die
       Hälfte davon bewaffnet.“ Täglich fahren 40 Boote auf dem Fluss, die das
       Wasser von Tierkadavern, Opfergaben und sonstigen Abfällen des Pilgerfests
       befreien sollen.
       
       Einige PilgerInnen sind beeindruckt von der relativ gut funktionierenden
       Infrastruktur. Doch in einer Stadt, die von jetzt auf gleich zu einer
       Megacity in der Größe des Großraum Tokio schwillt, gibt es dennoch
       Schattenseiten. Indische Zeitungen berichten täglich von Problemen mit der
       Trinkwasserversorgung, von der steigenden Zahl Magen-Darm-Erkrankter und
       einer Wasserqualität, die alles andere als zum Baden einlädt. „Während des
       ersten wichtigen Badetages im Januar wurde im Wasser ein biologischer
       Sauerstoffbedarf gemessen, der die Richtwerte um das Doppelte übersteigt“,
       erzählt Bharat Lal Seth vom Centre for Science and Environment (CSE) in
       Delhi.
       
       Der Wissenschaftler und Journalist hat das Fest in den ersten Tagen besucht
       und festgestellt, dass viele Infrastrukturmaßnahmen noch nicht
       abgeschlossen waren. Er räumt aber ein, dass die Behörden wichtige Schritte
       unternommen hätten. „Das Industriezentrum in Kanpur, flussaufwärts von
       Allahabad, wurde vorübergehend geschlossen. Zudem wurden einige Dämme
       geöffnet, um mehr Frischwasser in die beiden Flüsse zu leiten.“
       
       Die ökologische Nachhaltigkeit der Kumbh Mela zu fördern bezeichnet Gopal
       Patel als essenziell. Er ist Mitbegründer der neu gegründeten indischen
       Abteilung des Green-Pilgrimage-Netzwerks. Ziel des Netzwerks ist es,
       Empfehlungen für die Verminderung ökologischer Auswirkungen von religiösen
       Großereignissen auszusprechen.
       
       ## Unabsehbare Folgen
       
       Bei seiner Reise nach Allahabad war Gopal beeindruckt von der guten
       Organisation des Events. „Rund um die Uhr wurden die Straßen von Abfall
       befreit“, berichtete er. Doch wo der Müll abgelagert wird, sei nicht
       ersichtlich. „Für eine Stadt ist es ein enormer Aufwand, für einen kurzen
       Zeitraum so eine ausgeprägte Infrastruktur zu schaffen“, erzählt Gopal
       weiter. „Dafür ist es wichtig, die Vertreter von Religionsgemeinschaften
       mit städtischen Behörden an einen Tisch zu bringen.“
       
       Der Handlungsbedarf ist groß. Denn was auf der Kumbh Mela passiert,
       bekommen nicht nur die PilgerInnen zu spüren. BewohnerInnen umliegender
       Dörfer berichten über eine gekappte Stromversorgung. Den vielen
       hunderttausend FabrikarbeiterInnen in Kanpur fehlt ihre Einkommensquelle.
       
       Erst in ein paar Monaten wird man abschätzen können, welche ökonomischen
       und ökologischen Auswirkungen das Pilgerfest auf die umliegenden Gemeinden
       und die Umwelt hat. Bharat Lal Seth vom CSE hofft auf langfristigen
       Lösungen. „Die Kumbh Mela kommt und geht alle zwölf Jahre. Aber warum
       sollte der Fluss vorher und nachher dreckig sein dürfen?“
       
       10 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Theresa Zimmermann
       
       ## TAGS
       
   DIR Hinduismus
   DIR Indien
   DIR Nachhaltigkeit
   DIR Ökologie
   DIR Indien
   DIR Indien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Hindu-Fest in Indien: 36 Tote bei Massenpanik
       
       Bei der Massenpanik während eines Pilgerfestes in Indien sind mehr Menschen
       gestorben, als zunächst angenommen. 34 Millionen Menschen kamen zu dem
       Fest.
       
   DIR Massenpanik bei Hindu-Fest: Mehrere Pilger sterben
       
       Mindestens zehn Pilger sind im indischen Allahabad Opfer einer Massenpanik
       geworden. In der Stadt findet derzeit ein religiöses Fest mit Millionen
       Besuchern statt.