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       # taz.de -- Diplomatie auf dem Balkan: Serbien und Kosovo an einem Tisch
       
       > Erstmals treffen sich die Präsidenten beider Staaten zu Gesprächen in
       > Brüssel. Fortschritte gibt es keine. Belgrad lehnt Kosovos Unabhängigkeit
       > weiter ab.
       
   IMG Bild: Nationalisten demonstrieren am Dienstag gegen die serbisch-kosovarischen Verhandlungen.
       
       SARAJEVO taz | Als der serbische Präsident Tomislav Nikolic nach seinem
       Treffen mit der Präsidentin Kosovos Atifete Jahjaga am Mittwoch vor die
       Presse trat, war er um innenpolitische Schadensbegrenzung bemüht. Der
       Nationalist und frühere Weggefährte des wegen Kriegsverbrechen angeklagten
       Vojislav Seselj wollte keinesfalls einräumen, dass die Gespräche in Brüssel
       ein erster Schritt für die diplomatische Anerkennung des unabhängigen
       Staates Kosovo seien.
       
       Er stelle sich voll und ganz hinter die Resolution des serbischen
       Parlaments, die die Zugehörigkeit Kosovos zum serbischen Staat bekräftigt
       habe, betonte er. Die Gespräche mit Prishtina würden nur unter der
       Bedingung fortgesetzt, dass die 40.000 Serben im Norden des Kosovo eine
       umfassende Autonomie erhielten.
       
       Serbische Nationalisten wie er, die sich in der Europafrage von anderen
       Ultras abheben, haben es schwer, ihren Standpunkt plausibel darzustellen.
       Zwar hat Nikolic in seiner Wahlkampagne die Integration des Landes in die
       EU versprochen, doch die Forderungen der EU in Bezug auf Kosovo gehen ihm
       zu weit. Vor allem die im Norden Kosovos lebenden Serben sind für ihn ein
       Klotz am Bein. Während die Mehrheit der serbischen Minderheit in Kosovo
       sich in die Strukturen des multinationalen Staates einfügt, wollen die im
       Norden lebenden 40.000 Serben davon nichts wissen. Sie versuchen, die
       bisherigen Verhandlungsergebnisse zu unterlaufen.
       
       Seit März 2011 verhandeln Vertreter beider Staaten unter Vermittlung der EU
       unter anderem über Grenz- und Zollfragen. Zuletzt verständigten sie sich im
       Dezember 2012 erneut auf die Einrichtung mehrerer gemeinsamer Grenzposten.
       Daraufhin errichteten radikale Serben Straßensperren und protestierten so
       gegen die Nachgiebigkeit der serbischen Führung.
       
       Die Bedingungen der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen sind
       nach dem Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Herbst 2011 in
       Belgrad klar: Serbien müsse, so bekräftigte am vergangenen Dienstag das
       Europäische Parlament erneut, den Reformprozess fortführen und in einem
       Dialog mit Kosovo pragmatische und friedliche Lösungen finden.
       
       ## Bisher kein Druck auf Serben im Nordkosovo
       
       Wollte die serbische Führung diesen Bedingungen folgen, müsste sie
       ernsthaften Druck auf die serbische Minderheit im Kosovo ausüben. Das ist
       bisher nicht geschehen. Tomislav Nikolic und sein Premierminister Ivica
       Dacic hoffen jedoch darauf, dass die EU in der Kosovo-Frage gespalten
       bleibt. Denn nicht alle Mitglieder der EU haben Kosovo diplomatisch
       anerkannt. Griechenland, Zypern, Spanien, Rumänien und die Slowakei sind
       jedoch angesichts der Finanzkrise kaum in der Lage, ernsthaft der Linie
       Brüssels zu widersprechen.
       
       In Brüssel steht nun eine Entscheidung über ein Stabilitäts- und
       Assoziationsabkommen mit Kosovo an, was Kosovos Position stärken würde. Die
       Forderungen von Nikolic, den Serben im Norden des Kosovo weitreichende
       Autonomierechte zuzugestehen, stößt zwar bei vielen Diplomaten der
       Anerkennungsländer auf Unverständnis, doch andere neigen zu einem
       Kompromiss.
       
       Mit der Unabhängigkeitserklärung vor fünf Jahren habe Kosovo die
       Gemeindereform akzeptiert, die serbischen Gemeinden eine weitgehende
       Selbstverwaltung einräumt, erklärte dagegen ein Regierungssprecher in
       Prishtina. Außenminister Enver Hoxhaj ließ kürzlich gegenüber der taz
       durchblicken, dass er in dieser Frage mit der Unterstützung Berlins rechne.
       Oppositionelle wie Albin Kurti fordern, hart zu bleiben und im Gegenzug
       Minderheitenrechte für die albanische Minderheit in Südserbien.
       
       7 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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