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       # taz.de -- Breitband auf dem Lande: Internet wie die Großen
       
       > Weil die großen Unternehmen kein schnelles Internet anbieten, will eine
       > Bürger-Gesellschaft in Nordfriesland jetzt selbst Glasfasernetze
       > verlegen. Das erste Dorf hat genug Interessenten zusammen.
       
   IMG Bild: Hat auch mal die Kommunikation auf dem Land beschleunigt: die Brieftaube.
       
       HAMBURG taz | Löwenstedt im Kreis Nordfriesland hat keine 700 Einwohner,
       die nächste größere Stadt, Husum, ist 20 Kilometer entfernt – und doch gibt
       es hier spätestens im nächsten Jahr Internetanschlüsse wie in größeren
       Städten. Die Bürger-Breitband-Netzgesellschaft (BBNG), getragen von
       Bürgern, Firmen und Kommunen aus der Region, will im Rahmen eines
       Pilotprojektes Glasfaser verlegen. Seit dem Wochenende ist klar, dass es
       tatsächlich mit dem Bau der schnellen Leitung losgehen kann, denn mehr als
       68 Prozent der Haushalte haben im Ort einen Anschlussvertrag über die BBNG
       abgeschlossen – das war das Kriterium für die BBNG loszulegen, weil es sich
       sonst nicht rechnet.
       
       In Deutschland gibt es viele Orte, die in der Fläche liegen und schwache
       Internetverbindungen haben – viele kleine Löwenstedts. In
       Schleswig-Holstein sind laut einem von den Kommunalverbänden getragenen
       Breitbandkompetenzzentrum 20 Prozent der Gebäude an eine Internetleitung
       angeschlossen, die weniger Leistung anbietet als zwei MBit pro Sekunde – ab
       dieser Geschwindigkeit spricht die EU von Breitbandanschlüssen. Auch in
       Nordfriesland sind 20 Prozent der Gebäude weiße Flecken auf der
       Breitbandkarte. „Die Kommunalpolitiker haben sich hier gesagt: Wenn wir
       schon keine richtige Autobahn bekommen, dann wollen wir wenigstens an die
       Daten-Autobahn angeschlossen werden“, sagt Ute Gabriel-Boucsein,
       Geschäftsführerin der BBNG.
       
       Die BBNG will 57 Gemeinden in den Ämtern Eiderstedt, Viöl und
       Nordsee-Treene, die Stadt Tönning und Teile von Husum mit schnellem Netz
       versorgen. Die großen Telekommunikationsunternehmen investieren hier nicht
       in den Ausbau – die Erschließungskosten sind ihnen zu hoch. Deshalb
       übernimmt das die BBNG gemeinsam mit dem Telekommunikationsanbieter TNG.
       Bis 2019 sollen 23.000 Haushalte in ihrer Region mit Glasfaser versorgt
       werden – das wären 80 Prozent aller Haushalte. Das Unternehmen rechnet mit
       Kosten von 70 Millionen Euro, 22 Millionen Euro will BBNG selbst
       einbringen, den Rest sollen Banken finanzieren. Um auf die notwendige Summe
       zu kommen, wirbt die BBNG um Geld. „Man muss nicht in der Fläche wohnen, um
       Gesellschafter zu werden“, sagt Gabriel-Boucsein. Ab 1.000 Euro kann jeder
       Gesellschafter werden und bekommt Rabatt bei den Kosten für den
       Hausanschluss. 1,7 Millionen Euro von 720 Gesellschaftern haben sie schon
       zusammen, das reicht für Löwenstedt und soll zeigen, dass das Projekt
       funktioniert.
       
       Entscheidend dafür, dass in einem Ort gebaut wird, sei ausschließlich die
       Anschlussquote, sagt Gabriel-Boucsein. Mindestens 68 Prozent aller
       Haushalte müssen den Anschluss über die BBNG wollen und einen
       Internetvertrag mit TNG abschließen, sind es 80 Prozent, gibt es Rabatt.
       Nicht entscheidend sei, wie viel Kapital aus einem Ort kommt, das Modell
       sei solidarisch. Allerdings beträgt der Aufpreis für Nicht-Gesellschafter
       beim Hausanschluss rund 800 Euro – fast so viel wie ein
       Gesellschafteranteil.
       
       „Das Modell im Süden von Nordfriesland ist einzigartig“, sagt Derek Meier
       vom Breitbandkompetenzzentrum Schleswig-Holstein. Er berät Bürgermeister,
       die um eine bessere Internetversorgung in ihrer Gemeinde kämpfen und von
       den großen Konzernen Absagen bekommen. Das BBNG-Projekt sei eine gewaltige
       Aufgabe – zumal auch die Banken bisher nicht besonders großes Engagement
       gezeigt hätten, was die Finanzierung von Glasfasernetzen angeht, sagt
       Meier. Er kennt auch die anderen Initiativen im Land, um die Fläche mit
       schnellem Netz zu versorgen: Die kommunalen Stadtwerke investieren in den
       Ausbau, in den Kreisen Steinburg und Dithmarschen arbeiten Gemeinden an
       einem ÖPP-Modell, um den Ausbau zu finanzieren. Und mancherorts finden sich
       auch private Investoren: Im nördlichen Teil von Nordfriesland finanzieren
       Windmüller den Ausbau des Netzes, dort gibt es besonders viele Windparks –
       und die müssen zur Steuerung eh mit schnellem Netz versorgt werden.
       
       4 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Kummetz
       
       ## TAGS
       
   DIR Telekom
   DIR Internet
       
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