URI: 
       # taz.de -- Fußball-Bundesliga: Hamburg schminkt sich Europa ab
       
       > Nach einem bescheidenen 0:2 gegen Eintracht Frankfurt will der Hamburger
       > SV plötzlich nie und nimmer auf das internationale Geschäft spekuliert
       > haben - dabei hätte er es doch so dringend nötig.
       
   IMG Bild: Zerknirscht: Hamburgs Rafael van der Vaart (r.) geht nach dem Spiel an jubelnden Frankfurtern vorbei.
       
       HAMBURG taz | Auf den Schlusspfiff folgt für Thorsten Fink ein bekanntes
       Spiel: Fragen prasseln auf den Trainer des Hamburger SV ein. Erst in der
       Interview-Zone im Inneren der Arena, danach im Fernsehstudio eines
       Pay-TV-Senders, dann in der Pressekonferenz und, am Ende, in einer
       kleineren Runde mit Journalisten. Etliche Fragen also waren gestellt,
       vieles gesagt zum ernüchternden 0:2 gegen Aufsteiger Eintracht Frankfurt,
       da setzte Fink kurz vor dem Gang in den VIP-Raum noch einmal an. Besonders
       wichtig schien dem 45-Jährigen eines: „Wir haben“, sagte Fink, „nie von
       Europa geredet.“
       
       Anders als bei den Briten gibt es beim HSV nun aber eigentlich keine über
       Jahre gewachsene Europa-Skepsis. Das Bekenntnis resultiert vielmehr aus
       einer nicht bestandenen Bewährungsprobe, aus einem Elchtest auf einem
       zerklüfteten Rasen – in dem die Hamburger aus der Bahn geworfen wurden. Der
       erstaunlich hohen Kunst der Frankfurter, den Ball ansehnlich und sicher
       zirkulieren zu lassen, hatten die HSV-Spieler außer halbgaren Ansätzen nur
       wenig entgegenzusetzen. Entschieden war diese Bundesliga-Partie, genau
       genommen, schon nach 36 Minuten – nach dem zweiten Treffer von Srdjan
       Lakic. Der neue Angreifer der Eintracht hatte nach 22 Minuten bereits das
       0:1 erzielt.
       
       An einem Abend, an dem die Hamburger eigentlich einen Schritt in Richtung
       Europa hatten vollziehen wollen, entfernten sie sich gefühlt ein großes
       Stück vom Erreichen eines Platzes, der zur Teilnahme an der Europa League
       berechtigt. Dank der Patzer der Konkurrenten am Sonnabendnachmittag wäre
       der HSV wenige Stunden später mit einem Sieg gegen Frankfurt auf den
       fünften Rang vorgerückt. So aber bleibt er mit seinen 28 Punkten und dem
       neunten Tabellenplatz dem Mittelmaß treu.
       
       Der HSV ist nur eine regionale Größe, eine norddeutsche Nummer eins auf
       niedrigem Niveau – weil Hannover 96, Werder Bremen und der VfL Wolfsburg in
       der Tabelle noch etwas schlechter dastehen. Zuletzt hatten vier Heimsiege
       hintereinander – darunter das 3:2 gegen Werder Bremen – vielen Fans
       Hoffnung gemacht, dass es in der nächsten Saison gegen englische, spanische
       oder italienische Klubs gehen könnte.
       
       Fink warb beflissen um Nachsicht: „Wir müssen noch viel arbeiten und auf
       dem Boden bleiben. Europa ist in dieser Saison nicht das Thema, vielleicht
       im nächsten Jahr“, sagt er. „Das käme im Moment alles zu früh für die
       Mannschaft.“ Für den HSV wäre das Erreichen des Europapokals immens
       wichtig. Schließlich hat der Verein im Geschäftsjahr 2011/12 ein Minus von
       6,6 Millionen Euro erwirtschaftet. Schon im Vorjahr hatte der HSV einen
       Verlust von fast fünf Millionen Euro zu verzeichnen.
       
       Unter dem Strich ist die Mannschaft viel zu teuer. Die Gehälter der Profis
       und die Leistungen in den vergangenen Jahren stehen in einem
       Missverhältnis. Im Kader finden sich zu viele Ladenhüter, die auch während
       der Winterpause nicht transferiert werden konnten. Mit einer Ausnahme: Den
       österreichischen Innenverteidiger Paul Scharner leiht man bis zum Ende der
       Saison an den englischen Premier-League-Klub Wigan Athletic aus. Dadurch
       spart der HSV knapp 500.000 Euro an Gehaltszahlungen – Tropfen auf den
       heißen Stein.
       
       Die Niederlage gegen Frankfurt mindert nun die Hoffnungen auf das
       Erschließen der Einnahmequelle „Europa League“. Eine Teilschuld erkannte
       HSV-Linksverteidiger Marcell Jansen ausgerechnet beim Rasen der Hamburger
       Arena: „Der Platz ist eine Vollkatastrophe. Ich weiß auch nicht, warum das
       so ist. Der Rasen ist schlechter als der in München, obwohl die Bayern und
       1860 darauf spielen“, zürnte Jansen. HSV-Torhüter Rene Adler sah’s anders:
       „Der Rasen kann keine Entschuldigung für die Leistung sein.“ Zumindest
       Adler ist die Rückkehr in den internationalen Fußball gelungen: Er hütet am
       Mittwoch im Testspiel der DFB-Auswahl gegen Frankreich in Paris das
       deutsche Tor.
       
       3 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Görtzen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA