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       # taz.de -- Akkus bei Mobilgeräten: Nur lange ist zu kurz
       
       > Mobile Endgeräte wie Pods und Pads sind schnell kaputt: Die Hersteller
       > verdienen an schwachen Akkus. Geht's auch haltbarer?
       
   IMG Bild: In jedem Schuljahr ein neues Tablet? – Die Lebensdauer der Geräte ist viel zu kurz.
       
       Warum Hersteller ihren Kunden immer häufiger Produkte mit einer immer
       kürzeren Lebensdauer andrehen, ist Auslegungssache. Die Produzenten
       behaupten, Langlebigkeit sei viel zu teuer und viel zu unpraktisch. Die
       Verbraucherschützer glauben, dass neu gekaufte Waren die Nachfrage auf
       einem Markt sichern, der längst gesättigt ist. Soll heißen: Alles, was
       kaputt geht, fördert die Wirtschaft. Und die Konsumenten lieben es, Schrott
       zu kaufen.
       
       Kürzlich hat Jochen Flasbarth ein Verbot von Geräten gefordert, deren Akkus
       sich nicht austauschen lassen. Spiegel-Autor Andreas Neubacher schrieb, der
       Präsident des Umweltbundesamts wolle damit das iPad verbieten lassen.
       Flasbarth wehrte sich heftig: Er habe sich mit der Forderung auf
       umweltfeindliches Design im Allgemeinen bezogen. Es entstand ein kleiner
       Twitter-Krieg, der die Diskussion um Sinn und Sinnlosigkeit von geplantem
       Verschleiß neu angeschoben hat.
       
       Denn der Ärger mit der künstlich verkürzten Produktlebensdauer ist so alt
       wie der durch Massenproduktion hervorgerufene Konsumrausch selbst. Schon in
       den Zwanzigern hatte sich das Phoebuskartell geeinigt, die Brenndauer von
       Glühlampen weltweit auf 1.000 Stunden zu begrenzen. Im Verlauf der
       Jahrzehnte schlichen sich regelmäßig gezielte Betrügereien in die
       Herstellung ein: Erst rissen beigemischte lichtempfindliche Substanzen
       Laufmaschen in die Nylonstrümpfe, dann legten schneller schmelzende
       Kondensatoren die Computer lahm.
       
       ## Mindestens doppelt so lange
       
       Besonders bei technischen Geräten ist die Manipulation einfach: Der Akku,
       das verschleißträchtigste Elektroteil überhaupt, wird häufig so verbaut,
       dass es der Verbraucher nicht mehr herausnehmen kann. So landen die meisten
       Smartphones und Tablet-PCs nach zwei Jahren auf dem Müll, obwohl sie
       mindestens doppelt so lange halten könnten.
       
       Vor zehn Jahren wurde Apple deshalb auch verklagt: Die Batterie des ersten
       iPods hatte nach ein paar Monaten aufgegeben. Der Konzern reagierte, indem
       er sich bei seinen Kunden mit Einkaufsgutscheinen entschuldigte. Gutscheine
       für die Halde.
       
       Dem Umweltbundesamt reicht sowas nicht. „Das ist keine Lösung für das
       eigentliche Problem“, sagt Jochen Flasbarth. „Konstruktionen, die
       Sollbruchstellen billigend in Kauf nehmen oder bewusst auf eine kürzere
       Nutzungsdauer setzen, dürfen wir nicht hinnehmen.“
       
       ## Globaler Markt beschränkt Regulierungen
       
       Gesetze wären eine Möglichkeit, gegen den geplanten Verschleiß vorzugehen.
       „Es gibt Regelungen im Rahmen der europäischen Ökodesign-Richtlinie“,
       erklärt Flasbarth. „Mit einer guten Informationsgrundlage, den richtigen
       Ideen und dem politischen Willen haben wir bereits die Instrumente und
       Chancen, etwas zu ändern.“
       
       Bloß gelten solche Richtlinien selten weltweit, sie können auf dem globalen
       Markt leicht ausgehebelt werden. In den USA werden seit drei Jahren alle
       elektronischen Geräte gekennzeichnet, für die Zinn aus dem Kongo verwendet
       wurde. Seither kaufen die Konzerne in Ruanda und Uganda ein, um diese
       Auflage der Transparenz zu umgehen. Unterdessen ist der Zinn-Schmuggel aus
       dem Kongo in die Nachbarländer deutlich angestiegen.
       
       ## Fairphone aus Amsterdam, Öko-Maus aus Bayern
       
       Flasbarth empfiehlt Verbrauchern darum, sich an entsprechenden Warensiegeln
       wie dem blauen Umweltengel zu orientieren. Der zeigt unter anderem an, dass
       Ersatzteile noch mehrere Jahre nach dem Produkterwerb verkauft werden.
       
       Klar: Solche Siegel gibt es massenhaft. Genau wie Verbraucherkampagnen und
       Rankings von Umweltschützern, die vermitteln, dass der eine Konzern unter
       noch schlimmeren Bedingungen herstellt als der andere. Was es jedoch
       nirgends gibt, ist ein Anbieter, der hochwertige, langlebige und komplett
       fair produzierte IT-Geräte auf den Markt bringt. Noch nicht.
       
       Die Firma „Fairphone“ arbeitet immerhin daran. Bis zum Herbst will sie
       10.000 umweltfreundliche und konfliktfreie Smartphones herstellen. „Es gibt
       viele Leute, die verantwortungsbewusster konsumieren und leben wollen“,
       sagt Miquel Ballester von dem kleinen Unternehmen aus Amsterdam.
       „Allerdings ist die ganze ’Für-den-Müll-Elektronik‘ für sie ein riesiges
       Problem.“
       
       ## Globale Kette der Billigproduktion
       
       Das Fairphone soll so schön aussehen und funktionieren wie vergleichbaren
       Geräte – und länger halten, weil es über einen austauschbaren Akku und zwei
       SIM-Karten verfügt. Das macht das Telefon quasi zu zwei Telefonen, was in
       Gegenden ohne flächendeckendes Handynetz von Vorteil wäre.
       
       „Da sich Handys immer mehr in gewöhnliche Verbrauchsgüter verwandeln,
       werden die Nutzer bald neue Werte verlangen“, sagt Ballester. Bis dahin
       bleibt der Wunsch nach Öko-Geräten in einer ungehörten Nachfragenische.
       Denn wer fair und öko produzieren will, muss eine globale Kette der
       Billigproduktion, des Fließbandwahns und der Kinderarbeit vermeiden. Für so
       komplexe Geräte wie Smartphones und Tablets mit ihren unzähligen
       Zulieferern ist das noch unvorstellbar, geht es doch dabei um wesentlich
       mehr Arbeitsschritte als bei der Produktion von Kleidung oder Kaffee.
       
       Den ersten Schritt macht eine Maus aus Bichl bei München. Hier baut Susanne
       Jordan in ihrer Firma Nager-IT seit einigen Wochen Computermäuse, die zu
       zwei Dritteln fair gehandelt sind. „Einen ganzen PC fair herzustellen hätte
       Millionen gekostet“, sagt sie. Für ein Kleinunternehmen sei es schwer
       genug, einen Satz Bauteile bei chinesischen Produzenten zu bestellen, die
       ganz andere Größenordnungen gewohnt sind.
       
       Susanne Jordan wartet auf den Sinneswandel bei Verbrauchern und
       Herstellern. Und auch wenn es eine weitere Strategie sein mag: Apple hat
       bereits auf die schlechte Publicity reagiert. Beim Ranking des
       Verbraucherprojekts „Enough“ ist der Konzern von 13 auf 38 Punkte
       geklettert, was heißt, dass mehr unternommen wird, um Konfliktmineralien zu
       vermeiden. Die Akkus aber bleiben tief in den Pads versteckt. „Sowohl aus
       platztechnischen als auch verbrauchsergonomischen Gesichtspunkten“, sagt
       Apple. Und verspricht: Nach 1.000 Ladezyklen liefern die Batterien des iPad
       noch achtzig Prozent ihrer Originalkapazität.
       
       1 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philipp Brandstädter
       
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