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       # taz.de -- FDP-Politikerin über Sexismus: „Ohne Gegenwehr endet es nicht“
       
       > Wer sich in ihrem Kreisverband frauenfeindlich äußert, muss Strafe
       > zahlen, erzählt FDP-Politikerin Doris Buchholz. Doch Sexismus sei nicht
       > nur ein Problem der Liberalen.
       
   IMG Bild: „Netter Versuch“: Doris Buchholz will die Geschichte um Rainer Brüderle und der Stern-Journalistin nicht kommentieren.
       
       taz: Frau Buchholz, weder Rainer Brüderle noch ein anderer Freidemokrat hat
       bisher bestritten, dass sich die Szene, die eine Stern-Journalistin
       schildert, so abgespielt hat. Ist Ihr Spitzenkandidat ein sexistischer
       Chauvi? 
       
       Doris Buchholz: Ich weiß nicht, ob die Schilderung, auf die Sie anspielen,
       stimmt. Ich war nicht dabei.
       
       Brüderle soll eine 29-jährige Kollegin auf ihre Oberweite angesprochen
       haben. Für einen solchen verbalen Übergriff wäre eine Entschuldigung
       fällig. 
       
       Wie gesagt: Ich kann und werde mich zu dem konkreten Fall nicht äußern. Es
       ist nichts bewiesen. Ich wundere mich allerdings schon, dass die
       Journalistin eine solche Story ausgerechnet jetzt öffentlich macht.
       
       Weil Brüderle jetzt Spitzenkandidat ist. Und weil Medien auch strategisch
       denken und Porträts dann veröffentlichen, wenn das Interesse an Politikern
       größer wird. 
       
       Vor einem Jahr gab es mehrere Artikel, die Probleme von Frauen in der FDP
       thematisierten …
       
       Der Tenor war, dass Freidemokraten Parteifreundinnen gern als schmückendes
       Beiwerk auf Plakaten sahen, sie aber nicht als ernsthafte Politikerinnen
       wahrnahmen. Sie selbst kritisierten den „Männerverein FDP“. 
       
       Damals wäre die ideale Gelegenheit für den Stern gewesen, den Vorfall zu
       thematisieren. Ich habe keine Ahnung, warum die Redaktion es jetzt macht.
       
       Führende Liberale sagen, die Journalistin wolle Brüderle bewusst
       beschädigen. Dieses Argument ist doch ein Ablenkungsmanöver – es schiebt
       einer Frau, die eine schmierige Anmache öffentlich macht, die Schuld zu.
       Das ist billig. 
       
       Ihre Interpretation.
       
       Wenn Sie sich zu dem Fall Brüderle nicht äußern wollen, mal allgemein
       gefragt: Was würden Sie einem Mann antworten, der sich in einer
       Arbeitssituation über Ihren Busen äußert? 
       
       Solche Äußerungen gehen – im Beruf und anderswo – überhaupt nicht. Das wäre
       eine Grenzverletzung, die ich mir offensiv verbitten würde.
       
       Sie würden also Frauen raten, sich zur Wehr zu setzen? 
       
       Ja, Frauen müssen sich wehren. Sonst fühlt sich der Belästigende als
       Sieger. Und wird schon ein paar Tage später den nächsten dummen Spruch
       machen. Ohne Gegenwehr endet es nicht.
       
       Zehntausende Frauen erzählen im Internet Erlebnisse von Belästigungen.
       Finden Sie gut, dass eine Großdebatte über Sexismus entbrannt ist? 
       
       Diese Debatte ist nötig und wichtig. Sexismus und Abwertung findet man in
       allen gesellschaftlichen Bereichen. In der Politik, in der Wirtschaft, in
       der Werbung. Männer sind sich oft gar nicht bewusst, dass manche Äußerungen
       Frauen verletzen. Solche veralteten Verhaltensmuster werden zum Glück nun
       neu diskutiert. Früher wurde eine Frau in die Ecke gestellt, wenn sie sich
       über blöde Anmachen beschwerte. Das hat sich geändert.
       
       Sie selbst sind seit Langem in der FDP im Saarland aktiv. Haben Sie in
       dieser Zeit Abwertung erfahren, weil Sie eine Frau sind? 
       
       Ich habe in einer Sitzung mal erlebt, dass ein Parteifreund betonte, er
       wolle vor allem attraktive Frauen auf Wahlplakaten. Das lief nach dem
       Motto: Sex sells. In der FDP gibt es – wie in anderen Parteien auch – immer
       noch überholte Denkmuster.
       
       Gab es auch blöde Sprüche über Sie? 
       
       Nein, das nicht. Mein Mann war acht Jahre lang Kreisvorsitzender im
       Saarland, und wir saßen in der Regel zu zweit in Sitzungen. Da hätte sich
       niemand getraut, etwas Abwertendes zu sagen. Aber klar, Sprüche gibt es
       immer. Einer sagte mal in einer Vorstandssitzung: „Stellen wir uns mal dumm
       wie eine Frau …“ Daraufhin haben wir ein Strafschwein auf den Tisch
       gestellt. Einen Euro für ein Handytelefonat während der Sitzung, zwei Euro
       für einen frauenfeindlichen Spruch. Das half.
       
       Frau Buchholz, ich werde den Eindruck nicht los, dass Sie doch eine sehr
       klare Meinung zu dem Brüderle-Vorfall haben. 
       
       Netter Versuch. Aber vergessen Sie es. Von mir werden Sie keine
       Spekulationen über Szenen hören, die sich auch ganz anders abgespielt haben
       können.
       
       29 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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