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       # taz.de -- Strafverteidigervereinigung in Berlin: Zschäpe-Anwältin fällt durch
       
       > Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger will die 42-jährige Anja Sturm
       > nicht an der Spitze ihres Zusammenschlusses.
       
   IMG Bild: Die Anwältin Anja Sturm bei einem Prozess vor dem Regensburger Landgericht im März 2011.
       
       Die Berliner Strafverteidigerin Anja Sturm wird, so viel ist schon
       abzusehen, von Frühjahr an zu einer der bekanntesten Anwältinnen
       Deutschlands werden. Das liegt an der Mandantin, die Sturm zusammen mit
       zwei Kollegen vor dem Münchner Oberlandesgericht vertreten wird: Beate
       Zschäpe. Der wirft die Bundesanwaltschaft zehnfachen Mord und
       Mitgliedschaft in der Terrorgruppe NSU vor.
       
       Die im US-Bundesstaat New York geborene Anja Sturm steht in keiner Weise im
       Verdacht, eine Szeneanwältin zu sein. Sie ist Strafverteidigerin mit Leib
       und Seele. Das Zschäpe-Mandat habe sie übernommen, weil sie ein
       „rechtsstaatliches Verfahren“ gewährleistet sehen möchte, wie die
       42-Jährige auf der Homepage ihrer Berliner Kanzlei schreibt – und um sich
       „jedem Versuch einer Politisierung des Verfahrens von welcher Seite auch
       immer“ entgegenzustellen.
       
       Doch innerhalb der Vereinigung Berliner Strafverteidiger gibt es nun eine
       heftige Debatte. Der 62 Jahre alte, linksliberal ausgerichtete
       Anwaltszusammenschluss, der sich immer wieder auch in hitzige öffentliche
       Debatten einmischt, hat am Wochenende hinter verschlossenen Türen einen
       neuen Vorstand gewählt. Für einen der neun Posten trat Zschäpe-Anwältin
       Anja Sturm an – und fiel nach einer heißen Diskussion unter den an die 200
       Anwesenden knapp durch, wie mehrere Teilnehmer übereinstimmend berichten.
       
       Einige linke Anwälte hätten prinzipielle Bedenken gehabt, hieß es, und
       seien der Überzeugung: Neonazis zu verteidigen gehöre sich nicht. Sollte
       Sturm gewählt werden, würden sie austreten, sollen sie sogar gedroht haben.
       Dem hielten dem Vernehmen nach andere entgegen, dass jeder ein Recht auf
       ein faires Verfahren habe, egal ob mutmaßlicher Kinderschänder, Mörder oder
       Terrorist, und das Mandat nicht zu beanstanden sei. Dritte befanden:
       Selbstverständlich dürfe Sturm die mutmaßliche Neonazi-Terroristen Zschäpe
       vor Gericht vertreten. Gleichwohl sei es das falsche Signal, die Anwältin
       kurz vor Beginn des NSU-Verfahrens in den Vorstand des
       Anwaltszusammenschlusses zu wählen. „Zum jetzigen Zeitpunkt wollte ich sie
       nicht an der Spitze der altehrwürdigen Strafverteidigervereinigung haben“,
       sagte einer der Teilnehmer der taz. Die Kollegin schätze er dennoch.
       
       So dachten offenbar mehrere. Am Ende jedenfalls reichte es nicht für Anja
       Sturm. Die gab sich auf Anfrage aber gelassen. „Die
       Strafverteidigervereinigung ist ja bekannt für ihre regen Diskussionen“,
       sagte sie der taz. „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“ Sie glaube auch
       nicht, dass ihr knappes Scheitern bei der Vorstandswahl unbedingt darauf
       zurückgehe, dass sie die Anwältin von Zschäpe ist, so Sturm weiter. Ob sie
       bei der nächsten Wahl in zwei Jahren noch mal antreten wird, wollte Sturm
       noch nicht sagen.
       
       Ach ja, einen neuen Vorsitzenden hat die Strafverteidigervereinigung seit
       dem Wochenende auch. An der Spitze des Zusammenschlusses steht nun der
       Rechtsanwalt Martin Rubbert.
       
       29 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf Schmidt
       
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   DIR Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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