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       # taz.de -- Diskussion um „Frankfurter Rundschau“: „Wie ein Stück Vieh auf dem Markt“
       
       > Diese Woche wird entschieden, ob die „FR“ weiterlebt. Die Mitarbeiter
       > dürfen dabei nicht mitreden, beklagt der Betriebsratschef.
       
   IMG Bild: „Die 'Frankfurter Rundschau' ist nur die Spitze des Eisbergs“: Marcel Bathis, Betriebsratsvorsitzender.
       
       taz: Herr Bathis, übernimmt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nun
       die insolvente Frankfurter Rundschau (FR)? 
       
       Marcel Bathis: Die FAZ ist eine der möglichen Kandidaten. Entschieden ist
       es noch nicht.
       
       Und wer ist der andere Kandidat? 
       
       Es handelt sich um einen ausländischen Verleger und Druckereiunternehmer,
       der Interesse hat, sowohl den Verlag als auch die Druckerei zu kaufen. Und
       uns wurde vermittelt, dass das Profil der FR erhalten bleiben würde. Wenn
       das so stimmt, könnte ich dieser Lösung mehr abgewinnen. Mehr kann ich dazu
       momentan nicht sagen.
       
       Die FAZ will die FR angeblich als Regionalzeitung mit etwa 30 Redakteuren
       weiterführen und den Mantelteil mit FAZ-Inhalten beliefern. Das passt doch
       nicht zusammen, die konservative FAZ und die linksliberale Rundschau? 
       
       Ich kann zu diesen Plänen nichts sagen, der Betriebsrat hat kein
       redaktionelles Konzept vorgestellt bekommen. Die Entscheider bei der FAZ
       sind aber bestimmt nicht so dumm, der FR ihren Mantel überzustülpen. Ich
       glaube eher, wie es teilweise auch schon in der Presse gemeldet wird, an
       eine Kooperation mit der Frankfurter Neuen Presse, die wie die FAZ zur
       Fazit-Stiftung gehört. Auf den möglichen Mantel sind alle Leser gespannt,
       und davon wird auch der Erfolg abhängen.
       
       In der FR stehen viele dem Einstieg der FAZ sehr skeptisch gegenüber.
       Werden die Mitarbeiter dazu gefragt? 
       
       Das geht komplett an uns vorbei, die Belegschaft hat überhaupt kein Wort
       bei der Investorensuche mitzureden. Man kommt sich vor wie ein Stück Vieh
       auf dem Markt, und das macht viele sehr wütend.
       
       Wut auf die FR-Chefs der letzten Jahre? Sind bei aktuell etwa 16 Millionen
       Euro Verlust pro Jahr viele Fehler nicht hausgemacht? 
       
       Also zumindest die Druckerei für sich genommen hat profitabel gearbeitet.
       Ansonsten haben wir leider die Erfahrung gemacht, dass die
       Personalsparmaßnahmen durch sinkende Erlöse, besonders im Anzeigenmarkt,
       wieder aufgefressen wurden.
       
       Also keine selbst verschuldeten Fehler? 
       
       Es ist müßig, dieses oder jenes zu benennen oder einen Sündenbock ausfindig
       zu machen. Grundsätzlich funktioniert das Geschäftsmodell der
       Tageszeitungen, besonders der überregionalen, nicht mehr so wie vor dem
       Aufkommen des Internets. Die FR ist nur die Spitze des Eisbergs, und es
       wird die gesamte Branche noch mächtig beuteln in den kommenden Monaten und
       Jahren mit erheblichen Konzentrationsprozessen.
       
       Hat die FR nicht inzwischen massiv an Einfluss verloren? Es gibt
       überregional doch die Süddeutsche Zeitung (SZ) und die taz. Wer braucht da
       noch die Rundschau? 
       
       Es braucht definitiv eine überregionale, linksliberale Stimme in
       Deutschland, und das war bisher die FR, die auch eine eigene Note hat, die
       etwa die SZ oder die taz nicht abbilden. Es gibt außerdem hervorragende
       Redakteure, wie etwa Robert von Heusinger im Wirtschaftsjournalismus und
       viele andere. Außerdem hat die FR für die Rhein-Main-Region eine
       herausragende Bedeutung.
       
       Sie befürchten auch im Falle einer Rettung einen massiven
       Arbeitsplatzabbau. Gibt es konkrete Zahlen? 
       
       Es werden sehr viele sein, die ihren Job verlieren, wie viele, kann ich
       noch nicht sagen. Wenn der ausländische Investor übernehmen würde, könnten
       wohl ein paar Leute mehr ihren Job behalten als im FAZ-Modell.
       
       Gerade für Ihre Kollegen in der Druckerei, aber auch für die Redakteure
       wird es schwer, eine neue Anstellung zu finden. 
       
       Ja, es wird sehr schwer. Viele werden sich beruflich neu orientieren
       müssen. Das Durchschnittsalter unserer Belegschaft ist schätzungsweise Ende
       40, das macht die Situation nicht einfacher, und viele haben eine Familie
       zu versorgen.
       
       Deshalb fordern Sie von den Gesellschaftern, der SPD-Medienholding DDVG und
       der Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg, Verantwortung für diese Leute
       zu übernehmen. 
       
       Ja, wir wollen von den Gesellschaftern Geld für eine Transfergesellschaft
       und einen Sozialplan.
       
       Den gibt es doch schon im Insolvenzverfahren? 
       
       Ja, aber der Insolvenzsozialplan hat seinen Namen nicht verdient. Das läuft
       auf vielleicht 1.000 Euro pro Kopf hinaus, die aber erst in ein paar Jahren
       ausgeschüttet werden, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Die
       Leute brauchen aber jetzt eine soziale Abfederung. Die genauen Summen, die
       wir fordern, sind noch offen, weil man sich erst die Zahl der Entlassungen
       anschauen muss.
       
       Bisher mauern die Gesellschafter, was konkrete Zusagen betrifft. Müssen Sie
       nicht mehr Druck machen? 
       
       Wir wollen die Gespräche mit DuMont und der DDVG am Dienstag abwarten. Ich
       kann aber jetzt schon sagen, dass wir uns nicht einfach abspeisen lassen.
       Wenn wir kein adäquates Angebot bekommen, werden wir weiterkämpfen und
       Druck machen, auch über den 1. Februar hinaus.
       
       28 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Timo Reuter
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