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       # taz.de -- Russisches Homosexualität-Gesetz: Keine Zeit zum Küssen
       
       > Das russische Parlament hat am Freitag ein Gesetz gegen die „Propaganda
       > von Homosexualität unter Kindern" verabschiedet. Gegendemonstranten
       > wurden festgenommen.
       
   IMG Bild: Nicht erwünscht: Polizisten schaffen LGBT-Aktivisten weg
       
       MÖNCHENGLADBACH taz | Vor den Toren der russischen Staatsduma in Moskau
       wurden am Freitagvormittag zwei Dutzend Aktivisten der russischen
       LGBT-Szene (Lesbian, Gay, Bisexual, Trans) vorübergehend festgenommen. Sie
       hatten in einem Flash-Mob gegen das in erster Lesung verabschiedete Gesetz
       demonstriert hatten, das die „Propaganda von Homosexualismus unter Kindern“
       verbietet.
       
       Der Druck auf die LGBT-Aktivisten ist groß. Hatten sie noch am Mittwoch mit
       einem „Tag des Küssens“ fröhlich gegen das geplante Gesetz demonstriert,
       blieb am Freitag zum Küssen keine Zeit. Orthodoxe Aktivisten und
       Rechtsradikale griffen die Demonstranten sofort an. Dem Gebrüll der
       homophoben Demonstranten „Moskau ist nicht Sodom“ schrieen die
       LGBT-Aktivisten ihr „Der Faschismus kommt nicht durch“ entgegen.
       
       Kurz zuvor waren im Internet Aufrufe rechter Nationalisten bekannt
       geworden, die den Teilnehmerinnen der Aktion androhten, ihnen mit einer
       Säure das Gesicht zu verätzen. In dem Handgemenge wurden die Demonstranten
       für die Rechte sexueller Minderheiten mit Tomaten und Eiern beworfen.
       
       Mehrere LGBT-Aktivisten, im Volksmund auch gerne abschätzig als „die
       Blauen“ bezeichnet, sahen ihre Kleidung plötzlich mit blauer Farbe
       durchtränkt. Und plötzlich machte sich ein ätzender Geruch bemerkbar, der
       beiden Gruppen das Atmen erschwerte.
       
       ## Eine Nein-Stimme, eine Enthaltung
       
       In der Duma selbst ging das Gesetz in erster Lesung fast einstimmig mit
       einer Nein-Stimme und einer Enthaltung durch. Es sieht „für Propaganda von
       Homosexualismus unter Minderjährigen“ Geldstrafen in Höhe von gut hundert
       Euro für Privatpersonen, gut tausend Euro für Beamte und etwas über
       zehntausend Euro für juristische Personen vor. Nur die Fraktion der
       Liberaldemokraten von Wladimir Schirinowski war gegen das Gesetz und
       verließ vor der Abstimmung geschlossen den Saal.
       
       Das Gesetz selbst sei bereits Propaganda für Homosexualität, argumentierte
       Schirinowski, der fürchtet, dass dieses genau das Gegenteil des Erwünschten
       bewirken werde. „Kaum ist das Gesetz durch, wird es die ersten Geldbußen
       geben. Und dann wird jeden Tag im Radio und dem Fernsehen darüber berichtet
       werden“ so der Chef der nationalistischen Liberaldemokraten.
       
       Am häufigsten kritisierten die Abgeordneten die schwammige Begrifflichkeit.
       Das Gesetz definiere nicht, was „Homosexualismus“ und „Propaganda“ sei.
       „Ist dann der dreifache Kuss von Breschnew mit Honecker auch schon
       Propaganda von Homosexualität?“ wollte Dmitrij Gudkow von „Gerechtes
       Russland“ wissen. Gudkow befürchtet, dass man mit diesem Gesetz von den
       wirklich drängenden Problemen ablenken wolle.
       
       Es sei doch schwer, so Ilja Ponomarjow von „Gerechtes Russland“, zu
       erkennen, ob Propaganda an Erwachsene oder Minderjährige gerichtet sei. Die
       Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Familie, Frauen und Kinder, Elena
       Misulina, stellt Homosexualität und Pädophilie in einen Zusammenhang.
       „Inzwischen werden vor allem Jungen Opfer sexueller Verbrechen.“ Deswegen
       gelte es, Kinder vor dem „Überangebot homosexueller Praktiken“ zu schützen,
       so die einflussreiche Familienpolitikerin.
       
       Die zweite Lesung des Gesetzes ist für Ende Mai zu erwarten. Bis dahin, so
       Elena Misulina, werde man die Begriffe „Homosexualismus“ und „Propaganda“
       deutlicher definieren. Derzeit sind bereits in sechs russischen Regionen,
       darunter auch in St. Petersburg, ähnliche Gesetze rechtskräftig.
       
       26 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
   DIR Bernhard Clasen
       
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