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       # taz.de -- Präsidentenwahl in Tschechien: Wer wird weises Väterchen?
       
       > Sozialdemokrat Milos Zeman tritt gegen den adeligen Außenminister Karel
       > Schwarzenberg an. Zeman hat die „deutsche Karte“ gespielt – und liegt
       > vorn.
       
   IMG Bild: Die beiden Kandidaten Milos Zeman (l.) und Karel Schwarzenberg im TV-Duell.
       
       PRAG taz | Eigentlich sieht das Paar am Nebentisch in einer Kneipe in der
       tschechischen Hauptstadt Prag sehr verliebt aus. Sie halten Händchen und
       werfen sich vielsagende Blicke zu. Irgendwann wird aus dem zärtlichen
       Flüstern lautes Gebrüll. „Dann wähl doch deinen Zeman!“, schreit der Mann
       und schmeißt beim Aufstehen ein Glas um, bevor er wütend aus dem Restaurant
       stürmt.
       
       Das Präsidentenamt, über das an diesem Freitag und Samstag in einer
       Stichwahl zwischen dem Expremier Milos Zeman und dem adeligen Außenminister
       Karel Schwarzenberg entschieden wird, entzweit Liebespaare wie Familien.
       Die Gesellschaft ist gespalten: In ländliche Gebiete, wo, so Umfragen, die
       Wähler mehrheitlich für Zeman stimmen werden. Und Städte. Dort hat
       Schwarzenberg seine meisten Fans. Frauen bevorzugen Schwarzenberg und
       Männer Zeman.
       
       Laut einer soziologischen Studie unterstützen Hochschulabsolventen
       Schwarzenberg, weniger Gebildete seinen sozialdemokratischen Widersacher.
       Zu Zemans Wahl ruft auch der tschechische Rentnerverband auf. Schwarzenberg
       hingegen wird es auf die Burg schaffen, wenn die Jungen zur Wahl gehen.
       
       Die Tschechische Republik steht am Scheideweg. Die Stichwahl entscheidet
       über mehr als nur die Besetzung der Prager Burg für die kommenden fünf
       Jahre. Der Präsident gilt in Tschechien als weises Väterchen, das die
       Weichen für gesellschaftliche Diskussionen stellt. Wenn am Samstag Punkt 14
       Uhr die Wahllokale schließen, wird entschieden sein, in welche Richtung die
       Gleise verlaufen werden.
       
       ## Die Wahl bezahlt der Ölkonzern
       
       „Karel Schwarzenberg ist der Westen und Milos Zeman der Osten“, meint
       Alexandr Vondra, der Exdissident, der als Verteidigungsminister noch bis
       vor Kurzem Schwarzenbergs Kabinettskollege war. Zeman gilt als
       russlandaffin und arbeitet eng mit dem tschechischen Vertreter der
       russischen Ölfirma Lukoil zusammen. Er konnte den Verdacht nicht
       entkräften, seine Wahlkampagne werde zum Teil von Lukoil finanziert.
       
       Zeman pflegt – das hat er als Ministerpräsident zwischen 1998 und 2002
       gezeigt – einen eher autoritären und intransparenten Regierungsstil. So
       hatte beispielsweise unter der Regierung Zeman ein hoher Beamter des
       Außenministeriums den Mord an einer Journalistin in Auftrag gegeben, die
       einige Affären um die Regierung Zeman aufgedeckt hatte.
       
       Das Verbrechen wurde zwar vereitelt. Dass es aber ausgerechnet in die
       Regierungszeit Zemans fiel, der nie müde wurde, Journalisten als „Dreck“ zu
       beschimpfen, hat ein Geschmäckle hinterlassen. Auch war es Premier Zeman,
       der erklärte, er werde die kritische Wochenzeitung Respekt, die damals
       übrigens Karel Schwarzenberg gehörte, mit Klagen zerstören.
       
       Zemans Zeit als Premier war allerdings genauso wenig Thema der Wahlkampagne
       wie Schwarzenbergs Rolle in der Regierung oder die Haltung der beiden
       Präsidentschaftskandidaten zu Themen wie dem Ausbau des AKW Temelín, der
       Zukunft der EU oder der Exportförderung.
       
       ## Der Adlige, der Fremde
       
       Nachdem Schwarzenberg bei der ersten Fernsehdiskussionen erklärt hat,
       heutzutage würde sich die tschechische Nachkriegsregierung samt Präsident
       Edvard Benes wegen diverser Nachkriegsmassaker an Deutschen in Den Haag
       wiederfinden, zog Zeman die „deutsche Karte“.
       
       Kein Tag, an dem Schwarzenberg, der ob seiner adeligen Herkunft nach der
       kommunistischen Machtübernahme die Tschechoslowakei als Kind verlassen
       musste, nicht als „Fremder“ und „sudetendeutscher Agent“ gebrandmarkt
       wurde. „Wer nicht Zeman wählt, ist kein Tscheche“, so Zemans Wahlmotto. Es
       hat gewirkt. Galt Schwarzenberg nach dem ersten Wahlgang noch als Favorit,
       hat laut letzten Umfragen jetzt Zeman die Nase vorn.
       
       „Der Wahlkampf hat die Gesellschaft gespalten“, meint der Student Jan, der
       die Szene im Restaurant beobachtet hat. Seine Mutter spricht derzeit nicht
       mit ihm, weil er ihrer Meinung nach zu viel Werbung für Schwarzenberg auf
       Facebook macht. „Aber mal ehrlich“, sagt er, „in dieser Wahl ging es um
       Herkunft und die Frage, wer ein reinrassiger Tscheche ist und wer nicht.
       Das sind alles Argumente, die in unserer Gesellschaft keinen Wert haben
       sollten.“
       
       25 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sascha Mostyn
       
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