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       # taz.de -- „Play“ von Ruben Östlund im Kino: Wenn der Con-Man kommt
       
       > Für einen Spielfilm fast zu analytisch: In „Play“ von Ruben Östlund
       > treffen Menschen aufeinander, die sonst nichts miteinander zu tun haben.
       
   IMG Bild: Play: Begegnung im Einkaufszentrum. Kein Wohlfühlkino aus Hollywood.
       
       Das Einkaufszentrum ist ein paradoxer Ort im Verwertungszusammenhang
       westlicher Innenstädte. Während die architektonische Logik zeitgenössischer
       Stadtplanung auf den Prinzipien ökonomische Konsolidierung und sozialer
       Ausschluss basiert, stellt das All-in-one-Konzept des Einkaufszentrums
       vielleicht das letzte demokratische Modell einer brutalistischen
       Stadtarchitektur dar. Der Konsumzwang bringt noch einmal Menschen und
       Schichten zusammen, die sich an öffentlichen Plätzen immer seltener
       begegnen.
       
       Ein Einkaufszentrum in Göteborg ist auch der Ausgangspunkt in Ruben
       Östlunds Film „Play“, von dem sich nicht genau sagen lässt, welchem Genre
       er zuzurechnen ist. „Play“ basiert auf einer vier Jahre alten
       Zeitungsmeldung, dennoch ist er keine Dokumentation.
       
       Für einen Spielfilm fällt „Play“, obwohl Östlund mit Laiendarstellern
       arbeitet, eigentlich zu analytisch aus, fast wie ein Versuchsaufbau – womit
       er den Filmen Ulrich Seidls ähnelt, der seine Figuren bevorzugt in realen
       Milieus unter die Lupe nimmt. Die mechanische Filmsprache hingegen – lange,
       starre Einstellungen, viele Totalen mit einigen unbeholfenen Zooms – legt
       nahe, es könnte sich um ein Überwachungsvideo handeln.
       
       So treten Östlunds Protagonisten auch das erste Mal im Film auf: Die Kamera
       ruht in großer Entfernung über dem Geschehen. Zunächst sind nur Stimmen zu
       hören, die sich sukzessive zwei Jungen von vielleicht elf oder zwölf Jahren
       zuordnen lassen. Die Kamera bleibt auch ungerührt, als sich eine Gruppe
       migrantischer Jugendlicher den beiden nähert und versucht, sie in ein
       Gespräch zu verwickeln. Der größte von ihnen beschuldigt einen der Jungen
       mit aggressivem Unterton, seinem Bruder das Mobiltelefon geklaut zu haben.
       Ein anderer aus der Gruppe versucht, beschwichtigend zu vermitteln. Man
       ahnt bereits, wo das hinführt. Östlund muss den weiteren Verlauf vorerst
       nicht bis zum Ende zeigen.
       
       ## Streckenweise etwas zu beflissen
       
       „Play“ führt mustergültig und streckenweise auch etwas zu beflissen vor,
       was passiert, wenn sich zwei Gruppen von Menschen, deren Leben keinerlei
       Berührungspunkte aufweisen, in einer postethnischen Gesellschaft begegnen.
       Das Hollywood-Kino macht aus so einer Geschichte normalerweise einen
       Wohlfühlfilm mit Message. Im wahren Leben dagegen erzeugt sie höchstens
       eine Schlagzeile (aus der dann wieder ein Film entsteht) – meist im
       Zusammenhang mit einem Gewaltverbrechen.
       
       Um Gewalt geht es in „Play“ jedoch nicht, jedenfalls nicht im physischen
       Sinne. Die fünf Jungen mit Migrationshintergrund wenden keine Gewalt an,
       sie schlüpfen in Rollen – good cop, bad cop, wie einer von ihnen sagt. Am
       Ende haben sie ihre Opfer dennoch um Geld, Handys und Kleidung erleichtert.
       
       Die deutsche Sprache kennt für dieses Delikt nur den Begriff „Trickbetrug“.
       Die englische Bezeichnung „con man“ (von confidence, Vertrauen) trifft das
       Vorgehen der Jugendlichen jedoch viel besser. Sie gewinnen das Vertrauen
       ihrer hilflosen Opfer und spielen dabei mit Rollenbildern, die Gewalt
       suggerieren. Im Grunde steckt in „Play“ eine Medienkritik.
       
       Das Bild vom gewaltbereiten Migranten, mit dem die Jugendlichen operieren,
       ist ein Rassismus, der ganz offensiv gegen die Opfer eingesetzt wird. Ein
       Satz der Jungen ist die logische Konsequenz dieses Ressentiments: „Wenn du
       so blöd bist, denen dein Handy zu zeigen, darfst du dich nicht wundern,
       wenn es dir geklaut wird.“
       
       Östlund beschreibt ausführlich die Gruppendynamik unter den Tätern wie den
       Opfern, verzettelt sich aber selbst immer wieder in den rassistischen
       Widersprüchen der Political Correctness. Man ist sich nicht ganz sicher,
       über wen er sich lustig macht, wenn am Ende ein Vater einem Migrantenjungen
       sein vermutlich gestohlenes Mobiltelefon wegnimmt und dabei von zwei
       aufgebrachten Passantinnen zur Rede gestellt wird. „Die Jungen sind doppelt
       verwundbar“, wirft eine der Frauen den Männern vor. Die Antwort des Vaters
       klingt nachvollziehbar, aber grundfalsch: „Ich habe mir nicht ausgesucht,
       wer meinen Sohn ausraubt.“
       
       ## „Play“. Regie: Ruben Östlund. Mit Anas Abdirahman, Sebastian Blyckert
       u.a. Schweden 2011, 113 Min.
       
       24 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Busche
       
       ## TAGS
       
   DIR Spielfilm
       
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