URI: 
       # taz.de -- Alles neu in Niedersachsen: Verlierer verweigern Fairness
       
       > Schon an Tag drei nach der Niedersachsen-Wahl droht Rot-Grün Ärger:
       > Freiwilligen Stimmverzicht will die schwarz-gelbe Opposition nicht,
       > sollte ein Abgeordneter der Ein-Stimmen-Mehrheits-Regierung fehlen.
       
   IMG Bild: Werden ihren Abgeordneten wohl das Schwänzen verbieten: Anja Piel (Grüne) und Stephan Weil (SPD).
       
       HANNOVER taz | Rot-Grün bereitet in Niedersachsen noch die
       Koalitionsverhandlungen vor, da machen CDU und FDP als neue Opposition
       schon die erste Kampfansage: Ein so genanntes Pairing-Abkommen komme nicht
       in Frage, wie sie am Mittwoch erklärten. Im neuen Landtag wollen SPD und
       Grüne mit nur einer Stimme Mehrheit regieren. Fehlt bei Abstimmungen ein
       Abgeordneter von Rot-Grün, wird Schwarz-Gelb nicht freiwillig auf eine
       Stimme verzichten. Das ist beim Pairing aus Fairnessgründen üblich, um das
       Kräfteverhältnis zu wahren.
       
       Er sei „gespannt“, ob SPD und Grüne ihre entscheidende eine Stimme künftig
       „immer an Bord haben werden“, kündigt der CDU-Fraktionschef Björn Thümler
       bereits an. „Im Landtag gelten die normalen demokratischen Mehrheiten“,
       erklärt FDP-Parlamentsgeschäftsführer Christian Grascha. Er sei sich
       sicher, dass Rot-Grün sich bei umgekehrtem Wahlausgang ebenfalls nicht auf
       ein Pairing eingelassen hätte.
       
       „Stillos“ nennt Grünen-Vize-Fraktionschef Christian Meyer die Ankündigung.
       Schwarz-Gelb präsentiere sich als schlechter Verlierer. „Das ist weder
       souverän noch wird es Erfolg haben.“ Johanne Moder, die neue
       SPD-Fraktionschefin, gibt sich gelassen: Die Ansage setze in erster Linie
       die Abgeordneten von Schwarz-Gelb „massiv unter Druck“ – schließlich
       müssten auch die ohne Pairing stets an Sitzungen teilnehmen. Es werde sich
       zeigen, „wie nachhaltig das unter dem Eindruck der Sitzungsroutine ist“.
       
       Zu welch hohem Druck die strikte Anwesenheitspflicht führen kann, hat sich
       in Hannover schon 1986 gezeigt: Da verweigerte der damalige
       SPD-Oppositionsführer Gerhard Schröder das Pairing konsequent – mit dem
       Hubschrauber wurde ein kranker CDU-Abgeordneter eingeflogen, um an der
       richtigen Stelle die Hand zu heben.
       
       Auch inhaltlich steht Rot-Grün schon an Tag drei nach der Wahl unter Druck:
       In Hannover forderte Greenpeace mit einer Demonstration, dass SPD und Grüne
       ihre Wahlversprechen einhalten – und Gorleben im Koalitionsvertrag als
       Atommüllendlager ausschließen. Die neue Opposition meldete sich mit
       Warnungen, Niedersachsen könnte aus dem Gigaliner-Feldversuch aussteigen.
       Vor der Wahl hatten SPD und Grüne gefordert, dass sich Niedersachsen aus
       den Tests mit mit Riesen-LKWs auf Autobahnen zurückzieht.
       
       Der künftige SPD-Ministerpräsident Stephan Weil dagegen habe noch vor
       Monaten erklärt, er sehe in den Tests auch eine Chance, das
       Transportaufkommen der Zukunft zu bewältigen, mahnt jetzt Niedersachsens
       Verkehrsgewerbeverband an. Wie man nun als Regierung dazu steht, wird
       auszuhandeln sein: Noch diese Woche beginnen SPD und Grüne die
       Sondierungsgespräche auf Fachebene. Die erste offizielle Koalitionsrunde
       ist für den 1. Februar angesetzt.
       
       Konfliktpotenzial birgt dabei auch die Verkehrspolitik: Die SPD ist offen
       für Autobahn-Neubauten und hat sich für umstrittene Projekte wie die A 39
       zwischen Wolfsburg und Lüneburg sowie die Küstenautobahn A 20
       ausgesprochen. Die Grünen lehnen beide Projekte seit jeher ab. Auch bei der
       Aufteilung der Ministerien braucht es Verhandlungsgeschick: Drei Ressorts
       dürften den Grünen zustehen, die bei der Wahl fast 14 Prozent der Stimmen
       eingefahren haben. Dass sie das Umweltministerium bekommen, gilt als
       ausgemacht. Daneben sind Kultus und Soziales im Gespräch – doch auch am
       Agrarressort haben Grüne Interesse. Das aber will Weil zu einem Ministerium
       für Europa, regionale Entwicklung und Landwirtschaft umbauen.
       
       Zugleich betonen beide Parteien, erst über Inhalte, dann die Ressorts und
       zuletzt konkrete Personalien verhandeln zu wollen. Bis zum Ende der
       Verhandlungen wollen die Grünen auch in ihrer Landtagsfraktion keine
       Personalien festlegen: Erst dann wird ein neuer Vorstand gewählt. Die neue
       SPD-Fraktion dagegen hat das bereits in ihrer ersten Sitzung am Dienstag
       gemacht.
       
       23 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Teresa Havlicek
       
       ## TAGS
       
   DIR Landtag Niedersachsen
   DIR Schwerpunkt Landtagswahlen
   DIR Schwerpunkt Landtagswahlen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Stör-Eier und Bauernprämien: Wenn Christdemokraten bocken
       
       Nach einer gereizten agrarpolitischen Debatte droht die CDU im
       niedersächsischen Landtag damit, das Fairness-Abkommen zu kündigen.
       
   DIR Rot-Grün in Niedersachsen: Streitfrage Autobahn
       
       Die SPD in Niedersachsen pocht auf den Bau der A20 und der A39, gegen die
       die Grünen seit Jahren protestieren. Die Koalitionsverhandlungen stocken.
       
   DIR Konkurrenzkampf in Niedersachen: NachfolgerIn gesucht
       
       Im September wird mit der Bundestagswahl auch das neue Stadtoberhaupt
       Hannovers gewählt. Grüne und SPD können einige KandidatInnen aufbieten, die
       CDU sucht händeringend nach AnwärterInnen.
       
   DIR McAllister nach der Niedersachsen-Wahl: Wird er doch Oppositionsführer?
       
       Nach seiner Wahlschlappe ringt Niedersachsens Ministerpräsident David
       McAllister (CDU) um seine Zukunft. Nach Berlin wird er wohl nicht wechseln.
       
   DIR Verlierer allenthalben: Das war's mit Niedersachsen!
       
       Hat bei der Landtagswahl am Sonntag tatsächlich die Demokratie gewonnen?
       Ein paar der Verlierer scheinen die These zu bestätigen - aber längst nicht
       alle.