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       # taz.de -- Israel nach der Wahl: Volksnah, aber nicht links
       
       > Der Überraschungssieger Jair Lapid will möglichst viele Israelis
       > ansprechen – deshalb bleibt er inhaltlich vage. Seine Partei soll den
       > Mittelstand vertreten.
       
   IMG Bild: George Clooney? Nein, Jair Lapid
       
       JERUSALEM taz | Volksnah gibt sich Jair Lapid, als er zusammen mit seiner
       Frau ins Sammeltaxi steigt, um zur Wahlparty zu fahren. Vielleicht ist das
       das Geheimnis des Überraschungssiegers von Israels Parlamentswahlen. Via
       Facebook wand er sich nach Veröffentlichung der Ergebnisse mit einem Wort
       an seine Wähler: „Danke.“
       
       Seit 20 Jahren kommt Lapid mal mit TV-Shows oder als Nachrichtenmoderator
       in Israels Wohnzimmer, mal mit seiner wöchentlichen Kolumne in der
       auflagenstarken Tageszeitung Jediot Achronot. Nun startet der knapp
       50-jährige Chef der neuen Partei Jesch Atid eine politische Karriere, die
       seine letzte sein soll. „Ich bin in die Politik gegangen, um zu bleiben“,
       sagt er.
       
       Genau zehn Jahre ist es her, dass Tommi (Josef) Lapid, Jairs Vater, mit
       seiner antireligiösen Partei Schinui („Wechsel“) in die Knesset einzog. Die
       Parallelen in ihrem Leben fangen lange vorher an: Beide machten sich zuerst
       als Printjournalisten, später beim TV einen Namen, beide schreiben den
       Kampf gegen das ultraorthodoxe Establishment auf ihre Wahlplakate. Und: Wie
       damals der Schinui mangelt es heute der Zukunftspartei an Wurzeln, an
       Institutionen und langjährigen Aktivisten. Daher werde die neue Partei so
       schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, wie sie aufgetaucht ist,
       sagen Analysten voraus.
       
       Was Vater und Sohn unterscheidet, sind Äußerlichkeiten: Der streitbare
       Tommi Lapid war schwergewichtig und über 70, als er Politiker wurde; der
       aparte, durchtrainierte Jair vermeidet es behutsam, anzuecken. Im Gegensatz
       zum Vater will der junge Lapid möglichst viele Israelis ansprechen. Deshalb
       bleibt er inhaltlich vage. Seine Partei Jesch Atid soll den Mittelstand
       vertreten, die „weltliche Antwort auf Schas“ sein – nicht etwa links. Lapid
       will Reformen im Erziehungssystem, sozialen Wohnungsbau und eine gerechte
       Verteilung der staatsbürgerlichen Pflichten – also den Wehrdienst auch für
       orthodoxe Juden.
       
       Auch einen Friedensprozess soll es geben – nur weiß keiner genau, wie. Die
       Zukunftspartei hat keine außenpolitische Agenda, und die Tatsache, dass er
       seinen Wahlkampf ausgerechnet in einer Siedlung begann, signalisiert den
       Palästinensern nichts Gutes. Jerusalem, so ließ er im Verlauf einer
       Wahlveranstaltung durchblicken, soll ungeteilt bleiben.
       
       Er sei aufgeregt, sagte Jair Lapid zu den Reportern, als die ersten
       Hochrechnungen veröffentlicht wurden. Vor den Aktivisten erzählt er von dem
       Wahltag vor zehn Jahren, an dem sein Vater 15 Mandate gewann. Erst als er
       das Ergebnis hörte, sei ihm, seinem Vater, „die ganze Verantwortung, die
       von da an auf seinen Schultern lastete, klar geworden“.
       
       Dem Sohn scheint es nicht anders zu gehen: Schon im Vorfeld der Wahlen
       signalisierte er, dass er Netanjahu als Koalitionspartner zur Verfügung
       steht. Mit den 19 Mandaten, die er in die Verhandlungen einbringt, kann
       Lapid hohe Ministerposten einfordern. Seiner Agenda würden Erziehungs-,
       Sozial- oder Wohnungsbauressort entsprechen. Will er nicht hinter dem Vater
       zurückstehen, muss er höher zielen: Der war Justizminister.
       
       23 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
   DIR Susanne Knaul
       
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