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       # taz.de -- Debatte Mali: In zweifelhafter Mission
       
       > War die französische Intervention wirklich Nothilfe? Bei diesem Krieg
       > bleibt Entscheidendes im Dunkeln. Sogar das Feindbild.
       
   IMG Bild: Dem Einsatz Frankreichs droht gleich wieder der Glorienschein entzogen zu werden.
       
       Monatelang wurden auf internationaler Bühne Modelle hin und her geschoben,
       wie das malische Problem zu lösen sei. Nun wurde das absolut schlechteste
       Modell genommen: eine französische Intervention, notdürftig dekoriert mit
       einer eilends herbeitelefonierten bunten afrikanischen Truppe. Dafür hätten
       die Malier nicht monatelang leiden müssen.
       
       Doch Besseres war nicht gewollt: Für eine afrikanische Lösung, eine
       wohlvorbereitete afrikanisch geführte Mission, wollte die Europäische Union
       kein Geld auf den Tisch legen. Niemand wollte den Maliern rechtzeitig und
       ausreichend geben, was sie am meisten wünschten: Hilfe in Ausbildung und
       Logistik, ohne fremde Bodentruppen, damit die Rückeroberung Nordmalis eine
       malische Angelegenheit wäre.
       
       Stattdessen nun ein französischer Krieg auf malischem Boden. Dessen
       Rechtfertigung ist: Es war Nothilfe. Aber was ist in den entscheidenden
       Tagen vor Beginn der Intervention wirklich passiert? Zu Neujahr erklärt die
       malische Armee, sie sei bereit, gen Norden zu ziehen, und warte nur auf den
       Marschbefehl des Präsidenten.
       
       Interimspräsident Dioncounda Traoré antwortet wenige Tage später dunkel:
       Ein Militäreinsatz werde „früher beginnen, als viele denken“. Am 7., 8. und
       9. Januar wird täglich auf höchster Ebene zwischen Paris und Bamako
       telefoniert: Premierminister, Außenminister, beide Präsidenten im direkten
       Kontakt. Am Morgen des 10. Januar schickt der Malier sein Hilfegesuch, die
       ersten französischen Flugzeuge treffen am Nachmittag ein; Traorés Bittbrief
       zirkuliert noch bei der UN.
       
       ## Ganz Mali zu einem Terrorstaat
       
       Dieser Ablauf könnte andeuten, dass die französische Intervention längst
       vorbereitet war, bevor islamistische Kämpfer in Richtung Süden vorstießen.
       Damit kein Missverständnis aufkommt: Diesen Vorstoß, die Einnahme des nun
       weltberühmten Städtchens Konna, hat es zweifelsfrei gegeben. Aber war er
       der Grund der Intervention oder lediglich ihr Anlass? Was in Konna geschah
       und warum sich die malische Armee so schnell von dort zurückzog, darüber
       kursieren widersprüchliche Darstellungen.
       
       Entscheidend für alles Weitere ist eine französische Behauptung,
       unhinterfragt von der Weltpresse übernommen: Die Islamisten wollten in die
       Hauptstadt Bamako und hätten von dort ganz Mali zu einem Terrorstaat
       gemacht.
       
       Es muss erlaubt sein, an diese Behauptung den Maßstab der Logik anzulegen.
       Bamako ist eine Stadt von zwei Millionen Einwohnern, von jenem berüchtigten
       Konna 590 Kilometer entfernt. Die islamistischen Gruppen, von westlichen
       Geheimdiensten auf etwa 2.000 Kämpfer geschätzt, müssten mit dieser
       Mannstärke weiterhin Nordmali okkupiert halten, auf dem Weg nach Bamako
       noch einige Städte einnehmen, um es dann mit zwei Millionen Hauptstädtern
       aufzunehmen. Und wozu überhaupt? Es handelt sich hier, wohlgemerkt, nicht
       um klassische Rebellen, die sich selbst an die Staatsspitze setzen wollen.
       Sondern um Dschihadisten, die nur in einem asymmetrischen Krieg, mit der
       Wüste als Basis und Rückzugsraum, so heimtückisch potent sein können.
       
       ## Es ging nicht um Bamako
       
       Es spricht deshalb viel für die Ansicht von Malis früherem Außenminister
       Soumeylou Boubèye Maïga: Die Islamisten wollten den Flugplatz im nahen
       Sevaré in ihre Gewalt bringen, um eine ausländische Intervention zu
       erschweren. Ist diese Differenzierung, zumal im Nachhinein, nicht völlig
       unerheblich? Nein. Denn die Behauptung, die Islamisten hätten den großen,
       den totalen Krieg um Mali gesucht, rechtfertigt nun den großen
       „Gegenkrieg“, weit über eine begrenzte Nothilfe hinaus. Und die
       Vorstellung, ganz Mali könne übermorgen schon Sahelistan sein, spiegelt
       Unkenntnis ebenso wie Herablassung.
       
       „Rumpfgebilde“ wird Mali in manchen Medien genannt, ein bloßes Territorium,
       kaum mehr Staat. Die Malier, die ihr Land mit verzweifeltem
       Nationalbewusstsein und solidarischer Leidensbereitschaft durch dieses
       Krisenjahr manövriert haben, werden von ihren Rettern jetzt schon
       entmündigt.
       
       Apropos: Hatte der malische Interimspräsident für seinen Hilferuf womöglich
       auch Motive, die mit den Islamisten nichts tun haben? Seine Spindoktoren
       erzählten französischen Journalisten, das Militär habe einen neuen Putsch
       vorgehabt, hätte den Präsidenten gar verhaften wollen in der Nacht vom 9.
       auf den 10. Januar. Le Monde fand das überzeugend: „Die malische Regierung
       wurde durch das militärische Engagement Frankreichs vor den Putschisten
       gerettet“ (15. 1.).
       
       Tatsache ist: In den Tagen vor Interventionsbeginn hatten Demonstranten
       verlangt, endlich die schon mehrfach verschobenen Concertations nationales
       einzuberufen – einen Nationalen Rat, der Beschlüssen zum Militäreinsatz und
       zu den künftigen Wahlen eine breitere demokratische Legitimation geben
       sollte, über Malis abgewirtschaftete politische Klasse hinaus.
       
       ## Entwicklungshilfe eingefroren
       
       Der Interimspräsident ist eine Symbolfigur jener alten Elite, der die
       meisten Malier nicht mehr trauen. Weil er wie auch die Regierung
       demokratisch nicht legitimiert sind, wurde international lange gezögert,
       Mali überhaupt Unterstützung zukommen zu lassen. Alles jetzt vergessen! Nur
       die Entwicklungshilfe ist bis heute eingefroren; Malis Bauern bekamen nicht
       einmal Finanzhilfe, um Saatgut zu kaufen.
       
       Der Feind wurde in diesem Krieg bisher nicht definiert. Als verstehe sich
       von selbst, wer liquidiert werden darf (und soll). Die bewaffneten
       Dschihadisten sind aber keineswegs alle Ausländer, auch wenn es die Malier
       so sehen möchten, weil der Konflikt dann die klaren Konturen einer
       Besetzung bekommt. Junge Männer wurden mit Geld als Mitkämpfer gewonnen,
       Al-Qaida-Obere heiraten schon seit Jahren in malische Familien ein, und
       selbst bei den spektakulären Amputationen verschwimmen manchmal die
       Fronten: Einem Mann wurde von seinem eigenen Bruder die Hand abgehackt.
       
       Malische Medien verlangen jetzt, die säkularen Tuareg-Kämpfer, mit deren
       Feldzug in Nordmali das ganze Desaster begann, in Den Haag als
       Kriegsverbrecher anzuklagen. Die Tuareg-Matadore sitzen unbehelligt in
       Paris. Sie begrüßten die französische Intervention.
       
       21 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Charlotte Wiedemann
       
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