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       # taz.de -- Fehmarnbelt-Querung: Fähren machen den Weg nicht frei
       
       > Die Reederei Scandlines will sich von einem Ostseetunnel nicht aus dem
       > Geschäft drängen lassen und ihre Fährlinie zur innovativsten der Welt
       > machen.
       
   IMG Bild: Noch steht sie: Die 1963 errichtete Brücke über den Fehmarnsund hat schon manchem schweren Wetter getrotzt.
       
       HAMBURG taz | Gernot Tesch denkt gar nicht daran, aus dem Weg zu gehen:
       „Der Bau einer festen Querung des Fehmarnbelts ändert viel für uns, aber
       nicht alles“, sagt der Geschäftsführer der Fährreederei Scandlines. Diese
       betreibt die Verbindung zwischen Puttgarden und Rødby auf der sogenannten
       Vogelfluglinie über den Fehmarnbelt, wo der Bau eines Tunnels geplant ist
       (siehe Kasten). Nach dessen Fertigstellung die Fährlinie zu schließen,
       „wäre ein Frevel“, sagt Tesch: „Wir haben zwei gute Häfen, wir haben eine
       gute Infrastruktur, wir haben gutes Personal.“
       
       Unmissverständlich erläuterte Tesch vor dem Dialogforum Fehmarnbelt in
       Oldenburg/Holstein am Donnerstagabend, warum er die „jetzt schon europaweit
       effektivste Fährlinie“ zwischen Deutschland und Dänemark sogar noch
       ausbauen wolle. Etwa 500 Millionen Euro will Scandlines bis 2017 in den Bau
       emissionsfreier Fähren investieren und damit „die weltweit innovativste
       Fährlinie errichten“, bestätigte Tesch kürzlich bekannt gewordene Pläne.
       „Und das ohne staatliche Gelder“, sagt Tesch. „Dafür brauchen wir aber
       Planungssicherheit.“
       
       Ein wunder Punkt, wie ein kurzes Wortgefecht zwischen Tesch und Stephan
       Siegert offenbarte. Der Leiter der Planfeststellung bei der dänischen
       Realisierungsgesellschaft Femern A/S wies darauf hin, dass der geplante
       Tunnel durch dänische Staatsbürgschaften nur abgesichert sei, jedoch
       „überwiegend privat finanziert“ werde und ergänzend EU-Fördermittel in Höhe
       von 20 Prozent der Investitionssumme in Aussicht stehen. „Das hätten wir
       auch gern“, antwortete Tesch. Mit Staatsgarantien und EU-Subventionen ein
       gesundes Unternehmen vom Markt verdrängen zu wollen, sei „ein
       Ungleichgewicht“.
       
       Scandlines durfte zum ersten Mal vor dem Dialogforum – einem seit September
       2001 tagenden runden Tisch aus Behörden, Deutscher Bahn, Gemeinden,
       Bürgerinitiativen, Kammern und Verbänden der Region Ostholstein – seine
       Position darlegen. Eine offizielle Mitgliedschaft der Reederei wurde
       bislang abgelehnt, ihr Puttgardener Betriebsratschef Bernd Friedrichs darf
       jedoch teilnehmen. Femern A/S hingegen ist mit Siegert im Forum vertreten.
       
       Die Verkehrsprognosen für den Tunnel – und damit für die Mauteinnahmen –
       zieht Tesch in Zweifel. „Diese PKWs und LKWs wird es nicht geben“, glaubt
       er. Femern A/S geht von 8.000 Autos täglich bei Eröffnung des Tunnels im
       Jahr 2021 aus und von 10.800 Fahrten fünf Jahre später – sofern die Fähren
       „nicht länger betrieben werden“, wie es in der Verkehrsprognose heißt. „Der
       Tunnel ist wirtschaftlich nicht darstellbar“, sagt deshalb Tesch, und die
       zu Grunde liegende Kosten-Nutzen-Rechnung ohnehin „nur mit viel Kreativität
       über 1,0 gehievt worden“. Für Verkehrsprojekte gilt, dass jedem
       investierten Euro ein höherer volkswirtschaftlicher Nutzen gegenüberstehen
       muss, sonst wird nicht gebaut.
       
       Und diese Rechnung könnte noch durch zusätzliche Kosten für eine Querung
       des Fehmarnsunds belastet werden. Die Tragfähigkeit der 49 Jahre alten
       Brücke zwischen Festland und Fehmarn sei nicht mehr gegeben, ergab jetzt
       eine Untersuchung der Bahn. Die erwarteten 78 Güterzüge pro Tag sollen mit
       bis zu 835 Metern fast genauso lang sein wie die Brücke mit ihren 963
       Metern. Eine Ergänzung oder Ersatz durch eine neue Brücke oder einen Tunnel
       ist in den Berechnungen bislang nicht enthalten.
       
       Die ostholsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn
       veranschlagt dafür „grob 350 bis 450 Millionen Euro“. Am Freitag hat sie
       dem Bundesverkehrsministerium dazu einen umfangreichen Fragenkatalog
       vorgelegt, den dieser bis Ende nächster Woche beantworten muss. Darunter
       auch die Frage, warum in den Trassenvarianten, die die Deutsche Bahn für
       die neuen Schienenstrecke untersucht hat, zusätzliche Kosten für einen
       Neubau am Fehmarnsund nicht enthalten sind.
       
       18 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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   DIR Fehmarnbelt
       
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