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       # taz.de -- Parlamentswahlen in Israel: Der Joker der Rechten
       
       > Naftali Bennett, Chef der nationalreligiösen Partei Habajit Hajehudi,
       > steht schon als größter Wahlsieger fest. Vor wem er auch spricht – stets
       > ist er „einer von uns“.
       
   IMG Bild: Macht gerade ziemlich viel richtig: Naftali Bennett.
       
       TEL AVIV taz | Naftali Bennett ist nicht der Typ, nach dem man sich zweimal
       umsieht, wenn er an einem vorbeigeht. Klein und kompakt mit Kippa auf dem
       fast kahlen Kopf macht er rein äußerlich nicht viel her.
       
       Gleichzeitig strahlt der 40-Jährige, der schon jetzt als größter Gewinner
       der israelischen Wahlen gilt, wohltuendes Vertrauen aus, sobald er den Mund
       aufmacht. Bennett ist eine amerikanisch-israelische Mischung aus „Have a
       nice day“-Höflichkeit und Selbstbewusstsein. So einem will man seine Kinder
       anvertrauen, stünde er nicht für eine Ideologie, die knapp die Hälfte der
       Bevölkerung zwischen Mittelmeer und Jordan komplett ignoriert.
       
       Gerade zwei Monate ist er Chef der nationalreligiösen Partei Habajit
       Hajehudi (Das jüdische Haus), die mit ihm an der Spitze einen Sprung von
       drei auf 15 Mandate machte. Preschte er anfangs mit seiner
       Groß-Israel-Agenda (Israel und Palästina zusammen) voran und der Abkehr von
       der Zweistaatenlösung, die seit 1993 offizielle Politik im Land ist, so
       gibt er sich kurz vor den Wahlen moderater und räumt ein, dass das
       Palästinaproblem nicht das Wichtigste sei.
       
       Auch in den Reihen des Likud gibt es inzwischen radikale Rechte, die dem
       Friedensprozess eine Absage erteilen würden. Ministerpräsident Benjamin
       Netanjahu indes hält – vielleicht auch, um nicht vollends mit dem starken
       Verbündeten im Weißen Haus zu brechen – vorläufig weiter an Verhandlungen
       fest.
       
       ## Bennett möchte mitregieren
       
       Bennett möchte mitregieren und Netanjahu ein Partner sein, der die
       Koalition stabilisiert. Solange die Regierung nicht den weiteren Rückzug
       Israels aus dem Westjordanland plane, was ohnehin nicht zur Debatte steht,
       gäbe es für ihn keinen Grund, die Koalition zu verlassen.
       
       Er tingelt von Termin zu Termin, spricht vor Studenten, in Gemeindehäusern,
       Talmud-Schulen und im Haus der Unternehmer. Bennett kommt allein. Anders
       als die anderen Kandidaten, die immer umgeben sind von einer Meute von
       Sicherheitskräften und Sekretärinnen. Er trägt blaue Hosen und ein Hemd mit
       hochgekrempelten Ärmeln. „Ich fühle mich hier wie zu Hause“, sagt er vor
       den Unternehmern, die nicht unbedingt zu seinen Wählern gehören. Israels
       Industrielle wählen traditionell die Arbeitspartei.
       
       Doch Bennett, der selbst Unternehmer war, bis er seine Firma, die heute 400
       Leute in Israel beschäftigt, für über 150 Millionen Dollar verkaufte, weiß,
       sich auf sein Publikum einzustellen. Immer wieder habe er selbst die
       schmerzliche Erfahrung machen müssen, Mitarbeiter zu kündigen. Der Erfolg
       kam mit einer Software, die Banken vor Diebstahl bei der Kontenabwicklung
       im Internet schützen soll.
       
       Mit dem Geld kann er sich einen teuren Wahlkampf leisten. Immer etwas
       größer als Netanjahu und seine anderen Mitstreiter und immer ein bisschen
       besser platziert wirbt Bennett mit seinem Foto auf den Frontseiten
       sämtlicher Tageszeitungen, im Internet und auf Plakaten in den Städten für
       die rechts-religiöse Partei. Seine finanzielle Unabhängigkeit ist sein
       Joker. Wer „in der Tasche von Tycoonen oder Arbeiterverbänden sitzt“, kann
       keine Veränderungen vorantreiben, sagt er. Doch genau das sei nötig, um das
       Defizit zu drücken und die Lebenshaltungskosten.
       
       ## Jung, erfolgreich, Ex-Elitesoldat
       
       Mit „Hartnäckigkeit, Konsequenz und Unabhängigkeit“ will er die Monopole
       knacken. „Er ist jung, erfolgreich, war Elitesoldat, und er schafft es,
       sogar bei den jungen Weltlichen das Gefühl entstehen zu lassen, er sei
       einer von uns“, erklärt Professor Efraim Jaar, Soziologe an der Universität
       Tel Aviv. Damit täusche er seine Wähler, denn hinter der harmlosen Fassade
       verberge sich eine „rechtsradikale Ideologie“.
       
       Wie halte er es mit dem Friedensprozess, fragt einer der Industriellen,
       doch Bennett winkt ab. „Darum geht es nicht.“ Die israelische Regierung
       habe lange genug Verhandlungen geführt und nichts erreicht, sagt er.
       Bennett verspricht den Juden im Staat eine Gesellschaft, in der „jüdische
       Werte“ großgeschrieben werden. Für das „Volk Israel“ soll es besser werden.
       Der arabischen Minderheit müsse klar sein, dass „Israel ein jüdischer und
       demokratischer Staat ist“.
       
       Wenn man auf eine Frage keine Antwort wisse, müsse man lernen, damit zu
       leben, erklärt der junge Politstar den Unternehmern und gibt ihnen ein
       Beispiel. Ein guter Freund von ihm sei im Libanonkrieg verletzt worden,
       beginnt er, und es klingt tatsächlich so, als würde er die Geschichte zum
       ersten Mal erzählen. „Er hatte einen Splitter im Gesäß.“ Der Arzt stellte
       ihn vor die Wahl: Eine Operation, mit der er riskieren würde, künftig vom
       Bauchnabel abwärts gelähmt zu sein. Oder nichts zu tun und bei
       Wetterumschwüngen leichte Schmerzen ertragen zu müssen.
       
       „Wie würden Sie sich entscheiden?“, fragt Bennett die Runde, und antwortet
       dann selbst: Der Konflikt mit den Palästinensern sei derzeit nicht zu
       lösen, sagt er. „Aber man kann lernen, damit zu leben.“
       
       21 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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