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       # taz.de -- NSU-Sonderbericht in Berlin: MigrantInnen bitter enttäuscht
       
       > VertreterInnen von Migrantenorganisationen kritisieren den Umgang mit den
       > Behördenfehlern bei den NSU-Ermittlungen: Es fehle an
       > Aufklärungsbereitschaft.
       
   IMG Bild: Innensenator Henkel (l.) mit seinem Sonderermittler am Montag.
       
       MigrantInnen und Migranten äußern sich enttäuscht über den Bericht des
       NSU-Ermittlers zur Rolle der Berliner Sicherheitsbehörden bei der
       Aufklärung der Nazi-Mordserie. Es sei offensichtlich das Ziel der
       Untersuchung gewesen, Innensenator Frank Henkel (CDU) und seine Mitarbeiter
       zu entlasten, sagt etwa Aziz Bozkurt, Vorsitzender der AG Migration der
       Berliner SPD: „Das primäre Ziel war wohl wie zu erwarten die weiße Weste.“
       Die Enttäuschung der EinwanderInnen darüber, wie die Behörden mit der
       NSU-Affäre umgingen, wachse daher von Tag zu Tag, sagt auch Serdar Yazar,
       der Vorstandssprecher des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (TBB).
       „Es geht immer weiter damit, dass alles vertuscht und unter den Teppich
       gekehrt wird.“
       
       ## Affäre abgehakt?
       
       Der im vergangenen Herbst von Henkel ernannte Sonderermittler,
       Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg, hatte am Montag im Innenausschuss des
       Abgeordnetenhauses seinen Abschlussbericht zu den Berliner Verwicklungen in
       die NSU-Affäre vorgestellt. Danach waren die zahlreichen Fehler der
       Sicherheitsbehörden – vom Schreddern von Akten, die nicht zur Vernichtung
       vorgesehen waren, bis zur Nichtweitergabe von Hinweisen – keine gezielte
       Vertuschung oder Behinderung der Ermittlungen. Für den Innensenator, seinen
       neuen Polizeichef Klaus Kandt und den – ebenfalls neuen –
       Verfassungsschutz-Chef Bernd Palenda ist die Affäre damit abgehakt – das
       machten sie bei der Debatte im Ausschuss deutlich.
       
       Das sieht Biblap Basu vom Verein ReachOut, der sich mit Opfern von rechter
       und Polizeigewalt befasst, anders. Das Hauptproblem sei bislang überhaupt
       nicht zur Sprache gekommen, so Basu: die rassistischen Ermittlungsmethoden
       nämlich. „Das nennen wir Racial profiling, wenn rassistische Einstellungen
       Ermittlungen verhindern.“ Warum seien denn die Ermittlungen so einseitig in
       Richtung migrantische Täter geführt worden? „Weil die Behörden rassistisch
       denken.“ Aber offensichtlich sei die Politik nicht an einer umfassenden
       Analyse interessiert, ergänzt Bozkurt. „Der Herr Senator macht sich einen
       schlanken Fuß und erweckt nicht den Eindruck, an einer Aufklärung oder gar
       Beseitigung der Probleme interessiert zu sein. Ein Spiegelbild ist manchmal
       wohl zu hässlich, als dass man sich damit auseinandersetzen mag.“
       
       ## „Sie“ und „wir“
       
       Migrantenkreise diskutieren das Thema dagegen weiterhin sehr viel, so Basu.
       „Weil es nicht nur um den NSU geht, sondern darum, wie „sie“, die Behörden,
       „uns“, die Migranten, sehen: nämlich als Kriminelle.“ Das Vertrauen in die
       Behörden und das grundsätzliche Sicherheitsgefühl seien ohnehin verloren,
       sagt die psychologische Psychotherapeutin Esin Erman: „Als die Morde der
       NSU aufgedeckt wurden, ist mir aufgefallen, dass das Erschrecken eher die
       Biodeutschen betraf. Bei den Türkeistämmigen stellte sich das Gefühl von
       Bitterkeit ein: Es war ihnen klar, dass so etwas möglich war.“ Wenn nun
       offiziell behauptet werde, dass im Prinzip fast alles richtig gelaufen sei
       und der Rest unter den Teppich gekehrt werde, komme natürlich Resignation
       auf. Zumal, ergänzt TBB-Sprecher Serdar Yazar, „bis heute keine einzige
       politische Konsequenz gezogen wurde“.
       
       ALKE WIERTH, SUSANNE MEMARNIA
       
       15 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alke Wierth
   DIR Susanne Memarnia
       
       ## TAGS
       
   DIR Polizei Berlin
   DIR Schwerpunkt Nationalsozialismus
       
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