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       # taz.de -- Diskriminierung: Ausgeliefertsein am Gleis
       
       > Mobilität für alle verspricht die Bahn. Für Rollstuhlfahrer im
       > schleswig-holsteinischen Owschlag gilt das nur, wenn die Schaffner einen
       > kulanten Tag haben.
       
   IMG Bild: Will mit dem Zu fahren, darf aber nicht: Rollstuhlfahrerin Heinke Friedrichsen am Owschlager Bahnhof.
       
       KIEL taz | An diesem Spätnachmittag im September durfte Heinke Friedrichsen
       auf einmal nicht mehr mitfahren. Sie wollte aus dem
       schleswig-holsteinischen Owschlag in die nächst größere Stadt Rendsburg
       fahren und wartete mit ihrem Elektro-Rollstuhl am Bahnsteig. Der Zug fuhr
       ein, die 53-Jährige rollte an eine Tür heran – und wartete vergebens
       darauf, dass der Schaffner ihr die Einstiegshilfe auslegte.
       
       Friedrichsen wohnt seit Jahren in Owschlag, ist häufig mit dem Zug
       unterwegs und war bis zu diesem Tag immer mitgenommen worden. Sie beschwert
       sich und erfährt, dass sie nie Anspruch darauf gehabt habe, mitfahren zu
       dürfen. Nur aus „Kulanz beziehungsweise kundendienstlichem Entgegenkommen
       der Bahn“ seien „bisherige Transporte von mobilitätseingeschränkten
       Reisenden von und zum Bahnhof Owschlag erfolgt“, heißt es in einem
       Schreiben der DB Regio Schleswig-Holstein.
       
       Warum diese Kulanz auf einmal endete, erklärt Bahn-Sprecher Egbert
       Meyer-Lovis damit, dass es in Owschlag einen Unfall beim Einsteigen gegeben
       hatte. Daraufhin hätten die Mitarbeiter entschieden, künftig keine
       Rollstühle mehr mitzunehmen.
       
       Für Friedrichsen ist das kein Argument: „Wenn es irgendwo mit einem anderen
       Passagier einen Taxi-Unfall gibt, darf ich dann auch kein Auto mehr
       besteigen?“ Der stellvertretende Behindertenbeauftragte für Flensburg,
       Gerhard Schmitz, nennt das Diskriminierung. Die Bahn und ihre
       Tochtergesellschaften seien verpflichtet, jeden mit einem gültigen
       Fahrschein mitzunehmen. Und gerade im ländlichen Raum sei die Bahn für
       Menschen im Rollstuhl häufig die einzige akzeptable Möglichkeit, zu reisen.
       
       Auch Friedrichsen versuchte weiter, per Zug zu fahren, denn
       behindertengerechte Taxen müssen immer sehr frühzeitig bestellt werden.
       „Das will ich aber nicht“, sagt sie. „Mit der Bahn ist es bequem, die fährt
       stündlich.“ Da sie jedoch nun offiziell nicht mehr in Owschlag aussteigen
       konnte, hatte sie immer eine Station vorher in Schleswig den Zug verlassen
       und sich dort ein Taxi rufen müssen, um nach Hause zu kommen. Es sei denn,
       sie geriet an einen freundlichen Schaffner, der in Owschlag doch die
       Einstiegshilfe auslegte.
       
       Aber sie wollte nicht mehr darauf angewiesen sein, dass ihr jemand einen
       Gefallen tut und hat das Problem nun ganz pragmatisch gelöst. Sie ist
       Anfang des Jahres nach Flensburg gezogen. Da ist der Bahnhof
       behindertengerecht.
       
       15 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geisslinger
       
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