URI: 
       # taz.de -- Handball-WM in Spanien: Phänomen aus dem Maghreb
       
       > Deutschland unterliegt Tunesien im zweiten Gruppenspiel. Viele fragen
       > sich, warum der größte Verband der Welt keine großartigen Individualisten
       > hervorbringt.
       
   IMG Bild: Vor den Partien gegen den Argentinien und Montenegro sowie Olympiasieger Frankreich stehen die deutschen Handballer enorm unter Druck.
       
       GRANOLLERS taz | Sie trafen sich am nächsten Tag wieder. Zur Mittagsstunde
       plauschte Dominik Klein, der Linksaußen des THW Kiel, in der Lobby des
       4-Sterne-Hotels Ciutat de Granollers ein paar Minuten mit Wael Jallouz, dem
       Schrecken des deutschen Handballs. „Der hat uns ganz schön viele Dinger
       reingeschweißt“, sagte Klein über den 21-jährigen Halblinken, der mit
       seinen acht Treffern aus dem Rückraum maßgeblich zur 23:25-Niederlage gegen
       Tunesien beigetragen hatte.
       
       Im Sommer wechselt der Hüne aus Hammamet zum THW Kiel. Klein aber
       konzentrierte sich nur auf das Spiel gegen Argentinien (18.15 Uhr, live in
       der ARD). „Die Stimmung ist so, dass wir nur noch nach vorne schauen“, sagt
       Klein. „Noch ist ja gar nichts verloren“, zeigte sich auch Kapitän Oliver
       Roggisch (Rhein Neckar-Löwen) optimistisch.
       
       „Unser Ziel ist weiterhin das Viertelfinale“, sagte Horst Bredemeier,
       Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB). Aber das Team von
       Bundestrainer Martin Heuberger steht bei 2:2-Punkten vor den Partien gegen
       den Argentinien und Montenegro (Mittwoch) und Olympiasieger Frankreich
       (Freitag) enorm unter Druck. Zumal die 60 Minuten gegen Tunesien
       gewissermaßen eine Verdichtung der Probleme im deutschen Handball
       darstellten.
       
       Im Rückraum, dem zentralen Mannschaftsteil, in dem jeder Spielzug ausgelöst
       wird, fehlt es an den nötigen Individualisten. Die Kreuzungen und anderen
       Auslösehandlungen, die von hier ausgehen, flößen keiner Abwehr von Format
       Angst ein, die Spielzüge sind zu berechenbar – und vor allem: Die deutschen
       Rückraumspieler sind derzeit meist nicht in der Lage oder nicht
       selbstbewusst genug, auch mal ein Duell Mann gegen Mann zu gewinnen.
       
       ## Überdurchschnittliche Abwehr
       
       Dies ist der Kern des Problems: Denn wenn keine Torgefahr aus dem Rückraum
       droht, dann stehen automatisch auch die Flügelspieler und der Kreisläufer
       auf verlorenem Posten. Dann ist ein Team wie das von Heuberger dringend auf
       einen Supertorwart angewiesen, oder auf eine überdurchschnittliche Abwehr,
       die mit Ballgewinnen Tempogegenstöße einleitet und die sogenannten
       einfachen Tore ermöglicht.
       
       Wenn aber, wie gegen Tunesien, der Torwart ausfällt und die Abwehr in
       Probleme gestürzt wird, ist eine solche Niederlage wie die gegen Tunesien
       fast logisch. Die naheliegende Frage ist, warum ein Team aus dem Maghreb
       über stärkere Individualisten verfügt als die Mannschaft des stolzen
       Deutschen Handballbundes (DHB). Die Antwort dürfte in der Trainingsmethodik
       und in der Ausbildung liegen. Wenn die deutschen Profis individuell nicht
       über die Klasse eines Jallouz oder Amine Bannour (22) verfügen, dann läuft
       in der Schule des DHB etwas grundsätzlich falsch.
       
       Heuberger sagt, Jallouz sei mit seinen körperlichen Voraussetzungen eine
       Ausnahmeerscheinung, ein solcher Handballer sei nicht die Verkörperung
       einer erfolgreicheren Ausbildung. „Die ausländischen Trainer schauen doch
       eher danach, was in Deutschland passiert“, sagt der Coach, der über Jahre
       hinweg die Juniorenauswahl des DHB zu vielen Titeln gecoacht hat. „Wir
       haben sehr wohl im deutschen Handball solche Talente, zum Beispiel Steffen
       Fäth“, sagt Heuberger.
       
       ## Hoch veranlagt
       
       Auch Christian Dissinger von den Kadetten Schaffhausen sei hoch veranlagt
       und nur wegen einer Verletzung nicht in Spanien. Das Problem liege vor
       allem in der Anschlussförderung: „Die Spieler schaffen nicht früh genug den
       Sprung in die Bundesligamannschaften.“
       
       Dominik Klein, der Weltmeister von 2007 und mit Kiel seit Jahren
       Titelsammler, trägt noch ein anderes Argument vor: „Ich möchte mal sehen,
       wie solche Spieler bei einer WM auftreten, wenn sie, wie wir alle, den
       harten Bundesligaalltag in den Beinen haben.“ Jallouz, das Sprungwunder aus
       Hammamet, wird diese Belastung in der härtesten Liga der Welt am eigenen
       Leibe zu spüren bekommen.
       
       15 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Eggers
       
       ## TAGS
       
   DIR Handball-WM
   DIR 2013
   DIR Tunesien
   DIR Deutschland
   DIR Viertelfinale
   DIR Handball
   DIR Handball-WM
   DIR Handball-WM
   DIR Handball-WM
   DIR Handball
   DIR Handball
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Löwen-Manager über Handball-Reform: „Die gehen kaputt“
       
       Handball-Manager Storm von den Mannheimer Löwen fordert eine Reform: Die WM
       soll im Sommer stattfinden, die Topspieler müssten entlastet werden.
       
   DIR Deutsche Handballer im WM-Viertelfinale: Der Trotz der Verkannten
       
       Dem deutschen Team hat vor der WM kaum einer etwas Großes zugetraut. Und
       jetzt strahlt plötzlich einer der Anführer auch noch Torgefahr aus.
       
   DIR Handball-WM in Spanien: Deutschland steht im Viertelfinale
       
       Plötzlich Geheimfavorit? Immerhin das Viertelfinale hat die DHB-Auswahl bei
       der WM in Spanien erreicht. Gegen Mazedonien gab es einen souveränen
       28:23-Sieg.
       
   DIR Handball-WM in Spanien: Beton als Basis
       
       Nach dem vorzeitigen Achtelfinaleinzug wirkt das deutsche Team
       selbstbewusst. Ein Sieg im letzten Gruppenspiel scheint jedoch utopisch.
       
   DIR Auftakt Handball-WM: Ein tugendhaftes Team
       
       Das Nationalteam, das bei der WM ins Achtelfinale will, wird von den
       kleinen Vereinen bestückt, große Namen fehlen. Das Achtelfinale soll
       trotzdem drin sein.
       
   DIR Handball-Erstligist Rhein-Neckar Löwen: Investorenlos erfolgreich
       
       Nach dem Sieg über die Füchse Berlin haben die Rhein-Neckar Löwen deren
       Rolle des Vorjahrs übernommen: als Überraschungsteam der Liga.
       
   DIR Handballskandall in Frankreich: Anfänger auf illegalen Pfaden
       
       Ein halbes Dutzend Handballprofis aus Montpellier steht unter Verdacht,
       mindestens ein Spiel verschoben zu haben. Ihnen droht ein Prozess.