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       # taz.de -- Nationalreligiöser über israelische Politik: „Wir lehnen zwei Staaten ab“
       
       > Yoni Chetboun von der nationalistischen Partei Habajit Hajehudi über die
       > konservative Stimmung in Israel und die Ziele seiner Bewegung.
       
   IMG Bild: Palästinenser und Israelis demonstrieren gemeinsam nahe Jerusalem gegen israelische Siedlungen.
       
       taz: Herr Chetboun, Sie stehen auf Platz elf der Liste Habajit Hajehudi und
       haben gute Chancen, in die Knesset zu kommen. Was ist Ihre Agenda? 
       
       Yoni Chetboun: Ich glaube, dass in Israel 60 Jahre nach Staatsgründung eine
       Diskussion über die Identität des Landes beginnt. Die Frage ist, ob wir in
       die Richtung eines Staates aller Bürger gehen, also nicht unbedingt ein
       Staat des jüdischen Volkes, oder ob wir einen Staat wollen, der die
       jüdischen Werte in den Vordergrund stellt. Ich denke, dass sich die Raison
       d’être für uns in Eretz Israel [biblisches Land Israel] aus den jüdischen
       Werten ergibt, aus dem Tanach [Altes Testament] und unserer gesamten
       Geschichte.
       
       Was bedeutet das für die Minderheit in Israel? 
       
       Die Minderheit kann weiter hier leben, nur muss sie verstehen, dass Israel
       ein jüdischer und demokratischer Staat ist. Problematisch wird es, wenn die
       israelischen Araber die Existenz Israels als jüdischen Staat infrage
       stellen, was leider im palästinensischen und auch im arabisch-israelischen
       Diskurs passiert.
       
       Wie erklären Sie den großen Erfolg Ihrer Partei? 
       
       80 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels bezeichnen sich als religiöse
       oder traditionelle Juden. Die Verbindung zu den jüdischen Werten ist nicht
       zwingend religiös. Die Partei ist deshalb auch für weltliche Israelis,
       denen das Judentum wichtig ist, attraktiv. Habajit Hajehudi füllt eine
       Lücke. Der israelischen Politik mangelte es an einer Partei, die für eine
       Ideologie steht. Wir sind eine rechte, jüdische, zionistische Partei, damit
       fängt es an, auch wenn du nicht mit allem einverstanden bist, was in
       unserem Programm steht.
       
       Habajit Hajehudi will 60 Prozent des Westjordanlands annektieren. Ist das
       das Ende der Zweistaatenlösung? 
       
       Wir lehnen zwei Staaten für zwei Völker ab. Ein weiterer Staat auf dem
       Gebiet von Eretz Israel wäre aus zwei Gründen katastrophal. Erstens aus
       Sicherheitsgründen: Das palästinensische Volk besteht aus verschiedenen
       Gruppen, religiösen Fundamentalisten, die sich gegenseitig bekriegen. Es
       gibt weder Möglichkeiten der Kontrolle noch einer Einigung mit den
       Palästinensern. Jahrzehntelange Verhandlungen haben nichts ergeben.
       Zweitens sagen wir der Welt heute, dass wir hier seit 3.000 Jahren leben,
       es gibt 21 arabische Staaten, und es gibt nicht den geringsten Grund, dass
       Eretz Israel geteilt werden sollte. Judäa und Samaria gehören dem
       israelischen Volk.
       
       Und was wird mit Gaza? 
       
       Der Abzug aus dem Gazastreifen war ein großer Fehler. Wir zahlen den Preis
       dafür mit jeder Rakete, die auf den Süden Israels abgeschossen wird. Das
       Sicherheitsproblem ergibt sich aus der Verbindung zwischen Ägypten und dem
       Gazastreifen. Dort muss eine Trennzone geschaffen werden.
       
       Und der Gazastreifen soll auf lange Sicht zu Israel gehören? 
       
       Das habe ich nicht gesagt. Über die Zukunft Gazas muss man nachdenken.
       
       Glauben Sie, dass die USA bei Ihren Plänen mitspielen werden? 
       
       Wenn wir immer darauf gehört hätten, was das Ausland sagt, gäbe es heute
       den Staat Israel nicht. Die USA sind enge Verbündete Israels, aber wir
       sollten verstehen, dass die internationale Verurteilung des Siedlungsbaus
       daher rührt, dass die Regierung in Jerusalem selbst schwankt und mal
       dieses, mal jenes sagt. In dem Moment, wo wir eine Politik verfolgen, die
       zuallererst uns selbst klar ist und die damit anfängt, dass Eretz Israel
       dem Volk Israel gehört und Jerusalem ewig ungeteilte Hauptstadt ist, dann
       wird auch die Welt verstehen, dass hier ein Volk ist, dass auf seine
       Souveränität beharrt, und anfangen, sich mit wichtigeren Dingen zu
       befassen, als mit der Frage, ob Israel eine Siedlung baut oder nicht.
       
       Deutschland hat vor einigen Wochen im UN-Sicherheitsrat zum ersten Mal
       nicht für Israel gestimmt, sondern sich der Stimme enthalten. Beunruhigt
       Sie das? Und fürchten Sie einen neuen Antisemitismus? 
       
       Ich würde die Kritik Deutschlands nicht als antisemitisch bezeichnen. Wir
       haben eine lange Geschichte der Beziehungen seit dem Holocaust. Ich bin
       überzeugt, dass die internationale Stimmung ihre Ursache in Jerusalem hat,
       wo eine Regierung sitzt, die nicht weiß, wohin sie will. Sobald sich das
       ändert, wird auch Deutschland verstehen, dass Jerusalem oder Judäa und
       Samaria Deutschland nichts angehen. Wir schreiben den Deutschen umgekehrt
       ja auch nicht vor, ob sie in München bauen oder nicht.
       
       Verfolgen Sie die Debatte um den Journalisten Jakob Augstein, dem das Simon
       Wiesenthal Center antisemitische Aussagen vorwirft? 
       
       Von der Debatte ist mir nichts bekannt.
       
       Wie schätzen Sie den Arabischen Frühling ein? 
       
       Wir müssen uns der Realität stellen. Wenn Regierungen stürzen, dann geraten
       Waffen in den Umlauf, das führt zum Verlust der Kontrolle. Ich glaube
       nicht, dass Israel sich in irgendeiner Form in das einmischen sollte, was
       in den Nachbarländern passiert, aber wir müssen auf alles vorbereitet sein.
       
       Sie wollen den Kuchen essen und ihn doch ganz lassen: Sie sagen, dass 60
       Prozent Palästinas annektiert werden sollen, die dort lebenden
       Palästinenser möchten Sie zu Staatsbürgern machen und sich damit eine
       Bevölkerung ins Land holen, die Sie gar nicht wollen. 
       
       Die Frage ist nicht, ob wir sie wollen oder nicht, wir suchen nach
       realistischen Lösungen. Es gibt einen Staat mit einer Minderheit, was erst
       einmal nichts Schlechtes ist. Minderheiten können Gesellschaften
       bereichern, solange sie den Staat nicht bedrohen.
       
       Wie würde die perfekte Koalition für Sie aussehen? 
       
       Die israelische Öffentlichkeit rückt nach rechts und wird sicher den
       rechten Block wählen. Das Problem ist, dass der Likud vor vier Jahren mit
       der linken Arbeitspartei eine Regierung gegründet hat, die dem Wunsch der
       Wähler nicht entspricht. Es ist deshalb wichtig, dass Habajit Hajehudi als
       starke Koalitionspartei mit in die Regierung einzieht, um sicherzustellen,
       dass die Regierung eine nationale Agenda verfolgt.
       
       13 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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