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       # taz.de -- Atommüll-Export: In Berlin dagegen, in Brüssel dafür
       
       > Niemand wolle deutschen Atommüll exportieren, versichern Angela Merkel
       > und Peter Altmaier. Doch in Brüssel stimmte die CDU dafür
       
   IMG Bild: Im russischen Atomzentrum Majak lagert schon bulgarischer Atommüll – offiziell zur Wiederaufarbeitung
       
       BERLIN taz | Niemand hat die Absicht, deutschen Atommüll ins Ausland zu
       exportieren – daran wollten Angela Merkel und Peter Altmaier (beide CDU)
       keinerlei Zweifel aufkommen lassen. Nachdem letzte Woche bekannt geworden
       war, dass das deutsche Atomrecht künftig unter bestimmten Bedingungen eine
       Ausfuhr von abgebrannten Brennelementen und anderem Strahlenmüll erlauben
       soll, versicherten die Kanzlerin und ihr Umweltminister, von dieser
       Möglichkeit solle keinesfalls Gebrauch gemacht werden.
       
       Laut Merkel ist klar, „dass wir unseren Abfall bei uns lagern“.
       Spekulationen über Atommüll-Exporte seien „blühender Unsinn“, erklärte
       Altmaier. Geändert werde das deutsche Atomrecht nur, um eine EU-Richtlinie
       von 2011 umzusetzen, die diese Exportmöglichkeit vorschreibe.
       
       Doch dass dieser Beschluss in Brüssel gegen deutschen Widerstand fiel –
       davon kann keine Rede sein. Merkels und Altmaiers Parteifreunde im
       Europaparlament haben sie explizit unterstützt: Als dort am 23. Juni 2011
       die Forderung nach einem striktem Atommüll-Exportverbot in Nicht-EU-Staaten
       zur Abstimmung stand, votierten alle anwesenden deutschen CDU-Abgeordneten
       dagegen; lediglich aus der CSU gab es Ja-Stimmen, wie das Protokoll der
       namentlichen Abstimmung zeigt.
       
       Zur Begründung für das Pro-Export-Votum sagte der Vorsitzende der
       CDU-CSU-Gruppe und Energieexpete Herbert Reul auf taz-Anfrage, man habe ein
       „Totalverbot“ verhindern wollen: „Wir wollten kleine Staaten wie Litauen
       und Lettland nicht einschnüren.“ Solche Länder, auf deren Gebiet ein
       eigenes Endlager eventuell nicht möglich sei, sollten die Möglichkeit
       bekommen, ihren Müll in andere Staaten zu schicken. Indes: Dafür hätte kein
       Export in Nicht-EU-Staaten ermöglicht werden müssen, sondern nur die
       Kooperation innerhalb der EU. Das sah auch die CSU so, deren EU-Abgeordnete
       mehrheitlich gegen den Export in Drittstaaten stimmten.
       
       ## Bundesregierung stimmte zu
       
       Auch die Bundesregierung, die die Exportmöglichkeit nun so kritisch sieht,
       hat der EU-Richtlinie, die sie vorschreibt, im Juli 2011 zugestimmt. In
       einer Pressemitteilung begrüßte das Umweltministerium die Entscheidung und
       lobte auch die „Kompromisslösung“ zum Atommüllexport, die den „höchsten
       Sicherheitsstandard“ gewährleiste.
       
       „Wenn Altmaier jetzt jammert, er müsse umsetzen, was ’Brüssel‘ beschlossen
       hat, dann ignoriert er die eigene Verantwortung“, kommentiert Rebecca
       Harms, Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament. Angesichts der
       Zustimmung der deutschen Abgeordneten frage sie sich, „von welchem Konsens
       gegen Atommüllexporte Angela Merkel und Peter Altmaier sprechen“.
       
       Das Umweltministerium betont, auch nach der Gesetzesänderung bleibe es beim
       „Grundsatz der Inlandsentsorgung“; die Exportmöglichkeiten würden sogar
       weiter eingeschränkt, erklärte ein Sprecher. Atomkraftgegner bezweifen das:
       „Wenn der Atommüll-Export erst einmal im Gesetz steht, wird er früher oder
       später auch stattfinden“, sagt Jochen Stay von Ausgestrahlt.
       
       ## Möglichkeiten genutzt
       
       Dass die Regierung im Zweifel bereit ist, rechtlich bestehende
       Exportmöglichkeiten auch zu nutzen, hatte zuletzt Altmaiers Vorgänger
       Norbert Röttgen (CDU) bewiesen: Er entschied 2010, Brennelemente aus Ahaus
       ins russische Majak zu schicken – was aufgrund alter Verträge möglich war.
       
       Erst nach massiven öffentlichen Protesten änderte er seine Einschätzung,
       dass der Müll in Majak – was als der am stärksten radioaktiv verseuchter
       Ort der Welt gilt – sicher aufbewahrt würde. Und ins sibirische Argansk hat
       die deutsche Firma Urenco bis 2009 abgereichertes Uran geschickt. Das war
       möglich, weil es offiziell nicht als Atommüll, sondern als „Wertstoff“
       galt.
       
       11 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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