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       # taz.de -- Demos in Frankreich gegen Homoehe: Der Kulturkampf eskaliert
       
       > Gegner der Homoehe wollen erneut in Paris demonstrieren. Längst geht es
       > beiden Seiten um mehr als das Recht auf die Ehe für alle.
       
   IMG Bild: Nein, das sind keine Monty-Python-Darsteller. Sondern französische Katholikinnen, die gegen die Homoehe demonstrieren
       
       PARIS taz | Auf den egalitären Slogan „Heirat für alle“ („Mariage pour
       tous“) des Dachverbands der Homos, Lesben, Bi- und Transsexuellen antworten
       die Gegner der Homo-Ehe mit der Devise „Demo für alle“ („Manif pour tous“).
       Sie rechnen für ihre landesweit organisierte Kundgebung am Sonntag mit rund
       einer halben Million Teilnehmer allein in der Hauptstadt Paris.
       
       Ihre Mobilisierung ändert aber nichts daran, dass sie in Frankreich eine
       Minderheit sind. Rund 60 Prozent äußern sich bei Umfragen positiv zur
       Legalisierung des Rechts auf zivile Trauung für gleichgeschlechtliche
       Paare.
       
       Auch werden die von der katholischen Kirche und der rechten Opposition
       unterstützten Gegner nicht verhindern, dass Ende des Monats die
       Abgeordneten über die Regierungsvorlage diskutieren und sie verabschieden
       werden. Immerhin hat die sozialistische Regierungspartei beschlossen, die
       Gesetzesvorlage zum Recht auf Ehe und Adoption nicht durch einen Abschnitt
       über künstliche Befruchtung zu verkomplizieren.
       
       Trotzdem weitet sich die Debatte aus. Beiden Seiten geht es um
       Grundsätzliches. Für die Gegner steht nichts Geringeres als die
       traditionelle Familie, das Recht der Kinder auf einen Vater und eine Mutter
       und somit die bisherige Definition der Elternschaft im Zivilgesetzbuch –
       wenn nicht sogar die Zukunft der Menschheit – auf dem Spiel. Für die
       Gegenseite ist das „Recht auf Ehe für alle“, wie die Reform umschrieben
       wird, ein klarer Fall von Gleichberechtigung, die nach Jahrhunderten der
       Diskriminierung endlich verwirklicht werden müsse.
       
       ## Die Polemik eskaliert
       
       Ein Kompromiss ist kaum möglich. Im Gegenteil: Die Polemik eskaliert. Die
       Befürworter der Vorlage wollen bereits weitergehen. Sie fordern außer dem
       Recht auf Ziviltrauung auch gleiche Rechte auf Adoption sowie künstliche
       Befruchtung und Eizellentransplantation. Das sind alles ohnehin schon
       umstrittene Themen, die in der französischen Gesellschaft und in
       Fachkreisen ethische Grundsatzfragen aufwerfen.
       
       Aus diesem Grund haben auch die französischen Bischöfe Stellung gegen die
       Homo-Ehe bezogen. Ihnen geht es auch um die Autorität der katholischen
       Kirche, die in den letzten Jahrzehnten in Frankreich stark an Einfluss
       verloren hatte. Auch Papst Benedikt XVI. hatte zu Weihnachten betont, dass
       die Homo-Ehe ein „echter Anschlag auf die Familie“ sei.
       
       Ihr liege als „falsches Fundament“ die auf die Feministin Simone de
       Beauvoir zurückgehende Gendertheorie („Man wird nicht als Frau geboren, man
       wird es“) zugrunde, deren „Unwahrheit“ offenkundig sei. Das aber sei eine
       „Leugnung der im göttlichen Schöpfungsplan verankerten geschlechtsmäßigen
       Vorprägung“.
       
       Das ruft die Befürworter einer strikten Trennung von Kirche und Staat auf
       den Plan, die sich eine solche „Einmischung“ in die Angelegenheiten der
       Republik verbeten. Auf beiden Seiten gießen Extremisten Öl ins Feuer: im
       Lager der Befürworter der Homo-Ehe mit antiklerikalen Parolen und
       maximalistischen Zusatzforderungen, auf der Gegenseite durch übertriebene
       Warnungen vor dem Untergang der Zivilisation oder homophobe Entgleisungen.
       
       ## Umstrittenes Rundschreiben
       
       Das Kräftemessen findet in den Medien, aber mehr noch bei Kundgebungen auf
       der Straße statt. Nach der Kundgebung der Gegner am Sonntag werden eine
       Woche später die Befürworter zahlreich demonstrieren. Im Vorfeld wird die
       Debatte zu einer Neuauflage eines typisch französischen Schulstreits. Der
       sozialistische Erziehungsminister Vincent Peillon hat in einem
       Rundschreiben die Leiter der ca. 8.500 (religiösen) Privatschulen in der
       Frage der Homo-Ehe zu Zurückhaltung und Neutralität gemahnt. Das wird ihm
       von der konservativen Opposition als Zensur und Provokation ausgelegt.
       
       Die meisten dieser Privatschulen, deren Lehrpersonal vom Staat bezahlt
       wird, sind vertraglich verpflichtet, denselben Lehrplan einzuhalten. Was
       Peillon ärgert: Einige Schulen haben offenbar auch Propaganda gegen die
       Homo-Ehe an die Eltern verschickt, was die weltlichen Anhänger der
       öffentlichen Schule schockiert. Nur hatte sich im Gegenzug die
       Regierungssprecherin und Ministerin für Frauenrechte in einer Schule im
       Rahmen einer Kampagne gegen Homophobie für die Reform eingesetzt. Das war
       riskant, da man weiß, wie wenig es in Frankreich braucht, um alte Wunden
       eines langen Kulturkampfes um Schule und Kirche aufzureißen.
       
       Staatschef François Hollande hat nach seinem Neujahrsempfang für Vertreter
       verschiedener Konfessionen versichert, es gebe wegen der Polemik gegen die
       Homo-Ehe, der Schulfrage und auch sonst „keine Spannungen“ mit den Kirchen.
       Er hat kein Interesse an derartigen Konflikten. Aber eine Kapitulation in
       Sachen Homo-Ehe kommt nicht infrage. Finanzprobleme haben ihn zu
       Konzessionen und zum Verzicht auf rasche Reformen gezwungen. Beim
       Engagement für die Rechte Homosexueller, das ihn nichts kostet, muss er
       hart bleiben, wenn er das Vertrauen seiner Wähler behalten will.
       
       13 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
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